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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Viertes Vierteljahr.

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Juristische Randbemerkungen zum Lali Kotze
Erich Solls von(Schluß)

ber hiermit ist die Zahl der Rechtsverletzungen, über die Fried¬
mann Klage führt, noch nicht erschöpft. Was kam es auch,
so fragt er entrüstet, in dieser Sache auf einen Rechtsbruch
mehr oder weniger an? Bei der Rüge, mit der wir uns
jetzt zu beschäftigen haben, scheint der Wortlaut des Gesetzes
wenigstens auf den ersten Blick Friedmanns Tadel zu rechtfertigen. Er be¬
schwert sich nämlich darüber, daß die Personen, die einen Strasantrag wegen
Beleidigung gegen Herrn v. Kotze gestellt hatten, in dem Verfahren wider ihn
nicht bloß als Zeugen vernommen, sondern auch vereidigt worden sind, ob¬
wohl die Militärstrafgerichtsordnung in dem Abschnitt "von dem Verfahren
bei Beleidigungen" in Z 230 bestimmt: "Die Vereidigung des Denunzianten ist
unzulässig." Doch werden wir nach den Erfahrungen, die wir bisher gemacht
haben, gut thun, auch dieser Rüge von vornherein mit Mißtrauen zu be¬
gegnen. Man wird jedenfalls ohne weiteres geneigt sein, vorauszusetzen, daß
der Auditeur mit voller Überzeugung gehandelt und seine guten und wohl¬
erwognen Gründe dafür gehabt habe, wenn er in einer so hochwichtigen Unter¬
suchung, auf deren Ausgang alle Blicke gerichtet waren, die Antragsteller als
Zeugen vereidigte und sich dadurch anscheinend mit einer so klaren und be¬
stimmten Gesetzesvorschrift in Widerspruch setzte.

Hier ist zunächst darauf hinzuweisen, daß Friedmanns Darstellung eine
empfindliche Lücke zeigt. Es wird nämlich nirgends mit klaren Worten aus¬
gesprochen, ob den Gegenstand der Untersuchung ausschließlich die in den
anonymen Briefen enthaltenen Beleidigungen von Privatpersonen gebildet
haben, oder ob Herr v. Kotze außerdem noch andrer Vergehen beschuldigt
worden ist, die er durch Abfassung und Verbreitung der Briefe begangen
haben sollte. Friedmann muß das aus den Akten genau wissen. Auch be¬
findet sich an einer Stelle seines Berichts eine leise Andeutung, daß auch
die Vergehen der Majestätsbeleidigung und der Beleidigung von Mitgliedern
des preußischen Königshauses in Frage gekommen sein mögen. Auch an eine
nach 184 des Strafgesetzbuchs strafbare Verbreitung unzüchtiger Schriften




Juristische Randbemerkungen zum Lali Kotze
Erich Solls von(Schluß)

ber hiermit ist die Zahl der Rechtsverletzungen, über die Fried¬
mann Klage führt, noch nicht erschöpft. Was kam es auch,
so fragt er entrüstet, in dieser Sache auf einen Rechtsbruch
mehr oder weniger an? Bei der Rüge, mit der wir uns
jetzt zu beschäftigen haben, scheint der Wortlaut des Gesetzes
wenigstens auf den ersten Blick Friedmanns Tadel zu rechtfertigen. Er be¬
schwert sich nämlich darüber, daß die Personen, die einen Strasantrag wegen
Beleidigung gegen Herrn v. Kotze gestellt hatten, in dem Verfahren wider ihn
nicht bloß als Zeugen vernommen, sondern auch vereidigt worden sind, ob¬
wohl die Militärstrafgerichtsordnung in dem Abschnitt „von dem Verfahren
bei Beleidigungen" in Z 230 bestimmt: „Die Vereidigung des Denunzianten ist
unzulässig." Doch werden wir nach den Erfahrungen, die wir bisher gemacht
haben, gut thun, auch dieser Rüge von vornherein mit Mißtrauen zu be¬
gegnen. Man wird jedenfalls ohne weiteres geneigt sein, vorauszusetzen, daß
der Auditeur mit voller Überzeugung gehandelt und seine guten und wohl¬
erwognen Gründe dafür gehabt habe, wenn er in einer so hochwichtigen Unter¬
suchung, auf deren Ausgang alle Blicke gerichtet waren, die Antragsteller als
Zeugen vereidigte und sich dadurch anscheinend mit einer so klaren und be¬
stimmten Gesetzesvorschrift in Widerspruch setzte.

