Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite


Freiwillige Sammlungen bei der Post

el keiner Reichs- oder Staatsverwaltung sind in den letzten beiden
Jahrzehnten so häufig Geldsamnilungcn nnter den Beamten angestellt
worden, als bei der Post. Bald handelte es sich darum, Vorgesetzten
Geschenke zu machen oder ihnen sogenannte "Ehrungen" zu erweisen,
bald mußte ein andrer, den Interessen der Postbeamten noch ferner
liegender Zweck herhalten, um ihre Taschen zu erleichtern.

Früher beschränkte man sich daraus, seiue Mitarbeiter bei der Feier des funfzig¬
jährigen Dicustjubilttums durch eine bescheidne Gabe zu erfreuen. Amtsgenossen,
die zu dem Jubilar während seiner Dienstzeit in persönliche Beziehungen getreten
waren, wurden von seineu Freunden an das bevorstehende Fest erinnert und um
Einsendung kleiner Spenden zur Beschaffung eines Ehrengeschenks gebeten. Ter
amtliche Apparat trat nicht in Thätigkeit, jeder Zwang war ausgeschlossen.

Die erste Sammlung andrer Art fand im Jahre 1883 statt. Die Insel Ischia
war dnrch ein Erdbeben verwüstet worden. Der damalige Kronprinz Friedrich
Wilhelm stellte sich mit der Kronprinzessin an die Spitze einer Sammlung für die
Verunglückten. Zu dem Zentralausschuß gehörte auch der Generalpostmeister
von Stephan, der zur Beförderung des edeln Zwecks dnrch Erlaß vom 13. August
verfügte, daß bei jeder Postaustalt des deutscheu Reichs und außerdem noch von
den Landbriefträgern Beiträge anzunehmen und zu befördern seien. Die Post-
anstalten mußten ihre Bereitwilligkeit zur Annahme derartiger Spenden durch Aus¬
hänge an den Schnlterfensteru und an der Außenseite der Posthäuser zu jeder¬
manns Kenntnis bringen. Trotz dieser etwas aufdringlichen Mahnung verhielt sich
das Publikum an vielen Orten zurückhaltend, es kam nichts ein. Die Amtsvorsteher
befanden sich nun in der peinlichen Lage, entweder ihrer vorgesetzten Behörde leere
Nachweisungen einzureichen, oder für ihre Person Beiträge zu zeichnen und auch
ihre Beamten dazu zu begeistern. Wie viel tausend Mark damals von dem Ge¬
samterträge der Sammlung auf Rechnung der Postbeamten fielen, ist nicht bekannt
geworden.

Im Monat November 1386 regte ein Beamter des Reichspostamts in der
Deutschem Verkehrszeituug, dem offiziellen Organ der Postverwaltung, den Gedanken
an, der deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbriichiger durch Sammlungen nnter
den Postbeamten die Mittel zur Anschaffung von Rettungsbooten zu gewähren.
Der Vorschlag des Subalternen, dessen Hintermänner, wie es auch sonst vorkommt,
nicht bekannt geworden sind, fand natürlich freudigen Widerhall. Bei sämtlichen
Oberpostdirektionen bildeten sich Ausschüsse, die wieder die Postanstalten zur
Sammlung von Spenden aufforderten. "Durch eine derartige Stiftung, heißt es
in einem Aufruf, würde nicht allein das gemeinnützige Streben der bezeichneten
Gesellschaft unterstützt, sondern auch der Wohlthtttigkeitssinn und die Zusammen-




Freiwillige Sammlungen bei der Post

el keiner Reichs- oder Staatsverwaltung sind in den letzten beiden
Jahrzehnten so häufig Geldsamnilungcn nnter den Beamten angestellt
worden, als bei der Post. Bald handelte es sich darum, Vorgesetzten
Geschenke zu machen oder ihnen sogenannte „Ehrungen" zu erweisen,
bald mußte ein andrer, den Interessen der Postbeamten noch ferner
liegender Zweck herhalten, um ihre Taschen zu erleichtern.

Früher beschränkte man sich daraus, seiue Mitarbeiter bei der Feier des funfzig¬
jährigen Dicustjubilttums durch eine bescheidne Gabe zu erfreuen. Amtsgenossen,
die zu dem Jubilar während seiner Dienstzeit in persönliche Beziehungen getreten
waren, wurden von seineu Freunden an das bevorstehende Fest erinnert und um
Einsendung kleiner Spenden zur Beschaffung eines Ehrengeschenks gebeten. Ter
amtliche Apparat trat nicht in Thätigkeit, jeder Zwang war ausgeschlossen.

