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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Zweites Vierteljahr.

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Gewerbeaufsicht und Vrtspolizei

Masseneinwanderung geeignetes Land, das nach jeder Richtung mit dem Mutter¬
lande in dauernder organischer Verbindung bleiben kann, dessen Verhältnisse
also in möglichst vielen Beziehungen eine solche Verbindung für beide Teile
möglich und vorteilhaft machen.

So günstig hierfür auch die Verhältnisse vieler Gebiete in Nordamerika
liegen, so müssen wir doch davon endgiltig absehen. Dort ist die Welt ver¬
geben und in festen Händen; Bruder Jonathan und John Bull nehmen die
Vorteile einer deutschen Einwanderung gern mit, aber nur unter der Bedingung,
daß sich der Einwandrer amerikanisirt; so thöricht, einem Konkurrenten freiwillig
ein Feld zur selbständigen Geschäftsgründung einzuräumen, sind sie nicht.

So können wir uns gleich der Prüfung der Verhältnisse in Südbrasilien
zuwenden, das ja von manchen Stimmen als ein geeignetes Kolonisatiousfeld
empfohlen wird. Es lebt dort eine große Zahl Deutscher -- 180000 bis
200000 --, die sich im Lande eine auskömmliche Existenz gegründet haben.
In klimatischer Beziehung ist gegen das Land nichts einzuwenden, sodaß man
die Auswanderung dorthin nicht geradezu verwerfen soll, wenn wir ihr auch
aus andern Gründen nicht das Wort reden können. Die Entfernung vom
Mutterlande, die bei Kolonien -- insofern man die Wahl hat -- eine wesent¬
liche Rolle spielt, ist groß, die Überfahrt beträgt fast vier Wochen; das ist für
einen lebhaften Verkehr, wie wir ihn wünschen, zu viel und kaun bei politischen
Verwicklungen^) bedenklich werden. Und um unser Hauptbedenken gleich an die
Spitze zu stellen, das Land hat den großen, niemals zu ändernden Nachteil, daß
es im großen Weltverkehr zu weit abseits liegt. Dieser Nachteil ist so groß,
daß er in unsern Augen die Frage entscheidet, selbst wenn alles übrige völlig
günstig läge, was nicht der Fall ist.

(Schluß folgt)




Gewerbeaufsicht und Vrtspolizei

n der Neichstagssitzung vom 12. Januar dieses Jahres sind
wieder zahlreiche Beschwerden über Mängel in der Durch¬
führung der Arbeiterschutzgesetze zur Sprache gebracht worden.
In der Hauptsache gipfelten sie darin, daß die in Z 139d der Ge¬
werbeordnung vorgeschriebnen besondern Gewerbeaufsichtsbcamten
nicht zur wirksamen Aufsicht über die Handhabung der SchutzbestimmungenWSV



Sowohl der Kolonie in Amerika, wie des Mutterlandes; jede seenmchtigc Nation könnte
die Verbindung unterbrechen. Eine Machteutwicklung in Brasilien würde uns in Europa nur
schwächen.
Gewerbeaufsicht und Vrtspolizei

Masseneinwanderung geeignetes Land, das nach jeder Richtung mit dem Mutter¬
lande in dauernder organischer Verbindung bleiben kann, dessen Verhältnisse
also in möglichst vielen Beziehungen eine solche Verbindung für beide Teile
möglich und vorteilhaft machen.

So günstig hierfür auch die Verhältnisse vieler Gebiete in Nordamerika
liegen, so müssen wir doch davon endgiltig absehen. Dort ist die Welt ver¬
geben und in festen Händen; Bruder Jonathan und John Bull nehmen die
Vorteile einer deutschen Einwanderung gern mit, aber nur unter der Bedingung,
daß sich der Einwandrer amerikanisirt; so thöricht, einem Konkurrenten freiwillig
ein Feld zur selbständigen Geschäftsgründung einzuräumen, sind sie nicht.

