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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Drittes Vierteljahr.

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statistisches zur Lage der Landwirtschaft

darum ist es objektiv betrachtet eine Scheinthätigkeit. Subjektiv braucht es sie
nicht von Anfang an zu sein, entwickelt sich aber dazu, indem das Bewußtsein
von einer gespielten Rolle in dem Spielenden immer kräftiger wird. Auch dem
Tier dürfen wir dieses Bewußtsein der Scheinthätigkeit nicht absprechen, da be¬
kannt ist, wie sich Tiere zu verstellen vermögen. Zwei Probleme knüpfen sich
hier, die Groos am Schlüsse seines Buches bespricht, das von der Spaltung
des Bewußtseins in der Scheinthätigkeit und das von dem Freiheitsgefühl in
der ^cheinthätigkeit. Das Ergebnis fassen wir mit ihm in dem Satze zusammen:
"Wir scheinen im Spiele losgelöst von der alles Neale beherrschende" Not¬
wendigkeit, weil wir uns in der bewußten Selbsttäuschung als absolute Ursache
fühlen."




statistisches zur Lage der Landwirtschaft

ur Beurteilung der Lage der Landwirtschaft in Deutschland sind
neuerdings durch zwei Arbeiten von berufner Seite auf Grund amt¬
licher Erhebungen sehr dankenswerte statistische Beiträge geliefert
worden. Die eine Arbeit, von Dr. Trüdinger, ist in den vom könig¬
lichen statistischen Landesamt herausgegebnen württembergischen Jahr¬
büchern für Statistik und Landeskunde veröffentlicht worden und be¬
handelt die Statistik der Zwangsvollstreckungen in das unbewegliche Vermögen
in Württemberg, die zweite, in den (Cvnradscheu) Jahrbüchern für Nationalökonomie
und Statistik erschienen, betrifft die landwirtschaftliche Verschuldung im Herzogtum
Oldenburg und hat den bekannten Statistiker Dr. Kollmann zum Verfasser. Die
Trüdingersche Arbeit ist vielleicht insofern die interessantere, als sie ein Gebiet be¬
handelt, wo nach agrarischen Behauptungen der landwirtschaftliche Notstand seine
verheerende Wirkung schon in hohem Grade geltend machen soll, wahrend die olden¬
burgische Landwirtschaft von derselben Seite, wenn auch natürlich für krank, so doch
wenigstens noch nicht für totkrank ausgegeben wird. Wir werfen zunächst einen
Blick in die württembergischen Verhältnisse.

Dem Beispiel Preußens, Baierns, Sachsens, Badens und Hessens folgend hat sich
auch Württemberg durch die Veranstaltung einer Statistik der Zwangsvollstreckungen
w Liegenschaften, einschließlich der städtischen Hausgrundstücke, einen zuverlässigen
Inhalt zur Beurteilung der wirtschaftlichen und namentlich der landwirtschaftlichen
Entwicklung, im besondern auch der Notstandsfrage, zu verschaffen versucht, und das
damit beauftragte statistische Landesamt ist dieser Aufgabe, wie die vorliegende Arbeit
in> ' ^" gewissenhaftester Weise nachgekommen. Es ist hier nicht der Ort, die
Anekdote der Erhebungen zu erörtern; was uns interessirt, sind die Ergebnisse.

, Zunächst ist die Thatsache von Bedeutung, daß die Zahl der "Zwcmgsver-
Iwgerungen von Gegenständen des unbeweglichen Vermögens" feit 1381 in steter
Abnahme begriffen ist, die Zahl der Zwangsvollstreckungen in bewegliches Vermögen


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statistisches zur Lage der Landwirtschaft

darum ist es objektiv betrachtet eine Scheinthätigkeit. Subjektiv braucht es sie
nicht von Anfang an zu sein, entwickelt sich aber dazu, indem das Bewußtsein
von einer gespielten Rolle in dem Spielenden immer kräftiger wird. Auch dem
Tier dürfen wir dieses Bewußtsein der Scheinthätigkeit nicht absprechen, da be¬
kannt ist, wie sich Tiere zu verstellen vermögen. Zwei Probleme knüpfen sich
hier, die Groos am Schlüsse seines Buches bespricht, das von der Spaltung
des Bewußtseins in der Scheinthätigkeit und das von dem Freiheitsgefühl in
der ^cheinthätigkeit. Das Ergebnis fassen wir mit ihm in dem Satze zusammen:
»Wir scheinen im Spiele losgelöst von der alles Neale beherrschende» Not¬
wendigkeit, weil wir uns in der bewußten Selbsttäuschung als absolute Ursache
fühlen."




statistisches zur Lage der Landwirtschaft

ur Beurteilung der Lage der Landwirtschaft in Deutschland sind
neuerdings durch zwei Arbeiten von berufner Seite auf Grund amt¬
licher Erhebungen sehr dankenswerte statistische Beiträge geliefert
worden. Die eine Arbeit, von Dr. Trüdinger, ist in den vom könig¬
lichen statistischen Landesamt herausgegebnen württembergischen Jahr¬
büchern für Statistik und Landeskunde veröffentlicht worden und be¬
handelt die Statistik der Zwangsvollstreckungen in das unbewegliche Vermögen
in Württemberg, die zweite, in den (Cvnradscheu) Jahrbüchern für Nationalökonomie
und Statistik erschienen, betrifft die landwirtschaftliche Verschuldung im Herzogtum
Oldenburg und hat den bekannten Statistiker Dr. Kollmann zum Verfasser. Die
Trüdingersche Arbeit ist vielleicht insofern die interessantere, als sie ein Gebiet be¬
handelt, wo nach agrarischen Behauptungen der landwirtschaftliche Notstand seine
verheerende Wirkung schon in hohem Grade geltend machen soll, wahrend die olden¬
burgische Landwirtschaft von derselben Seite, wenn auch natürlich für krank, so doch
wenigstens noch nicht für totkrank ausgegeben wird. Wir werfen zunächst einen
Blick in die württembergischen Verhältnisse.

