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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Erstes Vierteljahr.

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Litteratur

Anordnung den Stoff unschön zerlegt und der Behandlung etwas Registerhaftes
giebt, ist die alles durchziehende warme Bewunderung des Klassizismus oder,
wie Harnack sich ausdrückt, der Klassik. Erscheint sie schon überall bei der
Besprechung der Künstler, so faßt sie sich zusammen in der Einleitung und im
Schlußwort. Sie beruht durchaus ans der Goethischen Knnstausfassnng; und wie
Goethe und Heinrich Meyer für ein Schaffen der Künstler im Sinne der Alten,
mit den Augen der Alten wirkten, so verteidigt Harnack den Stil, der, nach ihm,
im Begriff gewesen ist. ans diesem Wege zur Natur im tiefsten Sinne zu gelangen.
Ohne die Schwächen der einstweilen von ihm geleisteten Werke zu verkennen, findet
Harnack unbegreiflich, daß man die gesunden Grundlagen eines Stils verkenne, der
dnrch die Gleichgiltigkeit der zur künstlerischen Bearbeitung zugelassenen Gegenstände
der Kunst alle Freiheit und also die Schönheit der Form rette. Nur änßere Ur¬
sachen, stellt Harnack fest, besonders Napoleons Cäsarismus, haben die deutschen
Maler in die ganz verderbliche mittelalterliche Richtung und durch sie zu andern
verhängnisvollen Folgerungen getrieben.

Dagegen möchte ich bemerken, daß äußere Ursachen eine Kunstentwicklung, die
in sich gefestigt und notwendig ist, schwerlich auf die Dauer unterbinden werden.
Vielmehr konnte ein Stil, der sich nur in griechisch-römische" Formen aussprach,
von den nordischen Künstlern nicht anders als oberflächlich angenommen werden;
er ließ sich nicht wahrhaft noch dem Norden verpflanzen. Die nordische, deutsche
Kunst konnte überhaupt nicht mit den Angen, auf die Art der Griechen sehen: das
widerstrebt durchaus der Natur der Deutschen, denen das südliche Formgefühl im
Grunde immer fremd bleibt. Daher fanden die Nazarener, oder vielmehr deren
Nachfolger, aus der Verwirrung des achtzehnten Jahrhunderts als den für den
Norden richtigern Weg den zur Romantik, die trotz allen südlichen Beiwerks dentsch-
W. v. G. uatioual ist.


Im Kampf des Lebens. Eine lyrische Anthologie. Nach sittlichen und ästhetischen Grund¬
sätzen zusammengestellt von C, Belschner, Stuttgart, W. Kohlhammer (o> I.)

Eine ernste Anthologie, für Männer und solche, die es werden wollen, ganz
nach dem Herzen und dem Geschmack der Grenzboten.




Zur Beachtung Mit dem nächsten Hefte beginnt diese Zeitschrift das
2. Vierteljahr ihres 36. Jahrganges. Sie ist durch alle Buch-
Handlungen und Postsnstalten des In- und Auslandes zu br-
ziehen. Preis für das Vierteljahr 9 Mark. Wir bitten, die
Bestellung schleunig zu erneuern. Leipzig, im März 1397 Die Verlagshandlung




Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig
Verlag von Fr. Wilh, Grunow in Leipzig. -- Druck von Carl Marquart in Leipzig
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Anordnung den Stoff unschön zerlegt und der Behandlung etwas Registerhaftes
giebt, ist die alles durchziehende warme Bewunderung des Klassizismus oder,
wie Harnack sich ausdrückt, der Klassik. Erscheint sie schon überall bei der
Besprechung der Künstler, so faßt sie sich zusammen in der Einleitung und im
Schlußwort. Sie beruht durchaus ans der Goethischen Knnstausfassnng; und wie
Goethe und Heinrich Meyer für ein Schaffen der Künstler im Sinne der Alten,
mit den Augen der Alten wirkten, so verteidigt Harnack den Stil, der, nach ihm,
im Begriff gewesen ist. ans diesem Wege zur Natur im tiefsten Sinne zu gelangen.
Ohne die Schwächen der einstweilen von ihm geleisteten Werke zu verkennen, findet
Harnack unbegreiflich, daß man die gesunden Grundlagen eines Stils verkenne, der
dnrch die Gleichgiltigkeit der zur künstlerischen Bearbeitung zugelassenen Gegenstände
der Kunst alle Freiheit und also die Schönheit der Form rette. Nur änßere Ur¬
sachen, stellt Harnack fest, besonders Napoleons Cäsarismus, haben die deutschen
Maler in die ganz verderbliche mittelalterliche Richtung und durch sie zu andern
verhängnisvollen Folgerungen getrieben.