Die erste Sammlung andrer Art fand im Jahre 1883 statt. Die Insel Ischia
war dnrch ein Erdbeben verwüstet worden. Der damalige Kronprinz Friedrich
Wilhelm stellte sich mit der Kronprinzessin an die Spitze einer Sammlung für die
Verunglückten. Zu dem Zentralausschuß gehörte auch der Generalpostmeister
von Stephan, der zur Beförderung des edeln Zwecks dnrch Erlaß vom 13. August
verfügte, daß bei jeder Postaustalt des deutscheu Reichs und außerdem noch von
den Landbriefträgern Beiträge anzunehmen und zu befördern seien. Die Post-
anstalten mußten ihre Bereitwilligkeit zur Annahme derartiger Spenden durch Aus¬
hänge an den Schnlterfensteru und an der Außenseite der Posthäuser zu jeder¬
manns Kenntnis bringen. Trotz dieser etwas aufdringlichen Mahnung verhielt sich
das Publikum an vielen Orten zurückhaltend, es kam nichts ein. Die Amtsvorsteher
befanden sich nun in der peinlichen Lage, entweder ihrer vorgesetzten Behörde leere
Nachweisungen einzureichen, oder für ihre Person Beiträge zu zeichnen und auch
ihre Beamten dazu zu begeistern. Wie viel tausend Mark damals von dem Ge¬
samterträge der Sammlung auf Rechnung der Postbeamten fielen, ist nicht bekannt
geworden.

