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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Zweites Vierteljahr.

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Litteratur

11. Das wäre mir nun aber gerade das Jnteressanteste gewesen, wenn Herr
Ricks darauf eingegangen wäre. Ich habe nämlich da (in Ur. S S. 392) die
Vermutung ausgesprochen, daß Ricks der Verfasser jenes kurzen Lebensabrisses sei,
mit dem mich vor ein paar Jahren der Reichsbote im agrarischen Interesse zu
oiskreditiren versuchte. Dieser Bericht enthielt, außer der Erwähnung meiner
Schwerhörigkeit, zwei unwahre Behauptungen: erstens die unter Ur. 8 erwähnte,
und zweitens noch eine, die Herr Ricks unklugerweise noch einmal in einer von
der Redaktion der Grenzboten zurückgewiesenen "Berichtigung" anzubringen ver¬
sucht hat.

In der Differenz zwischen uns beiden handelt es sich weniger um Thatsachen
als um grundsätzliche und Gemütsunterschiede, von denen die Beurteilung der That¬
sachen abhängt. Obwohl ich durch die Angelegenheit mit dem Reichsboten gewisser¬
maßen genötigt war, mein Verhältnis zu Herrn Ricks gelegentlich einmal dar¬
zustellen, würde ich mich doch wahrscheinlich einer schonenden Ausdrucksweise
befleißigt haben, wenn ich gewußt hätte, daß er jetzt ein evangelisches Pfarramt
bekleidet.




Litteratur
Luther als Kirchenhistoriker.

"Je eindringlicher man sich mit Luther
beschäftigt, um so größer und imposanter wird er dem Forschenden." Mit dem
Bekenntnis dieser Wahrheit, die jeder, der in Luthers Schriften liest, an sich er¬
fährt, beginnt die Einleitung des sehr verdienstlichen Werkes: Luther als Kirchen¬
historiker. Ein Beitrag zur Geschichte der Wissenschaft. Von or. Ernst Schäfer.
Gütersloh, C. Bertelsmann. 1897. Der erste Teil erzählt die Geschichte der kirchen¬
geschichtlichen Studien Luthers; der zweite Teil berichtet über die von Luther benutzten
Quellen und weist die Benutzung in seineu Schriften nach; im dritten Teile endlich
wird zusammenhängend dargestellt, was Luther über die einzelnen Gegenstände der
Kirchengeschichte, namentlich über die apostolische Zeit, die Kirchenväter, die Lehr¬
streitigkeiten, die Scholastiker, die Konzilien, über Papsttum und Päpste, Klerus
und Mönchtum gewußt, gedacht, geschrieben und geurteilt hat. In diesem letzten
Teile finden sich unter anderen längere Stellen aus der wenig bekannten, aber
vom Verfasser mit Recht trefflich genannten Schrift "Von den "üonoiliis und Kirchen,"
und die bisher ganz unbeachtet gebliebne Schrift "Papsttreu Hadriani IV. und
Alexanders III. gegen Kaiser Friedrichen Barbarossa geübt" wird vollständig ab¬
gedruckt. Es versteht sich, daß ein solches Werk nicht ohne die eingehendste
Kenntnis des ganzen Luther und des sehr umfangreichen Quellenmaterinls, das
dieser benutzt hat, geschrieben werden konnte.

Man ersieht aus dem Buche, daß Luther sehr gründliche kirchengeschichtliche
Kenntnisse gehabt hat, die bei dem damaligen Zustande der Quellen und bei dem
gänzlichen Fehlen von Hilfsmitteln um so achtungswürdiger, ja beinahe wunderbar
erscheinen, und daß er ein berühmter Professor nicht allein der Kirchengeschichte,
sondern der Weltgeschichte hätte werden können, wenn ihn Gott nicht zum Nefor-


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11. Das wäre mir nun aber gerade das Jnteressanteste gewesen, wenn Herr
Ricks darauf eingegangen wäre. Ich habe nämlich da (in Ur. S S. 392) die
Vermutung ausgesprochen, daß Ricks der Verfasser jenes kurzen Lebensabrisses sei,
mit dem mich vor ein paar Jahren der Reichsbote im agrarischen Interesse zu
oiskreditiren versuchte. Dieser Bericht enthielt, außer der Erwähnung meiner
Schwerhörigkeit, zwei unwahre Behauptungen: erstens die unter Ur. 8 erwähnte,
und zweitens noch eine, die Herr Ricks unklugerweise noch einmal in einer von
der Redaktion der Grenzboten zurückgewiesenen „Berichtigung" anzubringen ver¬
sucht hat.

In der Differenz zwischen uns beiden handelt es sich weniger um Thatsachen
als um grundsätzliche und Gemütsunterschiede, von denen die Beurteilung der That¬
sachen abhängt. Obwohl ich durch die Angelegenheit mit dem Reichsboten gewisser¬
maßen genötigt war, mein Verhältnis zu Herrn Ricks gelegentlich einmal dar¬
zustellen, würde ich mich doch wahrscheinlich einer schonenden Ausdrucksweise
befleißigt haben, wenn ich gewußt hätte, daß er jetzt ein evangelisches Pfarramt
bekleidet.




Litteratur
Luther als Kirchenhistoriker.

