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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Viertes Vierteljahr.

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Gin Doppelsieg des Fürsten Bismarck

er Reichstag hat einmal wieder einen "großen Tag" gehabt, wie
sie unter dem neuen Kurs recht selten geworden sind, einen großen
Tag, fast wie damals, wenn Fürst Bismarck sprach. Am vorletzten
Montag hat der Fürst nicht gesprochen, es ist vielmehr nur über
ihn gesprochen worden, und doch war es ein großer Tag! Denn
gewaltig, alle leiblich anwesenden Mitglieder des Bundesrath und des Reichs¬
tags weit überragend stand die Reckengestalt des Alten vom Sachsenwalde vor
den geistigen Augen aller, und er feierte einen großen Triumph. Diesem
Eindruck konnten sich auch die verbissensten Gegner nicht entziehen, obwohl
^ selbst ihm durch die Jnterpellation zu diesem Siege verhalfen. Was die
Herren vom Zentrum sagten, war matt und farblos; denn Herr Lieber, der
sich in Wiesbaden Ausfälle erlaubt hatte, die sein klugerer und taktvollerer
Vorgänger Windthorst weder sich noch einem seiner in der Furcht des Herrn
erzognen Gefvlgsmannen jemals gestattet haben würde, schon aus Klugheits-
und Anstandsrücksichten, hatte offenbar die Anweisung erhalten, in zweiter
^mie zu bleiben, und was Richter und Liebknecht, xs,r nobils tiÄtruin, vor¬
brachten, das machte "keinen Eindruck," denn "niemand nimmt sie für ernst."
Darum Dank diesen wackern Männern, daß sie sich selber eine so gründliche
Niederlage bereitet haben, denn die haben sie erlitten. Der wohlgemeinte
Erfund, sich als die besonders königstreue Gefolgschaft schützend um den Thron
on scharen, um ihn gegen die rachsüchtigen Angriffe des gestürzten "Häus¬
lers" zu decken, ist kläglich gescheitert. Schade nur, daß niemand Herrn
Züchter, dessen Vaterfreude sich in diesen geistreichen Vergleich verliebt zu
haben scheint, auf seine Geschichtskenntnisse hin geprüft und ihn gefragt hat,
°b er nicht wisse, daß zu einem "Hausineier" immer auch eine Null als König
gehörte, und ob jemals ein Hohenzollernkönig eine solche Null gewesen sei
Gr


enzboten IV 1896


Gin Doppelsieg des Fürsten Bismarck

er Reichstag hat einmal wieder einen „großen Tag" gehabt, wie
sie unter dem neuen Kurs recht selten geworden sind, einen großen
Tag, fast wie damals, wenn Fürst Bismarck sprach. Am vorletzten
Montag hat der Fürst nicht gesprochen, es ist vielmehr nur über
ihn gesprochen worden, und doch war es ein großer Tag! Denn
gewaltig, alle leiblich anwesenden Mitglieder des Bundesrath und des Reichs¬
tags weit überragend stand die Reckengestalt des Alten vom Sachsenwalde vor
den geistigen Augen aller, und er feierte einen großen Triumph. Diesem
Eindruck konnten sich auch die verbissensten Gegner nicht entziehen, obwohl
^ selbst ihm durch die Jnterpellation zu diesem Siege verhalfen. Was die
Herren vom Zentrum sagten, war matt und farblos; denn Herr Lieber, der
sich in Wiesbaden Ausfälle erlaubt hatte, die sein klugerer und taktvollerer
Vorgänger Windthorst weder sich noch einem seiner in der Furcht des Herrn
erzognen Gefvlgsmannen jemals gestattet haben würde, schon aus Klugheits-
und Anstandsrücksichten, hatte offenbar die Anweisung erhalten, in zweiter
^mie zu bleiben, und was Richter und Liebknecht, xs,r nobils tiÄtruin, vor¬
brachten, das machte „keinen Eindruck," denn „niemand nimmt sie für ernst."
Darum Dank diesen wackern Männern, daß sie sich selber eine so gründliche
Niederlage bereitet haben, denn die haben sie erlitten. Der wohlgemeinte
Erfund, sich als die besonders königstreue Gefolgschaft schützend um den Thron
on scharen, um ihn gegen die rachsüchtigen Angriffe des gestürzten „Häus¬
lers" zu decken, ist kläglich gescheitert. Schade nur, daß niemand Herrn
Züchter, dessen Vaterfreude sich in diesen geistreichen Vergleich verliebt zu
haben scheint, auf seine Geschichtskenntnisse hin geprüft und ihn gefragt hat,
°b er nicht wisse, daß zu einem „Hausineier" immer auch eine Null als König
gehörte, und ob jemals ein Hohenzollernkönig eine solche Null gewesen sei
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[0401] [Abbildung] Gin Doppelsieg des Fürsten Bismarck er Reichstag hat einmal wieder einen „großen Tag" gehabt, wie sie unter dem neuen Kurs recht selten geworden sind, einen großen Tag, fast wie damals, wenn Fürst Bismarck sprach. Am vorletzten Montag hat der Fürst nicht gesprochen, es ist vielmehr nur über ihn gesprochen worden, und doch war es ein großer Tag! Denn gewaltig, alle leiblich anwesenden Mitglieder des Bundesrath und des Reichs¬ tags weit überragend stand die Reckengestalt des Alten vom Sachsenwalde vor den geistigen Augen aller, und er feierte einen großen Triumph. Diesem Eindruck konnten sich auch die verbissensten Gegner nicht entziehen, obwohl ^ selbst ihm durch die Jnterpellation zu diesem Siege verhalfen. Was die Herren vom Zentrum sagten, war matt und farblos; denn Herr Lieber, der sich in Wiesbaden Ausfälle erlaubt hatte, die sein klugerer und taktvollerer Vorgänger Windthorst weder sich noch einem seiner in der Furcht des Herrn erzognen Gefvlgsmannen jemals gestattet haben würde, schon aus Klugheits- und Anstandsrücksichten, hatte offenbar die Anweisung erhalten, in zweiter ^mie zu bleiben, und was Richter und Liebknecht, xs,r nobils tiÄtruin, vor¬ brachten, das machte „keinen Eindruck," denn „niemand nimmt sie für ernst." Darum Dank diesen wackern Männern, daß sie sich selber eine so gründliche Niederlage bereitet haben, denn die haben sie erlitten. Der wohlgemeinte Erfund, sich als die besonders königstreue Gefolgschaft schützend um den Thron on scharen, um ihn gegen die rachsüchtigen Angriffe des gestürzten „Häus¬ lers" zu decken, ist kläglich gescheitert. Schade nur, daß niemand Herrn Züchter, dessen Vaterfreude sich in diesen geistreichen Vergleich verliebt zu haben scheint, auf seine Geschichtskenntnisse hin geprüft und ihn gefragt hat, °b er nicht wisse, daß zu einem „Hausineier" immer auch eine Null als König gehörte, und ob jemals ein Hohenzollernkönig eine solche Null gewesen sei Gr enzboten IV 1896

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_223583/401>, abgerufen am 30.05.2024.