Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Volk und Jugend

zugleich in Angriff zu nehmen und alle zur Verfügung stehenden Mittel anzu¬
wenden. Nur wenn diese preußischen Provinzen in deutsche umgewandelt
werden, werden sie preußisch bleiben, im andern Falle werden sie nicht auf
L. L. die Dauer preußisch sein.




Volk und fügend
W. Münch von(in
(Schluß)

as bloße Hinnehmen, sagte ich, ist nicht gleichbedeutend mit
frommer Ergebung. Wirklich fromme Ergebung ist beim Volk
nicht häufiger, als sie bei den Gebildeten ist, obwohl man leicht
dazu kommt, dort die Frömmigkeit zu finden, die man hier
vermißt. Und gewiß, Volk und Jugend bringen den frommen
Empfindungen einen günstigen Boden entgegen, wenn man sie nnr echt und
rein hineinznsüen und zu pflanzen weiß. Auch ist keine Andacht voller und
herzerfreuender. Aber von der wirklichen Hingebung der Person, von dem
Aufgehen des Herzenswillens in den allbestimmenden heiligen Willen der
Gottheit, wie solches den echten Höhepunkt in der Frömmigkeit der geistig
Gereiften und Mündigen darstellt, wird auf jenen Stufen schwerlich die Rede
sein. Die Abhängigkeit ist es, die leicht ganz gefühlt wird, aber das göttliche
Walten immer ein wenig nach den eignen kleinen Wünschen des engen Herzens
leiten zu können, das ist der Gedanke, das die Hoffnung, und so schleichen
sich in die Gebete in größter Unbefangenheit mancherlei seltsam begehrliche
Wünsche ein, bei den Unmündigen an Jahren wie bei denen an Verständnis.
Doch das ausreichend zu verfolgen würde eine umfassende Betrachtung für
sich erfordern.

Es ist aber nicht bloß das Göttliche, das die naive Erkenntnis immer
mit kindlich verschleiertem Ange und gewissermaßen in allzu großer Nähe oder
Verkleinerung sieht -- wer ans der Höhe menschlicher Entwicklung sieht es
anders als verschleiert und unerforschlich? Auch das Erhabne in der Welt
als solches zu fassen vermag jene Stufe nicht, so wenig wie das eigentlich
Schöne, wovon schon die Rede war. Man staunt an, man verwundert sich,
da man noch nicht zu bewundern vermag. Gern zieht man eine Art von
Begeisterung aus großen Maßverhältnissen, schwärmt sür das Kolossale, für


Grenzboten III 1897 g8
Volk und Jugend

zugleich in Angriff zu nehmen und alle zur Verfügung stehenden Mittel anzu¬
wenden. Nur wenn diese preußischen Provinzen in deutsche umgewandelt
werden, werden sie preußisch bleiben, im andern Falle werden sie nicht auf
L. L. die Dauer preußisch sein.




Volk und fügend
W. Münch von(in
(Schluß)

as bloße Hinnehmen, sagte ich, ist nicht gleichbedeutend mit
frommer Ergebung. Wirklich fromme Ergebung ist beim Volk
nicht häufiger, als sie bei den Gebildeten ist, obwohl man leicht
dazu kommt, dort die Frömmigkeit zu finden, die man hier
vermißt. Und gewiß, Volk und Jugend bringen den frommen
Empfindungen einen günstigen Boden entgegen, wenn man sie nnr echt und
rein hineinznsüen und zu pflanzen weiß. Auch ist keine Andacht voller und
herzerfreuender. Aber von der wirklichen Hingebung der Person, von dem
Aufgehen des Herzenswillens in den allbestimmenden heiligen Willen der
Gottheit, wie solches den echten Höhepunkt in der Frömmigkeit der geistig
Gereiften und Mündigen darstellt, wird auf jenen Stufen schwerlich die Rede
sein. Die Abhängigkeit ist es, die leicht ganz gefühlt wird, aber das göttliche
Walten immer ein wenig nach den eignen kleinen Wünschen des engen Herzens
leiten zu können, das ist der Gedanke, das die Hoffnung, und so schleichen
sich in die Gebete in größter Unbefangenheit mancherlei seltsam begehrliche
Wünsche ein, bei den Unmündigen an Jahren wie bei denen an Verständnis.
Doch das ausreichend zu verfolgen würde eine umfassende Betrachtung für
sich erfordern.

Es ist aber nicht bloß das Göttliche, das die naive Erkenntnis immer
mit kindlich verschleiertem Ange und gewissermaßen in allzu großer Nähe oder
Verkleinerung sieht — wer ans der Höhe menschlicher Entwicklung sieht es
anders als verschleiert und unerforschlich? Auch das Erhabne in der Welt
als solches zu fassen vermag jene Stufe nicht, so wenig wie das eigentlich
Schöne, wovon schon die Rede war. Man staunt an, man verwundert sich,
da man noch nicht zu bewundern vermag. Gern zieht man eine Art von
Begeisterung aus großen Maßverhältnissen, schwärmt sür das Kolossale, für


