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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Erstes Vierteljahr.

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Kleinstaaterei und Hondergeist im Reichslande
Linn Kühn von

in 28. Januar ist unser Landesausschuß wieder zusammengetreten.
In der Regel dauert die Tagung zwei bis drei Monate, und auch
diesmal wird sie kaum kürzer sein, obgleich dem Vernehmen nach
der Beratungsstofs noch weniger umfangreich sein wird als sonst,
denn der Landesausschuß arbeitet sehr langsam.

Die regelmäßige und hauptsächliche Vorlage ist das Budget. Der Staats¬
haushalt eines so kleinen Landes weist jedes Jahr nur eine beschränkte Zahl
von Veränderungen auf; von diesen sind viele nur geringfügig oder formeller
Art, nur wenige schneiden ein und verlangen vertrauliche Beratung. So wäre
es denn natürlich und recht, das Budget im ganzen Hause vorzuberaten,
zumal da der Landesausschuß nicht ganz sechzig Mitglieder hat und deshalb, wie
mich sein Name sagt, nichts als eine Kommission ist. In der vorjährigen Tagung
ist denn auch die Unzweckmäßigkeit des bis dahin herrschenden Verfahrens, die
verschiednen Budgettitel an vier Unterausschüsse zu verteilen, zur Sprache ge¬
kommen; aber das Ergebnis war, daß noch ein fünfter hinzugefügt wurde. Diese
Art der Vereinfachung und Beschleunigung hat viel Heiterkeit erregt, die Sache
ist jedoch ernst. Der Landesausschuß braucht doch nicht immer monatelang
zu tagen, er sollte selbst das Beispiel der Sparsamkeit geben. Zwanzig Mark
Tagesdiüten (der höchste Satz in Deutschland, obgleich das Gasthofsleben in
Straßbnrg nicht gerade teuer ist) sollten nicht länger gezahlt werden, als
nötig ist, und die Art, wie jahraus jahrein das Budget beraten und die
Beratung in die Länge gezogen wird, ist nicht mir unnötig, sondern auch
schädlich.

Die Meinung, daß der Landesausschuß zu lauge tage, ist auch in Kreisen


Grenzboten I 1897 27


Kleinstaaterei und Hondergeist im Reichslande
Linn Kühn von

in 28. Januar ist unser Landesausschuß wieder zusammengetreten.
In der Regel dauert die Tagung zwei bis drei Monate, und auch
diesmal wird sie kaum kürzer sein, obgleich dem Vernehmen nach
der Beratungsstofs noch weniger umfangreich sein wird als sonst,
denn der Landesausschuß arbeitet sehr langsam.

Die regelmäßige und hauptsächliche Vorlage ist das Budget. Der Staats¬
haushalt eines so kleinen Landes weist jedes Jahr nur eine beschränkte Zahl
von Veränderungen auf; von diesen sind viele nur geringfügig oder formeller
Art, nur wenige schneiden ein und verlangen vertrauliche Beratung. So wäre
es denn natürlich und recht, das Budget im ganzen Hause vorzuberaten,
zumal da der Landesausschuß nicht ganz sechzig Mitglieder hat und deshalb, wie
mich sein Name sagt, nichts als eine Kommission ist. In der vorjährigen Tagung
ist denn auch die Unzweckmäßigkeit des bis dahin herrschenden Verfahrens, die
verschiednen Budgettitel an vier Unterausschüsse zu verteilen, zur Sprache ge¬
kommen; aber das Ergebnis war, daß noch ein fünfter hinzugefügt wurde. Diese
Art der Vereinfachung und Beschleunigung hat viel Heiterkeit erregt, die Sache
ist jedoch ernst. Der Landesausschuß braucht doch nicht immer monatelang
zu tagen, er sollte selbst das Beispiel der Sparsamkeit geben. Zwanzig Mark
Tagesdiüten (der höchste Satz in Deutschland, obgleich das Gasthofsleben in
Straßbnrg nicht gerade teuer ist) sollten nicht länger gezahlt werden, als
nötig ist, und die Art, wie jahraus jahrein das Budget beraten und die
Beratung in die Länge gezogen wird, ist nicht mir unnötig, sondern auch
schädlich.

Die Meinung, daß der Landesausschuß zu lauge tage, ist auch in Kreisen


Grenzboten I 1897 27
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[0217] [Abbildung] Kleinstaaterei und Hondergeist im Reichslande Linn Kühn von in 28. Januar ist unser Landesausschuß wieder zusammengetreten. In der Regel dauert die Tagung zwei bis drei Monate, und auch diesmal wird sie kaum kürzer sein, obgleich dem Vernehmen nach der Beratungsstofs noch weniger umfangreich sein wird als sonst, denn der Landesausschuß arbeitet sehr langsam. Die regelmäßige und hauptsächliche Vorlage ist das Budget. Der Staats¬ haushalt eines so kleinen Landes weist jedes Jahr nur eine beschränkte Zahl von Veränderungen auf; von diesen sind viele nur geringfügig oder formeller Art, nur wenige schneiden ein und verlangen vertrauliche Beratung. So wäre es denn natürlich und recht, das Budget im ganzen Hause vorzuberaten, zumal da der Landesausschuß nicht ganz sechzig Mitglieder hat und deshalb, wie mich sein Name sagt, nichts als eine Kommission ist. In der vorjährigen Tagung ist denn auch die Unzweckmäßigkeit des bis dahin herrschenden Verfahrens, die verschiednen Budgettitel an vier Unterausschüsse zu verteilen, zur Sprache ge¬ kommen; aber das Ergebnis war, daß noch ein fünfter hinzugefügt wurde. Diese Art der Vereinfachung und Beschleunigung hat viel Heiterkeit erregt, die Sache ist jedoch ernst. Der Landesausschuß braucht doch nicht immer monatelang zu tagen, er sollte selbst das Beispiel der Sparsamkeit geben. Zwanzig Mark Tagesdiüten (der höchste Satz in Deutschland, obgleich das Gasthofsleben in Straßbnrg nicht gerade teuer ist) sollten nicht länger gezahlt werden, als nötig ist, und die Art, wie jahraus jahrein das Budget beraten und die Beratung in die Länge gezogen wird, ist nicht mir unnötig, sondern auch schädlich. Die Meinung, daß der Landesausschuß zu lauge tage, ist auch in Kreisen Grenzboten I 1897 27

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_224245/217>, abgerufen am 01.05.2024.