Im Monat November 1386 regte ein Beamter des Reichspostamts in der
Deutschem Verkehrszeituug, dem offiziellen Organ der Postverwaltung, den Gedanken
an, der deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbriichiger durch Sammlungen nnter
den Postbeamten die Mittel zur Anschaffung von Rettungsbooten zu gewähren.
Der Vorschlag des Subalternen, dessen Hintermänner, wie es auch sonst vorkommt,
nicht bekannt geworden sind, fand natürlich freudigen Widerhall. Bei sämtlichen
Oberpostdirektionen bildeten sich Ausschüsse, die wieder die Postanstalten zur
Sammlung von Spenden aufforderten. „Durch eine derartige Stiftung, heißt es
in einem Aufruf, würde nicht allein das gemeinnützige Streben der bezeichneten
Gesellschaft unterstützt, sondern auch der Wohlthtttigkeitssinn und die Zusammen-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0092" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/225678"/>
          <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341865_225585/figures/grenzboten_341865_225585_225678_000.jpg"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Freiwillige Sammlungen bei der Post</head><lb/>
          <p xml:id="ID_207"> el keiner Reichs- oder Staatsverwaltung sind in den letzten beiden<lb/>
Jahrzehnten so häufig Geldsamnilungcn nnter den Beamten angestellt<lb/>
worden, als bei der Post. Bald handelte es sich darum, Vorgesetzten<lb/>
Geschenke zu machen oder ihnen sogenannte &#x201E;Ehrungen" zu erweisen,<lb/>
bald mußte ein andrer, den Interessen der Postbeamten noch ferner<lb/>
liegender Zweck herhalten, um ihre Taschen zu erleichtern.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_208"> Früher beschränkte man sich daraus, seiue Mitarbeiter bei der Feier des funfzig¬<lb/>
jährigen Dicustjubilttums durch eine bescheidne Gabe zu erfreuen. Amtsgenossen,<lb/>
die zu dem Jubilar während seiner Dienstzeit in persönliche Beziehungen getreten<lb/>
waren, wurden von seineu Freunden an das bevorstehende Fest erinnert und um<lb/>
Einsendung kleiner Spenden zur Beschaffung eines Ehrengeschenks gebeten. Ter<lb/>
amtliche Apparat trat nicht in Thätigkeit, jeder Zwang war ausgeschlossen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_209"> Die erste Sammlung andrer Art fand im Jahre 1883 statt. Die Insel Ischia<lb/>
war dnrch ein Erdbeben verwüstet worden. Der damalige Kronprinz Friedrich<lb/>
Wilhelm stellte sich mit der Kronprinzessin an die Spitze einer Sammlung für die<lb/>
Verunglückten. Zu dem Zentralausschuß gehörte auch der Generalpostmeister<lb/>
von Stephan, der zur Beförderung des edeln Zwecks dnrch Erlaß vom 13. August<lb/>
verfügte, daß bei jeder Postaustalt des deutscheu Reichs und außerdem noch von<lb/>
den Landbriefträgern Beiträge anzunehmen und zu befördern seien. Die Post-<lb/>
anstalten mußten ihre Bereitwilligkeit zur Annahme derartiger Spenden durch Aus¬<lb/>
hänge an den Schnlterfensteru und an der Außenseite der Posthäuser zu jeder¬<lb/>
manns Kenntnis bringen. Trotz dieser etwas aufdringlichen Mahnung verhielt sich<lb/>
das Publikum an vielen Orten zurückhaltend, es kam nichts ein. Die Amtsvorsteher<lb/>
befanden sich nun in der peinlichen Lage, entweder ihrer vorgesetzten Behörde leere<lb/>
Nachweisungen einzureichen, oder für ihre Person Beiträge zu zeichnen und auch<lb/>
ihre Beamten dazu zu begeistern. Wie viel tausend Mark damals von dem Ge¬<lb/>
samterträge der Sammlung auf Rechnung der Postbeamten fielen, ist nicht bekannt<lb/>
geworden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_210" next="#ID_211"> Im Monat November 1386 regte ein Beamter des Reichspostamts in der<lb/>
Deutschem Verkehrszeituug, dem offiziellen Organ der Postverwaltung, den Gedanken<lb/>
an, der deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbriichiger durch Sammlungen nnter<lb/>
den Postbeamten die Mittel zur Anschaffung von Rettungsbooten zu gewähren.<lb/>
Der Vorschlag des Subalternen, dessen Hintermänner, wie es auch sonst vorkommt,<lb/>
nicht bekannt geworden sind, fand natürlich freudigen Widerhall. Bei sämtlichen<lb/>
Oberpostdirektionen bildeten sich Ausschüsse, die wieder die Postanstalten zur<lb/>
Sammlung von Spenden aufforderten. &#x201E;Durch eine derartige Stiftung, heißt es<lb/>
in einem Aufruf, würde nicht allein das gemeinnützige Streben der bezeichneten<lb/>
Gesellschaft unterstützt, sondern auch der Wohlthtttigkeitssinn und die Zusammen-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0092] [Abbildung] Freiwillige Sammlungen bei der Post el keiner Reichs- oder Staatsverwaltung sind in den letzten beiden Jahrzehnten so häufig Geldsamnilungcn nnter den Beamten angestellt worden, als bei der Post. Bald handelte es sich darum, Vorgesetzten Geschenke zu machen oder ihnen sogenannte „Ehrungen" zu erweisen, bald mußte ein andrer, den Interessen der Postbeamten noch ferner liegender Zweck herhalten, um ihre Taschen zu erleichtern. Früher beschränkte man sich daraus, seiue Mitarbeiter bei der Feier des funfzig¬ jährigen Dicustjubilttums durch eine bescheidne Gabe zu erfreuen. Amtsgenossen, die zu dem Jubilar während seiner Dienstzeit in persönliche Beziehungen getreten waren, wurden von seineu Freunden an das bevorstehende Fest erinnert und um Einsendung kleiner Spenden zur Beschaffung eines Ehrengeschenks gebeten. Ter amtliche Apparat trat nicht in Thätigkeit, jeder Zwang war ausgeschlossen. Die erste Sammlung andrer Art fand im Jahre 1883 statt. Die Insel Ischia war dnrch ein Erdbeben verwüstet worden. Der damalige Kronprinz Friedrich Wilhelm stellte sich mit der Kronprinzessin an die Spitze einer Sammlung für die Verunglückten. Zu dem Zentralausschuß gehörte auch der Generalpostmeister von Stephan, der zur Beförderung des edeln Zwecks dnrch Erlaß vom 13. August verfügte, daß bei jeder Postaustalt des deutscheu Reichs und außerdem noch von den Landbriefträgern Beiträge anzunehmen und zu befördern seien. Die Post- anstalten mußten ihre Bereitwilligkeit zur Annahme derartiger Spenden durch Aus¬ hänge an den Schnlterfensteru und an der Außenseite der Posthäuser zu jeder¬ manns Kenntnis bringen. Trotz dieser etwas aufdringlichen Mahnung verhielt sich das Publikum an vielen Orten zurückhaltend, es kam nichts ein. Die Amtsvorsteher befanden sich nun in der peinlichen Lage, entweder ihrer vorgesetzten Behörde leere Nachweisungen einzureichen, oder für ihre Person Beiträge zu zeichnen und auch ihre Beamten dazu zu begeistern. Wie viel tausend Mark damals von dem Ge¬ samterträge der Sammlung auf Rechnung der Postbeamten fielen, ist nicht bekannt geworden. Im Monat November 1386 regte ein Beamter des Reichspostamts in der Deutschem Verkehrszeituug, dem offiziellen Organ der Postverwaltung, den Gedanken an, der deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbriichiger durch Sammlungen nnter den Postbeamten die Mittel zur Anschaffung von Rettungsbooten zu gewähren. Der Vorschlag des Subalternen, dessen Hintermänner, wie es auch sonst vorkommt, nicht bekannt geworden sind, fand natürlich freudigen Widerhall. Bei sämtlichen Oberpostdirektionen bildeten sich Ausschüsse, die wieder die Postanstalten zur Sammlung von Spenden aufforderten. „Durch eine derartige Stiftung, heißt es in einem Aufruf, würde nicht allein das gemeinnützige Streben der bezeichneten Gesellschaft unterstützt, sondern auch der Wohlthtttigkeitssinn und die Zusammen-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_225585
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_225585/92
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_225585/92>, abgerufen am 01.05.2024.