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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Drittes Vierteljahr.

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Reserve- und Landwehroffiziere

nicht erschöpfend. Bisher ist es nicht gelungen, eine Theorie des Dramas von
einem einheitlichen Gesichtspunkt aus darzustellen. Vom Konfliktsbegrch aus
ließe sich das vielleicht erreichen. Ist doch von ihm alles abzuleiten, was sich
unter dem gemeinsamen Begriff der "innern Form" zusammenfassen laßt: der
Begriff der dramatischen Handlung, das Gesetz von der Einheit der Handlung,
die'Entwicklung der Handlung, der Begriff des Tragische" und des Komischen
und vieles andre. Dazu käme dann als zweiter Teil die Behandlung der
"äußern Form," die vom ^audlungsbegriff. also mittelbar auch vom Kvnflikts-
begriff auszugehen hätte. Für einen künftigen Theoretiker des Dramas Ware
das gewiß eine lohnende Aufgabe und -- wen" sie gelänge -- auch der beste
Prüfstein für die Nichtigkeit dieser Ausführungen.




Reserve- und Landrvehroffiziere

er Aufsatz unter dieser Aufschrift in Ur. 34 der Grenzboten ver¬
anlaßt mich zu einer Erwiderung, damit nicht ferner stehende
Kreise von der Armee und ihrer Erziehung durch die Berufs¬
offiziere falsche Ansichten erhalten. Ich habe eine Frontdienstzcit
von mehr als dreißig Jahren hinter mir, sodaß ich mir wohl
ein Urteil erlauben darf. Ich beschränke mich darauf, die den
aktiven Offizieren gemachten Vorwürfe zurückzuweisen.

Der heutige Dienstbetrieb bei der Truppe ist so eingehend, Wechselreich
und anregend, daß trotz der langen Frieoenszeit keine Zeit zum Einschlafen
bleibt. Der Verfasser des angeführten Aufsatzes hat wohl noch die Jahre nach
den Befreiungskriegen im Auge. Außerdem bringt eine militärische Übung in
die lange Vorbereitungszeit zum Zivilberuf nur eine anregende Abwechslung.
Das ist mir wenigstens von vielen bestätigt worden.

Der aktive Offizier darf, wie jeder andre Stand und Beruf, das Recht
für sich in Anspruch nehmen, die ihm zusagende Gesellschaft zu wählen. Diese
M ^ zunächst in dem Offizierkorps des Truppenteils, zu dem er gehört,
^n öffentlichen Orten muß er sehr vorsichtig und zurückhaltend in seinem Be¬
nehmen und in seinen Äußerungen sein, da die Uniform überall und namentlich
Kor ihren Feinden beobachtet wird. Als Beweis hierfür können die in dem
angeführten Aufsatz verwerteten, angeblich von aktiven Offizieren gethanen
Äußerungen gelten, die offenbar aus dem Zusammenhange gerissen sind.
Zurückhaltung braucht nicht notwendigerweise Gleichgiltigkeit allen nicht mili¬
tärischen Gegenstünden gegenüber zu sein.

^ In den Offizierspeiseanstalten sind die Offiziere des Beurlaubtenstandes
stets gern gesehene Gäste, wenn sie es verstehen, sich beliebt zu machen, d. h.
wenn sie gute Formen und Sinn für Kameradschaft mitbringen. Die Herren
müssen eben ihren Zivilbcruf mit den damit verbundnen Ansichten und


Reserve- und Landwehroffiziere

nicht erschöpfend. Bisher ist es nicht gelungen, eine Theorie des Dramas von
einem einheitlichen Gesichtspunkt aus darzustellen. Vom Konfliktsbegrch aus
ließe sich das vielleicht erreichen. Ist doch von ihm alles abzuleiten, was sich
unter dem gemeinsamen Begriff der „innern Form" zusammenfassen laßt: der
Begriff der dramatischen Handlung, das Gesetz von der Einheit der Handlung,
die'Entwicklung der Handlung, der Begriff des Tragische» und des Komischen
und vieles andre. Dazu käme dann als zweiter Teil die Behandlung der
„äußern Form," die vom ^audlungsbegriff. also mittelbar auch vom Kvnflikts-
begriff auszugehen hätte. Für einen künftigen Theoretiker des Dramas Ware
das gewiß eine lohnende Aufgabe und — wen» sie gelänge — auch der beste
Prüfstein für die Nichtigkeit dieser Ausführungen.




Reserve- und Landrvehroffiziere

er Aufsatz unter dieser Aufschrift in Ur. 34 der Grenzboten ver¬
anlaßt mich zu einer Erwiderung, damit nicht ferner stehende
Kreise von der Armee und ihrer Erziehung durch die Berufs¬
offiziere falsche Ansichten erhalten. Ich habe eine Frontdienstzcit
von mehr als dreißig Jahren hinter mir, sodaß ich mir wohl
ein Urteil erlauben darf. Ich beschränke mich darauf, die den
aktiven Offizieren gemachten Vorwürfe zurückzuweisen.

