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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Drittes Vierteljahr.

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Volk und Jugend

zeugung der Regimentskommandeure von dem Stande der Ausbildung der ein¬
gezognen Offiziere. 5. Eine etwas rücksichtsvollere persönliche Behandlung. Es
ist schade um die schöne Zeit, die heute bei solchen Übungen oft nutzlos ver¬
geudet wird, und schade um den guten Willen, der da durch unrichtige, ungerechte
Behandlung in sein Gegenteil verkehrt wird. Möchte man doch bedenken, eine
wie wichtige Aufgabe der Offizier des Beurlaubtenstandes als Bindeglied
zwischen Militär und Zivil gerade in den heutigen Zeiten wachsender Parteiung
und zunehmenden Klassenhasses zu erfüllen hat, möge man ihm die Aufmerk¬
samkeit, die Achtung und die Ausbildung zu teil werden lassen, die er um seiner
stets vorhandnen patriotischen und pflichteifrigen Gesinnung willen verdient.
Dem Wohl des Volkes würde damit ein guter Dienst geleistet werden.




Volk und Jugend
v rv. Münch on (in
(Fortsetzung)

on Wunsch und Phantasie war eben die Rede. Wenn man die
Phantasie als die Kraft kennt, die neben der Sinnesthätigkeit
in der Kindheit und Jugend am lebendigsten sei und deren
stärkste Seite bilde, so geht doch schon während des Ablaufs
des jugendlichen Lebensalters in der Phantasie, in dem, worin
sie arbeitet, woran sie sich heftet (denn ohne Anschluß an Wirklichkeit ist sie
überhaupt nicht), eine bedeutende Wandlung vor. Man hat sich neuerdings klar
gemacht, daß auch der Denker und Forscher von Phantasie geleitet sei und
sein müsse, wenn er wirklich Neues denke und finde. Und so möchte ich
überhaupt neben eine Phantasie der Sinne ausdrücklich eine Phantasie des
Denkens, eine des Gefühls, eine des Willens stellen. In der That giebt es
ein wachendes Erdräumen, ein unberechnetes Kombiniren, ein freies Fort¬
getragenwerden auf allen diesen Gebieten. Nichts natürlicher, als daß die
Sinnenwelt auch das erste Gebiet der Phantasie bildet. Nachdem ein gewisser
Reichtum der sinnlichen Eindrücke auf den werdenden Menschen eingedrungen
ist, beginnt nun die freie Verbindung und Bewegung der Erscheimmgen, der
einzelnen Eindrücke und Züge. Und ebenso macht sich das Maß, wie durch
die junge Sinnenerfahrung auch ein Gefühlsleben erweckt, ein Gefühlsvvrrat
ausgebildet ist, in dem Walten der Phantasie fühlbar: die Zeit, wo die


Volk und Jugend

zeugung der Regimentskommandeure von dem Stande der Ausbildung der ein¬
gezognen Offiziere. 5. Eine etwas rücksichtsvollere persönliche Behandlung. Es
ist schade um die schöne Zeit, die heute bei solchen Übungen oft nutzlos ver¬
geudet wird, und schade um den guten Willen, der da durch unrichtige, ungerechte
Behandlung in sein Gegenteil verkehrt wird. Möchte man doch bedenken, eine
wie wichtige Aufgabe der Offizier des Beurlaubtenstandes als Bindeglied
zwischen Militär und Zivil gerade in den heutigen Zeiten wachsender Parteiung
und zunehmenden Klassenhasses zu erfüllen hat, möge man ihm die Aufmerk¬
samkeit, die Achtung und die Ausbildung zu teil werden lassen, die er um seiner
stets vorhandnen patriotischen und pflichteifrigen Gesinnung willen verdient.
Dem Wohl des Volkes würde damit ein guter Dienst geleistet werden.