Grenzboten III 1897 g8
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0465" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/226051"/>
            <fw type="header" place="top"> Volk und Jugend</fw><lb/>
            <p xml:id="ID_1146" prev="#ID_1145"> zugleich in Angriff zu nehmen und alle zur Verfügung stehenden Mittel anzu¬<lb/>
wenden. Nur wenn diese preußischen Provinzen in deutsche umgewandelt<lb/>
werden, werden sie preußisch bleiben, im andern Falle werden sie nicht auf<lb/><note type="byline"> L. L.</note> die Dauer preußisch sein. </p><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          </div>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Volk und fügend<lb/><note type="byline"> W. Münch </note> von(in<lb/>
(Schluß) </head><lb/>
          <p xml:id="ID_1147"> as bloße Hinnehmen, sagte ich, ist nicht gleichbedeutend mit<lb/>
frommer Ergebung. Wirklich fromme Ergebung ist beim Volk<lb/>
nicht häufiger, als sie bei den Gebildeten ist, obwohl man leicht<lb/>
dazu kommt, dort die Frömmigkeit zu finden, die man hier<lb/>
vermißt. Und gewiß, Volk und Jugend bringen den frommen<lb/>
Empfindungen einen günstigen Boden entgegen, wenn man sie nnr echt und<lb/>
rein hineinznsüen und zu pflanzen weiß. Auch ist keine Andacht voller und<lb/>
herzerfreuender. Aber von der wirklichen Hingebung der Person, von dem<lb/>
Aufgehen des Herzenswillens in den allbestimmenden heiligen Willen der<lb/>
Gottheit, wie solches den echten Höhepunkt in der Frömmigkeit der geistig<lb/>
Gereiften und Mündigen darstellt, wird auf jenen Stufen schwerlich die Rede<lb/>
sein. Die Abhängigkeit ist es, die leicht ganz gefühlt wird, aber das göttliche<lb/>
Walten immer ein wenig nach den eignen kleinen Wünschen des engen Herzens<lb/>
leiten zu können, das ist der Gedanke, das die Hoffnung, und so schleichen<lb/>
sich in die Gebete in größter Unbefangenheit mancherlei seltsam begehrliche<lb/>
Wünsche ein, bei den Unmündigen an Jahren wie bei denen an Verständnis.<lb/>
Doch das ausreichend zu verfolgen würde eine umfassende Betrachtung für<lb/>
sich erfordern.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1148" next="#ID_1149"> Es ist aber nicht bloß das Göttliche, das die naive Erkenntnis immer<lb/>
mit kindlich verschleiertem Ange und gewissermaßen in allzu großer Nähe oder<lb/>
Verkleinerung sieht &#x2014; wer ans der Höhe menschlicher Entwicklung sieht es<lb/>
anders als verschleiert und unerforschlich? Auch das Erhabne in der Welt<lb/>
als solches zu fassen vermag jene Stufe nicht, so wenig wie das eigentlich<lb/>
Schöne, wovon schon die Rede war. Man staunt an, man verwundert sich,<lb/>
da man noch nicht zu bewundern vermag. Gern zieht man eine Art von<lb/>
Begeisterung aus großen Maßverhältnissen, schwärmt sür das Kolossale, für</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten III 1897 g8</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0465] Volk und Jugend zugleich in Angriff zu nehmen und alle zur Verfügung stehenden Mittel anzu¬ wenden. Nur wenn diese preußischen Provinzen in deutsche umgewandelt werden, werden sie preußisch bleiben, im andern Falle werden sie nicht auf L. L. die Dauer preußisch sein. Volk und fügend W. Münch von(in (Schluß) as bloße Hinnehmen, sagte ich, ist nicht gleichbedeutend mit frommer Ergebung. Wirklich fromme Ergebung ist beim Volk nicht häufiger, als sie bei den Gebildeten ist, obwohl man leicht dazu kommt, dort die Frömmigkeit zu finden, die man hier vermißt. Und gewiß, Volk und Jugend bringen den frommen Empfindungen einen günstigen Boden entgegen, wenn man sie nnr echt und rein hineinznsüen und zu pflanzen weiß. Auch ist keine Andacht voller und herzerfreuender. Aber von der wirklichen Hingebung der Person, von dem Aufgehen des Herzenswillens in den allbestimmenden heiligen Willen der Gottheit, wie solches den echten Höhepunkt in der Frömmigkeit der geistig Gereiften und Mündigen darstellt, wird auf jenen Stufen schwerlich die Rede sein. Die Abhängigkeit ist es, die leicht ganz gefühlt wird, aber das göttliche Walten immer ein wenig nach den eignen kleinen Wünschen des engen Herzens leiten zu können, das ist der Gedanke, das die Hoffnung, und so schleichen sich in die Gebete in größter Unbefangenheit mancherlei seltsam begehrliche Wünsche ein, bei den Unmündigen an Jahren wie bei denen an Verständnis. Doch das ausreichend zu verfolgen würde eine umfassende Betrachtung für sich erfordern. Es ist aber nicht bloß das Göttliche, das die naive Erkenntnis immer mit kindlich verschleiertem Ange und gewissermaßen in allzu großer Nähe oder Verkleinerung sieht — wer ans der Höhe menschlicher Entwicklung sieht es anders als verschleiert und unerforschlich? Auch das Erhabne in der Welt als solches zu fassen vermag jene Stufe nicht, so wenig wie das eigentlich Schöne, wovon schon die Rede war. Man staunt an, man verwundert sich, da man noch nicht zu bewundern vermag. Gern zieht man eine Art von Begeisterung aus großen Maßverhältnissen, schwärmt sür das Kolossale, für Grenzboten III 1897 g8

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_225585
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_225585/465
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_225585/465>, abgerufen am 01.05.2024.