Der heutige Dienstbetrieb bei der Truppe ist so eingehend, Wechselreich
und anregend, daß trotz der langen Frieoenszeit keine Zeit zum Einschlafen
bleibt. Der Verfasser des angeführten Aufsatzes hat wohl noch die Jahre nach
den Befreiungskriegen im Auge. Außerdem bringt eine militärische Übung in
die lange Vorbereitungszeit zum Zivilberuf nur eine anregende Abwechslung.
Das ist mir wenigstens von vielen bestätigt worden.

Der aktive Offizier darf, wie jeder andre Stand und Beruf, das Recht
für sich in Anspruch nehmen, die ihm zusagende Gesellschaft zu wählen. Diese
M ^ zunächst in dem Offizierkorps des Truppenteils, zu dem er gehört,
^n öffentlichen Orten muß er sehr vorsichtig und zurückhaltend in seinem Be¬
nehmen und in seinen Äußerungen sein, da die Uniform überall und namentlich
Kor ihren Feinden beobachtet wird. Als Beweis hierfür können die in dem
angeführten Aufsatz verwerteten, angeblich von aktiven Offizieren gethanen
Äußerungen gelten, die offenbar aus dem Zusammenhange gerissen sind.
Zurückhaltung braucht nicht notwendigerweise Gleichgiltigkeit allen nicht mili¬
tärischen Gegenstünden gegenüber zu sein.

^ In den Offizierspeiseanstalten sind die Offiziere des Beurlaubtenstandes
stets gern gesehene Gäste, wenn sie es verstehen, sich beliebt zu machen, d. h.
wenn sie gute Formen und Sinn für Kameradschaft mitbringen. Die Herren
müssen eben ihren Zivilbcruf mit den damit verbundnen Ansichten und


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[0627] Reserve- und Landwehroffiziere nicht erschöpfend. Bisher ist es nicht gelungen, eine Theorie des Dramas von einem einheitlichen Gesichtspunkt aus darzustellen. Vom Konfliktsbegrch aus ließe sich das vielleicht erreichen. Ist doch von ihm alles abzuleiten, was sich unter dem gemeinsamen Begriff der „innern Form" zusammenfassen laßt: der Begriff der dramatischen Handlung, das Gesetz von der Einheit der Handlung, die'Entwicklung der Handlung, der Begriff des Tragische» und des Komischen und vieles andre. Dazu käme dann als zweiter Teil die Behandlung der „äußern Form," die vom ^audlungsbegriff. also mittelbar auch vom Kvnflikts- begriff auszugehen hätte. Für einen künftigen Theoretiker des Dramas Ware das gewiß eine lohnende Aufgabe und — wen» sie gelänge — auch der beste Prüfstein für die Nichtigkeit dieser Ausführungen. Reserve- und Landrvehroffiziere er Aufsatz unter dieser Aufschrift in Ur. 34 der Grenzboten ver¬ anlaßt mich zu einer Erwiderung, damit nicht ferner stehende Kreise von der Armee und ihrer Erziehung durch die Berufs¬ offiziere falsche Ansichten erhalten. Ich habe eine Frontdienstzcit von mehr als dreißig Jahren hinter mir, sodaß ich mir wohl ein Urteil erlauben darf. Ich beschränke mich darauf, die den aktiven Offizieren gemachten Vorwürfe zurückzuweisen. Der heutige Dienstbetrieb bei der Truppe ist so eingehend, Wechselreich und anregend, daß trotz der langen Frieoenszeit keine Zeit zum Einschlafen bleibt. Der Verfasser des angeführten Aufsatzes hat wohl noch die Jahre nach den Befreiungskriegen im Auge. Außerdem bringt eine militärische Übung in die lange Vorbereitungszeit zum Zivilberuf nur eine anregende Abwechslung. Das ist mir wenigstens von vielen bestätigt worden. Der aktive Offizier darf, wie jeder andre Stand und Beruf, das Recht für sich in Anspruch nehmen, die ihm zusagende Gesellschaft zu wählen. Diese M ^ zunächst in dem Offizierkorps des Truppenteils, zu dem er gehört, ^n öffentlichen Orten muß er sehr vorsichtig und zurückhaltend in seinem Be¬ nehmen und in seinen Äußerungen sein, da die Uniform überall und namentlich Kor ihren Feinden beobachtet wird. Als Beweis hierfür können die in dem angeführten Aufsatz verwerteten, angeblich von aktiven Offizieren gethanen Äußerungen gelten, die offenbar aus dem Zusammenhange gerissen sind. Zurückhaltung braucht nicht notwendigerweise Gleichgiltigkeit allen nicht mili¬ tärischen Gegenstünden gegenüber zu sein. ^ In den Offizierspeiseanstalten sind die Offiziere des Beurlaubtenstandes stets gern gesehene Gäste, wenn sie es verstehen, sich beliebt zu machen, d. h. wenn sie gute Formen und Sinn für Kameradschaft mitbringen. Die Herren müssen eben ihren Zivilbcruf mit den damit verbundnen Ansichten und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_225585/627>, abgerufen am 01.05.2024.