So können wir uns gleich der Prüfung der Verhältnisse in Südbrasilien
zuwenden, das ja von manchen Stimmen als ein geeignetes Kolonisatiousfeld
empfohlen wird. Es lebt dort eine große Zahl Deutscher — 180000 bis
200000 —, die sich im Lande eine auskömmliche Existenz gegründet haben.
In klimatischer Beziehung ist gegen das Land nichts einzuwenden, sodaß man
die Auswanderung dorthin nicht geradezu verwerfen soll, wenn wir ihr auch
aus andern Gründen nicht das Wort reden können. Die Entfernung vom
Mutterlande, die bei Kolonien — insofern man die Wahl hat — eine wesent¬
liche Rolle spielt, ist groß, die Überfahrt beträgt fast vier Wochen; das ist für
einen lebhaften Verkehr, wie wir ihn wünschen, zu viel und kaun bei politischen
Verwicklungen^) bedenklich werden. Und um unser Hauptbedenken gleich an die
Spitze zu stellen, das Land hat den großen, niemals zu ändernden Nachteil, daß
es im großen Weltverkehr zu weit abseits liegt. Dieser Nachteil ist so groß,
daß er in unsern Augen die Frage entscheidet, selbst wenn alles übrige völlig
günstig läge, was nicht der Fall ist.

(Schluß folgt)




Gewerbeaufsicht und Vrtspolizei

n der Neichstagssitzung vom 12. Januar dieses Jahres sind
wieder zahlreiche Beschwerden über Mängel in der Durch¬
führung der Arbeiterschutzgesetze zur Sprache gebracht worden.
In der Hauptsache gipfelten sie darin, daß die in Z 139d der Ge¬
werbeordnung vorgeschriebnen besondern Gewerbeaufsichtsbcamten
nicht zur wirksamen Aufsicht über die Handhabung der SchutzbestimmungenWSV



Sowohl der Kolonie in Amerika, wie des Mutterlandes; jede seenmchtigc Nation könnte
die Verbindung unterbrechen. Eine Machteutwicklung in Brasilien würde uns in Europa nur
schwächen.
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[0016] Gewerbeaufsicht und Vrtspolizei Masseneinwanderung geeignetes Land, das nach jeder Richtung mit dem Mutter¬ lande in dauernder organischer Verbindung bleiben kann, dessen Verhältnisse also in möglichst vielen Beziehungen eine solche Verbindung für beide Teile möglich und vorteilhaft machen. So günstig hierfür auch die Verhältnisse vieler Gebiete in Nordamerika liegen, so müssen wir doch davon endgiltig absehen. Dort ist die Welt ver¬ geben und in festen Händen; Bruder Jonathan und John Bull nehmen die Vorteile einer deutschen Einwanderung gern mit, aber nur unter der Bedingung, daß sich der Einwandrer amerikanisirt; so thöricht, einem Konkurrenten freiwillig ein Feld zur selbständigen Geschäftsgründung einzuräumen, sind sie nicht. So können wir uns gleich der Prüfung der Verhältnisse in Südbrasilien zuwenden, das ja von manchen Stimmen als ein geeignetes Kolonisatiousfeld empfohlen wird. Es lebt dort eine große Zahl Deutscher — 180000 bis 200000 —, die sich im Lande eine auskömmliche Existenz gegründet haben. In klimatischer Beziehung ist gegen das Land nichts einzuwenden, sodaß man die Auswanderung dorthin nicht geradezu verwerfen soll, wenn wir ihr auch aus andern Gründen nicht das Wort reden können. Die Entfernung vom Mutterlande, die bei Kolonien — insofern man die Wahl hat — eine wesent¬ liche Rolle spielt, ist groß, die Überfahrt beträgt fast vier Wochen; das ist für einen lebhaften Verkehr, wie wir ihn wünschen, zu viel und kaun bei politischen Verwicklungen^) bedenklich werden. Und um unser Hauptbedenken gleich an die Spitze zu stellen, das Land hat den großen, niemals zu ändernden Nachteil, daß es im großen Weltverkehr zu weit abseits liegt. Dieser Nachteil ist so groß, daß er in unsern Augen die Frage entscheidet, selbst wenn alles übrige völlig günstig läge, was nicht der Fall ist. (Schluß folgt) Gewerbeaufsicht und Vrtspolizei n der Neichstagssitzung vom 12. Januar dieses Jahres sind wieder zahlreiche Beschwerden über Mängel in der Durch¬ führung der Arbeiterschutzgesetze zur Sprache gebracht worden. In der Hauptsache gipfelten sie darin, daß die in Z 139d der Ge¬ werbeordnung vorgeschriebnen besondern Gewerbeaufsichtsbcamten nicht zur wirksamen Aufsicht über die Handhabung der SchutzbestimmungenWSV Sowohl der Kolonie in Amerika, wie des Mutterlandes; jede seenmchtigc Nation könnte die Verbindung unterbrechen. Eine Machteutwicklung in Brasilien würde uns in Europa nur schwächen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_224927/16>, abgerufen am 06.05.2024.