Volk und Jugend
v rv. Münch on (in
(Fortsetzung)

on Wunsch und Phantasie war eben die Rede. Wenn man die
Phantasie als die Kraft kennt, die neben der Sinnesthätigkeit
in der Kindheit und Jugend am lebendigsten sei und deren
stärkste Seite bilde, so geht doch schon während des Ablaufs
des jugendlichen Lebensalters in der Phantasie, in dem, worin
sie arbeitet, woran sie sich heftet (denn ohne Anschluß an Wirklichkeit ist sie
überhaupt nicht), eine bedeutende Wandlung vor. Man hat sich neuerdings klar
gemacht, daß auch der Denker und Forscher von Phantasie geleitet sei und
sein müsse, wenn er wirklich Neues denke und finde. Und so möchte ich
überhaupt neben eine Phantasie der Sinne ausdrücklich eine Phantasie des
Denkens, eine des Gefühls, eine des Willens stellen. In der That giebt es
ein wachendes Erdräumen, ein unberechnetes Kombiniren, ein freies Fort¬
getragenwerden auf allen diesen Gebieten. Nichts natürlicher, als daß die
Sinnenwelt auch das erste Gebiet der Phantasie bildet. Nachdem ein gewisser
Reichtum der sinnlichen Eindrücke auf den werdenden Menschen eingedrungen
ist, beginnt nun die freie Verbindung und Bewegung der Erscheimmgen, der
einzelnen Eindrücke und Züge. Und ebenso macht sich das Maß, wie durch
die junge Sinnenerfahrung auch ein Gefühlsleben erweckt, ein Gefühlsvvrrat
ausgebildet ist, in dem Walten der Phantasie fühlbar: die Zeit, wo die


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[0362] Volk und Jugend zeugung der Regimentskommandeure von dem Stande der Ausbildung der ein¬ gezognen Offiziere. 5. Eine etwas rücksichtsvollere persönliche Behandlung. Es ist schade um die schöne Zeit, die heute bei solchen Übungen oft nutzlos ver¬ geudet wird, und schade um den guten Willen, der da durch unrichtige, ungerechte Behandlung in sein Gegenteil verkehrt wird. Möchte man doch bedenken, eine wie wichtige Aufgabe der Offizier des Beurlaubtenstandes als Bindeglied zwischen Militär und Zivil gerade in den heutigen Zeiten wachsender Parteiung und zunehmenden Klassenhasses zu erfüllen hat, möge man ihm die Aufmerk¬ samkeit, die Achtung und die Ausbildung zu teil werden lassen, die er um seiner stets vorhandnen patriotischen und pflichteifrigen Gesinnung willen verdient. Dem Wohl des Volkes würde damit ein guter Dienst geleistet werden. Volk und Jugend v rv. Münch on (in (Fortsetzung) on Wunsch und Phantasie war eben die Rede. Wenn man die Phantasie als die Kraft kennt, die neben der Sinnesthätigkeit in der Kindheit und Jugend am lebendigsten sei und deren stärkste Seite bilde, so geht doch schon während des Ablaufs des jugendlichen Lebensalters in der Phantasie, in dem, worin sie arbeitet, woran sie sich heftet (denn ohne Anschluß an Wirklichkeit ist sie überhaupt nicht), eine bedeutende Wandlung vor. Man hat sich neuerdings klar gemacht, daß auch der Denker und Forscher von Phantasie geleitet sei und sein müsse, wenn er wirklich Neues denke und finde. Und so möchte ich überhaupt neben eine Phantasie der Sinne ausdrücklich eine Phantasie des Denkens, eine des Gefühls, eine des Willens stellen. In der That giebt es ein wachendes Erdräumen, ein unberechnetes Kombiniren, ein freies Fort¬ getragenwerden auf allen diesen Gebieten. Nichts natürlicher, als daß die Sinnenwelt auch das erste Gebiet der Phantasie bildet. Nachdem ein gewisser Reichtum der sinnlichen Eindrücke auf den werdenden Menschen eingedrungen ist, beginnt nun die freie Verbindung und Bewegung der Erscheimmgen, der einzelnen Eindrücke und Züge. Und ebenso macht sich das Maß, wie durch die junge Sinnenerfahrung auch ein Gefühlsleben erweckt, ein Gefühlsvvrrat ausgebildet ist, in dem Walten der Phantasie fühlbar: die Zeit, wo die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_225585/362>, abgerufen am 01.05.2024.