Dagegen möchte ich bemerken, daß äußere Ursachen eine Kunstentwicklung, die
in sich gefestigt und notwendig ist, schwerlich auf die Dauer unterbinden werden.
Vielmehr konnte ein Stil, der sich nur in griechisch-römische» Formen aussprach,
von den nordischen Künstlern nicht anders als oberflächlich angenommen werden;
er ließ sich nicht wahrhaft noch dem Norden verpflanzen. Die nordische, deutsche
Kunst konnte überhaupt nicht mit den Angen, auf die Art der Griechen sehen: das
widerstrebt durchaus der Natur der Deutschen, denen das südliche Formgefühl im
Grunde immer fremd bleibt. Daher fanden die Nazarener, oder vielmehr deren
Nachfolger, aus der Verwirrung des achtzehnten Jahrhunderts als den für den
Norden richtigern Weg den zur Romantik, die trotz allen südlichen Beiwerks dentsch-
W. v. G. uatioual ist.


Im Kampf des Lebens. Eine lyrische Anthologie. Nach sittlichen und ästhetischen Grund¬
sätzen zusammengestellt von C, Belschner, Stuttgart, W. Kohlhammer (o> I.)

Eine ernste Anthologie, für Männer und solche, die es werden wollen, ganz
nach dem Herzen und dem Geschmack der Grenzboten.




Zur Beachtung Mit dem nächsten Hefte beginnt diese Zeitschrift das
2. Vierteljahr ihres 36. Jahrganges. Sie ist durch alle Buch-
Handlungen und Postsnstalten des In- und Auslandes zu br-
ziehen. Preis für das Vierteljahr 9 Mark. Wir bitten, die
Bestellung schleunig zu erneuern. Leipzig, im März 1397 Die Verlagshandlung




Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig
Verlag von Fr. Wilh, Grunow in Leipzig. — Druck von Carl Marquart in Leipzig
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[0676] Litteratur Anordnung den Stoff unschön zerlegt und der Behandlung etwas Registerhaftes giebt, ist die alles durchziehende warme Bewunderung des Klassizismus oder, wie Harnack sich ausdrückt, der Klassik. Erscheint sie schon überall bei der Besprechung der Künstler, so faßt sie sich zusammen in der Einleitung und im Schlußwort. Sie beruht durchaus ans der Goethischen Knnstausfassnng; und wie Goethe und Heinrich Meyer für ein Schaffen der Künstler im Sinne der Alten, mit den Augen der Alten wirkten, so verteidigt Harnack den Stil, der, nach ihm, im Begriff gewesen ist. ans diesem Wege zur Natur im tiefsten Sinne zu gelangen. Ohne die Schwächen der einstweilen von ihm geleisteten Werke zu verkennen, findet Harnack unbegreiflich, daß man die gesunden Grundlagen eines Stils verkenne, der dnrch die Gleichgiltigkeit der zur künstlerischen Bearbeitung zugelassenen Gegenstände der Kunst alle Freiheit und also die Schönheit der Form rette. Nur änßere Ur¬ sachen, stellt Harnack fest, besonders Napoleons Cäsarismus, haben die deutschen Maler in die ganz verderbliche mittelalterliche Richtung und durch sie zu andern verhängnisvollen Folgerungen getrieben. Dagegen möchte ich bemerken, daß äußere Ursachen eine Kunstentwicklung, die in sich gefestigt und notwendig ist, schwerlich auf die Dauer unterbinden werden. Vielmehr konnte ein Stil, der sich nur in griechisch-römische» Formen aussprach, von den nordischen Künstlern nicht anders als oberflächlich angenommen werden; er ließ sich nicht wahrhaft noch dem Norden verpflanzen. Die nordische, deutsche Kunst konnte überhaupt nicht mit den Angen, auf die Art der Griechen sehen: das widerstrebt durchaus der Natur der Deutschen, denen das südliche Formgefühl im Grunde immer fremd bleibt. Daher fanden die Nazarener, oder vielmehr deren Nachfolger, aus der Verwirrung des achtzehnten Jahrhunderts als den für den Norden richtigern Weg den zur Romantik, die trotz allen südlichen Beiwerks dentsch- W. v. G. uatioual ist. Im Kampf des Lebens. Eine lyrische Anthologie. Nach sittlichen und ästhetischen Grund¬ sätzen zusammengestellt von C, Belschner, Stuttgart, W. Kohlhammer (o> I.) Eine ernste Anthologie, für Männer und solche, die es werden wollen, ganz nach dem Herzen und dem Geschmack der Grenzboten. Zur Beachtung Mit dem nächsten Hefte beginnt diese Zeitschrift das 2. Vierteljahr ihres 36. Jahrganges. Sie ist durch alle Buch- Handlungen und Postsnstalten des In- und Auslandes zu br- ziehen. Preis für das Vierteljahr 9 Mark. Wir bitten, die Bestellung schleunig zu erneuern. Leipzig, im März 1397 Die Verlagshandlung Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig Verlag von Fr. Wilh, Grunow in Leipzig. — Druck von Carl Marquart in Leipzig

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_224245/676>, abgerufen am 30.04.2024.