„Je eindringlicher man sich mit Luther
beschäftigt, um so größer und imposanter wird er dem Forschenden." Mit dem
Bekenntnis dieser Wahrheit, die jeder, der in Luthers Schriften liest, an sich er¬
fährt, beginnt die Einleitung des sehr verdienstlichen Werkes: Luther als Kirchen¬
historiker. Ein Beitrag zur Geschichte der Wissenschaft. Von or. Ernst Schäfer.
Gütersloh, C. Bertelsmann. 1897. Der erste Teil erzählt die Geschichte der kirchen¬
geschichtlichen Studien Luthers; der zweite Teil berichtet über die von Luther benutzten
Quellen und weist die Benutzung in seineu Schriften nach; im dritten Teile endlich
wird zusammenhängend dargestellt, was Luther über die einzelnen Gegenstände der
Kirchengeschichte, namentlich über die apostolische Zeit, die Kirchenväter, die Lehr¬
streitigkeiten, die Scholastiker, die Konzilien, über Papsttum und Päpste, Klerus
und Mönchtum gewußt, gedacht, geschrieben und geurteilt hat. In diesem letzten
Teile finden sich unter anderen längere Stellen aus der wenig bekannten, aber
vom Verfasser mit Recht trefflich genannten Schrift „Von den «üonoiliis und Kirchen,"
und die bisher ganz unbeachtet gebliebne Schrift „Papsttreu Hadriani IV. und
Alexanders III. gegen Kaiser Friedrichen Barbarossa geübt" wird vollständig ab¬
gedruckt. Es versteht sich, daß ein solches Werk nicht ohne die eingehendste
Kenntnis des ganzen Luther und des sehr umfangreichen Quellenmaterinls, das
dieser benutzt hat, geschrieben werden konnte.

Man ersieht aus dem Buche, daß Luther sehr gründliche kirchengeschichtliche
Kenntnisse gehabt hat, die bei dem damaligen Zustande der Quellen und bei dem
gänzlichen Fehlen von Hilfsmitteln um so achtungswürdiger, ja beinahe wunderbar
erscheinen, und daß er ein berühmter Professor nicht allein der Kirchengeschichte,
sondern der Weltgeschichte hätte werden können, wenn ihn Gott nicht zum Nefor-


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[0404] Litteratur 11. Das wäre mir nun aber gerade das Jnteressanteste gewesen, wenn Herr Ricks darauf eingegangen wäre. Ich habe nämlich da (in Ur. S S. 392) die Vermutung ausgesprochen, daß Ricks der Verfasser jenes kurzen Lebensabrisses sei, mit dem mich vor ein paar Jahren der Reichsbote im agrarischen Interesse zu oiskreditiren versuchte. Dieser Bericht enthielt, außer der Erwähnung meiner Schwerhörigkeit, zwei unwahre Behauptungen: erstens die unter Ur. 8 erwähnte, und zweitens noch eine, die Herr Ricks unklugerweise noch einmal in einer von der Redaktion der Grenzboten zurückgewiesenen „Berichtigung" anzubringen ver¬ sucht hat. In der Differenz zwischen uns beiden handelt es sich weniger um Thatsachen als um grundsätzliche und Gemütsunterschiede, von denen die Beurteilung der That¬ sachen abhängt. Obwohl ich durch die Angelegenheit mit dem Reichsboten gewisser¬ maßen genötigt war, mein Verhältnis zu Herrn Ricks gelegentlich einmal dar¬ zustellen, würde ich mich doch wahrscheinlich einer schonenden Ausdrucksweise befleißigt haben, wenn ich gewußt hätte, daß er jetzt ein evangelisches Pfarramt bekleidet. Litteratur Luther als Kirchenhistoriker. „Je eindringlicher man sich mit Luther beschäftigt, um so größer und imposanter wird er dem Forschenden." Mit dem Bekenntnis dieser Wahrheit, die jeder, der in Luthers Schriften liest, an sich er¬ fährt, beginnt die Einleitung des sehr verdienstlichen Werkes: Luther als Kirchen¬ historiker. Ein Beitrag zur Geschichte der Wissenschaft. Von or. Ernst Schäfer. Gütersloh, C. Bertelsmann. 1897. Der erste Teil erzählt die Geschichte der kirchen¬ geschichtlichen Studien Luthers; der zweite Teil berichtet über die von Luther benutzten Quellen und weist die Benutzung in seineu Schriften nach; im dritten Teile endlich wird zusammenhängend dargestellt, was Luther über die einzelnen Gegenstände der Kirchengeschichte, namentlich über die apostolische Zeit, die Kirchenväter, die Lehr¬ streitigkeiten, die Scholastiker, die Konzilien, über Papsttum und Päpste, Klerus und Mönchtum gewußt, gedacht, geschrieben und geurteilt hat. In diesem letzten Teile finden sich unter anderen längere Stellen aus der wenig bekannten, aber vom Verfasser mit Recht trefflich genannten Schrift „Von den «üonoiliis und Kirchen," und die bisher ganz unbeachtet gebliebne Schrift „Papsttreu Hadriani IV. und Alexanders III. gegen Kaiser Friedrichen Barbarossa geübt" wird vollständig ab¬ gedruckt. Es versteht sich, daß ein solches Werk nicht ohne die eingehendste Kenntnis des ganzen Luther und des sehr umfangreichen Quellenmaterinls, das dieser benutzt hat, geschrieben werden konnte. Man ersieht aus dem Buche, daß Luther sehr gründliche kirchengeschichtliche Kenntnisse gehabt hat, die bei dem damaligen Zustande der Quellen und bei dem gänzlichen Fehlen von Hilfsmitteln um so achtungswürdiger, ja beinahe wunderbar erscheinen, und daß er ein berühmter Professor nicht allein der Kirchengeschichte, sondern der Weltgeschichte hätte werden können, wenn ihn Gott nicht zum Nefor-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_224927/404>, abgerufen am 06.05.2024.