Dem Beispiel Preußens, Baierns, Sachsens, Badens und Hessens folgend hat sich
auch Württemberg durch die Veranstaltung einer Statistik der Zwangsvollstreckungen
w Liegenschaften, einschließlich der städtischen Hausgrundstücke, einen zuverlässigen
Inhalt zur Beurteilung der wirtschaftlichen und namentlich der landwirtschaftlichen
Entwicklung, im besondern auch der Notstandsfrage, zu verschaffen versucht, und das
damit beauftragte statistische Landesamt ist dieser Aufgabe, wie die vorliegende Arbeit
in> ' ^" gewissenhaftester Weise nachgekommen. Es ist hier nicht der Ort, die
Anekdote der Erhebungen zu erörtern; was uns interessirt, sind die Ergebnisse.

, Zunächst ist die Thatsache von Bedeutung, daß die Zahl der „Zwcmgsver-
Iwgerungen von Gegenständen des unbeweglichen Vermögens" feit 1381 in steter
Abnahme begriffen ist, die Zahl der Zwangsvollstreckungen in bewegliches Vermögen


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[0041] statistisches zur Lage der Landwirtschaft darum ist es objektiv betrachtet eine Scheinthätigkeit. Subjektiv braucht es sie nicht von Anfang an zu sein, entwickelt sich aber dazu, indem das Bewußtsein von einer gespielten Rolle in dem Spielenden immer kräftiger wird. Auch dem Tier dürfen wir dieses Bewußtsein der Scheinthätigkeit nicht absprechen, da be¬ kannt ist, wie sich Tiere zu verstellen vermögen. Zwei Probleme knüpfen sich hier, die Groos am Schlüsse seines Buches bespricht, das von der Spaltung des Bewußtseins in der Scheinthätigkeit und das von dem Freiheitsgefühl in der ^cheinthätigkeit. Das Ergebnis fassen wir mit ihm in dem Satze zusammen: »Wir scheinen im Spiele losgelöst von der alles Neale beherrschende» Not¬ wendigkeit, weil wir uns in der bewußten Selbsttäuschung als absolute Ursache fühlen." statistisches zur Lage der Landwirtschaft ur Beurteilung der Lage der Landwirtschaft in Deutschland sind neuerdings durch zwei Arbeiten von berufner Seite auf Grund amt¬ licher Erhebungen sehr dankenswerte statistische Beiträge geliefert worden. Die eine Arbeit, von Dr. Trüdinger, ist in den vom könig¬ lichen statistischen Landesamt herausgegebnen württembergischen Jahr¬ büchern für Statistik und Landeskunde veröffentlicht worden und be¬ handelt die Statistik der Zwangsvollstreckungen in das unbewegliche Vermögen in Württemberg, die zweite, in den (Cvnradscheu) Jahrbüchern für Nationalökonomie und Statistik erschienen, betrifft die landwirtschaftliche Verschuldung im Herzogtum Oldenburg und hat den bekannten Statistiker Dr. Kollmann zum Verfasser. Die Trüdingersche Arbeit ist vielleicht insofern die interessantere, als sie ein Gebiet be¬ handelt, wo nach agrarischen Behauptungen der landwirtschaftliche Notstand seine verheerende Wirkung schon in hohem Grade geltend machen soll, wahrend die olden¬ burgische Landwirtschaft von derselben Seite, wenn auch natürlich für krank, so doch wenigstens noch nicht für totkrank ausgegeben wird. Wir werfen zunächst einen Blick in die württembergischen Verhältnisse. Dem Beispiel Preußens, Baierns, Sachsens, Badens und Hessens folgend hat sich auch Württemberg durch die Veranstaltung einer Statistik der Zwangsvollstreckungen w Liegenschaften, einschließlich der städtischen Hausgrundstücke, einen zuverlässigen Inhalt zur Beurteilung der wirtschaftlichen und namentlich der landwirtschaftlichen Entwicklung, im besondern auch der Notstandsfrage, zu verschaffen versucht, und das damit beauftragte statistische Landesamt ist dieser Aufgabe, wie die vorliegende Arbeit in> ' ^" gewissenhaftester Weise nachgekommen. Es ist hier nicht der Ort, die Anekdote der Erhebungen zu erörtern; was uns interessirt, sind die Ergebnisse. , Zunächst ist die Thatsache von Bedeutung, daß die Zahl der „Zwcmgsver- Iwgerungen von Gegenständen des unbeweglichen Vermögens" feit 1381 in steter Abnahme begriffen ist, die Zahl der Zwangsvollstreckungen in bewegliches Vermögen Grenzboten III 1807 5>

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_225585/41>, abgerufen am 01.05.2024.