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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Drittes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

steiler hat sein Spiel verloren. Wer nun nach solchen Ersahrungen zu einem
praktischen Berufe zurückkehren kann, der ihn ernährt, der hat noch nicht viel
verloren. Er findet sogar in seinem Berufe die Stimmung wieder und den
Weg zu seinen litterarischen Neigungen, die er nach den gemachten Erfahrungen
besser zu lenken wissen wird. Ja es scheint sogar, als ob ohne das Gegen¬
gewicht einer praktischen Arbeit, die zugleich das wirkliche Leben kennen und
verstehen lehrt, eine gesunde schriftstellerische Thätigkeit kaum möglich sei. Fülle
besondrer Begabung und, was noch wichtiger ist, besondern Glücks sind seltene
Ausnahmen. Und der,materielle Ertrag einer rein schriftstellerischen Thätigkeit,
wenn er nicht die Form eines Tagewerks, z. B. bei der Presse, annimmt, der
Gewinn aus Büchern, die nicht "gut eingeführte" Schulbücher sind, ist für
den Autor viel geringer, als der Unerfahrene meint. Es ist sehr schön, das
noch nebenher zu verdienen, traurig aber, davon leben zu müssen. Darum,
so rät Mouton seinen jungen Genossen von der Feder, lernt etwas ordent¬
liches, ehe ihr drucken laßt, damit ihr nicht darauf allein angewiesen seid! Es
ist, als hätte er für die Schriftsteller des Musenalmanachs geschrieben. "Wir
alle, die wir die Feder führen, seien wir bescheiden; gehen wir von dem Ge¬
danken aus, daß jeder kluge und unterrichtete Mensch ein Buch machen kann, daß
aber das Buch ein trauriges Ding ist, wenn es aus Eitelkeit geschrieben wird."

Aber außerdem möchte ich doch das Buch allen Schriftstellern, auch solchen
im Nebenamte, empfehlen. Sie werden darin fehr viel wissenswertes finden
und vieles, woran sie nie gedacht haben. Denn wie wenige, die die Feder
führen, kennen den Weg genau, den ihr Manuskript zurücklegen muß, bis es
auf dem Ladentisch des Sortimenters liegt! Es war ein sehr glücklicher Ge¬
danke, einmal alles zusammenzufassen, was an Kräften, kleinen und großen,
zu einem Buche gehört, und dem einzelnen Autor zu zeigen, daß das im
Vergleich zu seinem eignen geistigen Aufwand keineswegs Nebendinge sind.
Und da der Verfasser in so geistreicher Weise recht eigentlich die Sache des
Verlags führt, so müßte es Wunder nehmen, wenn sich nicht ein Verleger
fände, der das Buch ins Deutsche übersetzen ließe!




Maßgebliches und Unmaßgebliches

Postkarten mit Ansicht zu sammeln ist in der letzten Zeit immermehr zu
einer Liebhaberei von großen und kleinen Kindern geworden. Wie für die Brief¬
marken, so werden auch für diese Bilderkarten schon besondre Albums angefertigt.
Da ist es nun sehr zu bedauern, daß auch in diesem Falle der Gegenstand des


Maßgebliches und Unmaßgebliches

steiler hat sein Spiel verloren. Wer nun nach solchen Ersahrungen zu einem
praktischen Berufe zurückkehren kann, der ihn ernährt, der hat noch nicht viel
verloren. Er findet sogar in seinem Berufe die Stimmung wieder und den
Weg zu seinen litterarischen Neigungen, die er nach den gemachten Erfahrungen
besser zu lenken wissen wird. Ja es scheint sogar, als ob ohne das Gegen¬
gewicht einer praktischen Arbeit, die zugleich das wirkliche Leben kennen und
verstehen lehrt, eine gesunde schriftstellerische Thätigkeit kaum möglich sei. Fülle
besondrer Begabung und, was noch wichtiger ist, besondern Glücks sind seltene
Ausnahmen. Und der,materielle Ertrag einer rein schriftstellerischen Thätigkeit,
wenn er nicht die Form eines Tagewerks, z. B. bei der Presse, annimmt, der
Gewinn aus Büchern, die nicht „gut eingeführte" Schulbücher sind, ist für
den Autor viel geringer, als der Unerfahrene meint. Es ist sehr schön, das
noch nebenher zu verdienen, traurig aber, davon leben zu müssen. Darum,
so rät Mouton seinen jungen Genossen von der Feder, lernt etwas ordent¬
liches, ehe ihr drucken laßt, damit ihr nicht darauf allein angewiesen seid! Es
ist, als hätte er für die Schriftsteller des Musenalmanachs geschrieben. „Wir
alle, die wir die Feder führen, seien wir bescheiden; gehen wir von dem Ge¬
danken aus, daß jeder kluge und unterrichtete Mensch ein Buch machen kann, daß
aber das Buch ein trauriges Ding ist, wenn es aus Eitelkeit geschrieben wird."