Hier ist zunächst darauf hinzuweisen, daß Friedmanns Darstellung eine
empfindliche Lücke zeigt. Es wird nämlich nirgends mit klaren Worten aus¬
gesprochen, ob den Gegenstand der Untersuchung ausschließlich die in den
anonymen Briefen enthaltenen Beleidigungen von Privatpersonen gebildet
haben, oder ob Herr v. Kotze außerdem noch andrer Vergehen beschuldigt
worden ist, die er durch Abfassung und Verbreitung der Briefe begangen
haben sollte. Friedmann muß das aus den Akten genau wissen. Auch be¬
findet sich an einer Stelle seines Berichts eine leise Andeutung, daß auch
die Vergehen der Majestätsbeleidigung und der Beleidigung von Mitgliedern
des preußischen Königshauses in Frage gekommen sein mögen. Auch an eine
nach 184 des Strafgesetzbuchs strafbare Verbreitung unzüchtiger Schriften


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[0069] [Abbildung] Juristische Randbemerkungen zum Lali Kotze Erich Solls von(Schluß) ber hiermit ist die Zahl der Rechtsverletzungen, über die Fried¬ mann Klage führt, noch nicht erschöpft. Was kam es auch, so fragt er entrüstet, in dieser Sache auf einen Rechtsbruch mehr oder weniger an? Bei der Rüge, mit der wir uns jetzt zu beschäftigen haben, scheint der Wortlaut des Gesetzes wenigstens auf den ersten Blick Friedmanns Tadel zu rechtfertigen. Er be¬ schwert sich nämlich darüber, daß die Personen, die einen Strasantrag wegen Beleidigung gegen Herrn v. Kotze gestellt hatten, in dem Verfahren wider ihn nicht bloß als Zeugen vernommen, sondern auch vereidigt worden sind, ob¬ wohl die Militärstrafgerichtsordnung in dem Abschnitt „von dem Verfahren bei Beleidigungen" in Z 230 bestimmt: „Die Vereidigung des Denunzianten ist unzulässig." Doch werden wir nach den Erfahrungen, die wir bisher gemacht haben, gut thun, auch dieser Rüge von vornherein mit Mißtrauen zu be¬ gegnen. Man wird jedenfalls ohne weiteres geneigt sein, vorauszusetzen, daß der Auditeur mit voller Überzeugung gehandelt und seine guten und wohl¬ erwognen Gründe dafür gehabt habe, wenn er in einer so hochwichtigen Unter¬ suchung, auf deren Ausgang alle Blicke gerichtet waren, die Antragsteller als Zeugen vereidigte und sich dadurch anscheinend mit einer so klaren und be¬ stimmten Gesetzesvorschrift in Widerspruch setzte. Hier ist zunächst darauf hinzuweisen, daß Friedmanns Darstellung eine empfindliche Lücke zeigt. Es wird nämlich nirgends mit klaren Worten aus¬ gesprochen, ob den Gegenstand der Untersuchung ausschließlich die in den anonymen Briefen enthaltenen Beleidigungen von Privatpersonen gebildet haben, oder ob Herr v. Kotze außerdem noch andrer Vergehen beschuldigt worden ist, die er durch Abfassung und Verbreitung der Briefe begangen haben sollte. Friedmann muß das aus den Akten genau wissen. Auch be¬ findet sich an einer Stelle seines Berichts eine leise Andeutung, daß auch die Vergehen der Majestätsbeleidigung und der Beleidigung von Mitgliedern des preußischen Königshauses in Frage gekommen sein mögen. Auch an eine nach 184 des Strafgesetzbuchs strafbare Verbreitung unzüchtiger Schriften

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_223583/69>, abgerufen am 30.05.2024.