Aber außerdem möchte ich doch das Buch allen Schriftstellern, auch solchen
im Nebenamte, empfehlen. Sie werden darin fehr viel wissenswertes finden
und vieles, woran sie nie gedacht haben. Denn wie wenige, die die Feder
führen, kennen den Weg genau, den ihr Manuskript zurücklegen muß, bis es
auf dem Ladentisch des Sortimenters liegt! Es war ein sehr glücklicher Ge¬
danke, einmal alles zusammenzufassen, was an Kräften, kleinen und großen,
zu einem Buche gehört, und dem einzelnen Autor zu zeigen, daß das im
Vergleich zu seinem eignen geistigen Aufwand keineswegs Nebendinge sind.
Und da der Verfasser in so geistreicher Weise recht eigentlich die Sache des
Verlags führt, so müßte es Wunder nehmen, wenn sich nicht ein Verleger
fände, der das Buch ins Deutsche übersetzen ließe!




Maßgebliches und Unmaßgebliches

Postkarten mit Ansicht zu sammeln ist in der letzten Zeit immermehr zu
einer Liebhaberei von großen und kleinen Kindern geworden. Wie für die Brief¬
marken, so werden auch für diese Bilderkarten schon besondre Albums angefertigt.
Da ist es nun sehr zu bedauern, daß auch in diesem Falle der Gegenstand des


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[0149] Maßgebliches und Unmaßgebliches steiler hat sein Spiel verloren. Wer nun nach solchen Ersahrungen zu einem praktischen Berufe zurückkehren kann, der ihn ernährt, der hat noch nicht viel verloren. Er findet sogar in seinem Berufe die Stimmung wieder und den Weg zu seinen litterarischen Neigungen, die er nach den gemachten Erfahrungen besser zu lenken wissen wird. Ja es scheint sogar, als ob ohne das Gegen¬ gewicht einer praktischen Arbeit, die zugleich das wirkliche Leben kennen und verstehen lehrt, eine gesunde schriftstellerische Thätigkeit kaum möglich sei. Fülle besondrer Begabung und, was noch wichtiger ist, besondern Glücks sind seltene Ausnahmen. Und der,materielle Ertrag einer rein schriftstellerischen Thätigkeit, wenn er nicht die Form eines Tagewerks, z. B. bei der Presse, annimmt, der Gewinn aus Büchern, die nicht „gut eingeführte" Schulbücher sind, ist für den Autor viel geringer, als der Unerfahrene meint. Es ist sehr schön, das noch nebenher zu verdienen, traurig aber, davon leben zu müssen. Darum, so rät Mouton seinen jungen Genossen von der Feder, lernt etwas ordent¬ liches, ehe ihr drucken laßt, damit ihr nicht darauf allein angewiesen seid! Es ist, als hätte er für die Schriftsteller des Musenalmanachs geschrieben. „Wir alle, die wir die Feder führen, seien wir bescheiden; gehen wir von dem Ge¬ danken aus, daß jeder kluge und unterrichtete Mensch ein Buch machen kann, daß aber das Buch ein trauriges Ding ist, wenn es aus Eitelkeit geschrieben wird." Aber außerdem möchte ich doch das Buch allen Schriftstellern, auch solchen im Nebenamte, empfehlen. Sie werden darin fehr viel wissenswertes finden und vieles, woran sie nie gedacht haben. Denn wie wenige, die die Feder führen, kennen den Weg genau, den ihr Manuskript zurücklegen muß, bis es auf dem Ladentisch des Sortimenters liegt! Es war ein sehr glücklicher Ge¬ danke, einmal alles zusammenzufassen, was an Kräften, kleinen und großen, zu einem Buche gehört, und dem einzelnen Autor zu zeigen, daß das im Vergleich zu seinem eignen geistigen Aufwand keineswegs Nebendinge sind. Und da der Verfasser in so geistreicher Weise recht eigentlich die Sache des Verlags führt, so müßte es Wunder nehmen, wenn sich nicht ein Verleger fände, der das Buch ins Deutsche übersetzen ließe! Maßgebliches und Unmaßgebliches Postkarten mit Ansicht zu sammeln ist in der letzten Zeit immermehr zu einer Liebhaberei von großen und kleinen Kindern geworden. Wie für die Brief¬ marken, so werden auch für diese Bilderkarten schon besondre Albums angefertigt. Da ist es nun sehr zu bedauern, daß auch in diesem Falle der Gegenstand des

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_225585/149>, abgerufen am 01.05.2024.