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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Viertes Vierteljahr.

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Karl Pfanilschmidt

breiten Betten umhüllten. Heurekci! rief ich aus, und es ging an die Arbeit!
Es wurde eine dünne Eisenstange beim Schlosser geborgt, die wurde über der
Bühncnvsfnung angebracht; dann wurden soviel Bettvorhänge, als nötig waren,
in zwei Shawls zusammengenäht, durch die daran befindlichen Ringe Faden
gezogen und durch die Eisenstange geleitet. An jedes Ende wurde ein Schul-
knabe gestellt ffie stritten sich um die Ehre), im entscheidenden Augenblick zogen
sie die Schnuren an und teilten so den Borhang.

Ich wollte mit diesen Kleinigkeiten nur zeigen, daß ich die Schwierig¬
keiten, die zu überwinden sind, aus eigner Erfahrung kenne. Aber ich habe
mich dieser Mühe gern unterzogen, weil ich der Überzeugung bin, daß durch
eine Volksbühne auf dem Lande viel Gutes gestiftet werden kaun. Geben wir
dem Volke gute Speise, so greift es nicht nach giftigen Bissen. Hier liegt
eine große Aufgabe. Wollte Gott, es fühlten sich viele berufen, thatkräftig
mitzuarbeiten.


Theodor Dithmar


Karl Pfannschmidt

art Pfauuschmidt lebte über vierzig Jahre bis ein seinen Tod (1337)
als geschätzter Maler von Kirchenbildern in Berlin, nebenbei be¬
merkt, immer in derselben Mietwohnung, während eines Zeitraums,
der doch über die Stadt die größten Veränderungen gebracht hat,
und mit einer Familie, aus der nicht weniger als neun Kinder selb¬
ständig und tüchtig ins Leben hinausgegangen sind. Die Mittel
dazu mußten durch die Arbeit seiner Hand aufgebracht werden, denu er war einst
völlig mittellos als fünfzehnjähriger Knabe ans seiner Heimatstadt, Mühlhausen in
Thüringen, in Berlin eingezogen (1335), und nach längerm Wandern kehrte er
1346 eilf Meister dahin zurück, feit 1858 hatte er eine Professur an der Akademie
inne. Die Aufgabe, die ihm das Lebe" gestellt hatte, war nicht leicht, aber sie wurde
glücklich vollbracht. Für die Kraft, die das zu leisten hatte, bedeutet es umso mehr,
als seine Kunst nicht mit der Zeit ging. Er wurde zu den Schülern von Cornelius
gerechnet, unter dem er 1842 bis 1844 an den Freskomalereien in der Vorhalle
des Alten Museums thätig gewesen war. Weniger herbe und kräftig als sei" Meister,
stand er mit seinem sanftern Schönheitsideal Overbeck näher und Pflegte, als der ge¬
schmeidigere und vielseitige Kanlbcich mit seinen bunten Historien schnell verrauschende
Triumphe feierte, ausschließlich das religiöse Bild weiter, und zwar bis in sei"
letztes Jahr mit derselbe" Frische und einem auch äußerlich immer mehr steigenden
Erfolg. Er sah sich im Gegensatz zu Cornelius als den Vertreter einer protestan¬
tischen Kirchenmalerei an, er wollte nnr biblische Bilder in evangelischer Auffassung,
keine Madonnen und Heiligengeschichten malen und trat öfter von Aufgaben zurück,
Weil sie etwas von ihm forderten, was er für katholisch hielt. So hat er viele


Karl Pfanilschmidt

breiten Betten umhüllten. Heurekci! rief ich aus, und es ging an die Arbeit!
Es wurde eine dünne Eisenstange beim Schlosser geborgt, die wurde über der
Bühncnvsfnung angebracht; dann wurden soviel Bettvorhänge, als nötig waren,
in zwei Shawls zusammengenäht, durch die daran befindlichen Ringe Faden
gezogen und durch die Eisenstange geleitet. An jedes Ende wurde ein Schul-
knabe gestellt ffie stritten sich um die Ehre), im entscheidenden Augenblick zogen
sie die Schnuren an und teilten so den Borhang.

Ich wollte mit diesen Kleinigkeiten nur zeigen, daß ich die Schwierig¬
keiten, die zu überwinden sind, aus eigner Erfahrung kenne. Aber ich habe
mich dieser Mühe gern unterzogen, weil ich der Überzeugung bin, daß durch
eine Volksbühne auf dem Lande viel Gutes gestiftet werden kaun. Geben wir
dem Volke gute Speise, so greift es nicht nach giftigen Bissen. Hier liegt
eine große Aufgabe. Wollte Gott, es fühlten sich viele berufen, thatkräftig
mitzuarbeiten.


Theodor Dithmar


Karl Pfannschmidt

art Pfauuschmidt lebte über vierzig Jahre bis ein seinen Tod (1337)
als geschätzter Maler von Kirchenbildern in Berlin, nebenbei be¬
merkt, immer in derselben Mietwohnung, während eines Zeitraums,
der doch über die Stadt die größten Veränderungen gebracht hat,
und mit einer Familie, aus der nicht weniger als neun Kinder selb¬
ständig und tüchtig ins Leben hinausgegangen sind. Die Mittel
dazu mußten durch die Arbeit seiner Hand aufgebracht werden, denu er war einst
völlig mittellos als fünfzehnjähriger Knabe ans seiner Heimatstadt, Mühlhausen in
Thüringen, in Berlin eingezogen (1335), und nach längerm Wandern kehrte er
1346 eilf Meister dahin zurück, feit 1858 hatte er eine Professur an der Akademie
inne. Die Aufgabe, die ihm das Lebe» gestellt hatte, war nicht leicht, aber sie wurde
glücklich vollbracht. Für die Kraft, die das zu leisten hatte, bedeutet es umso mehr,
als seine Kunst nicht mit der Zeit ging. Er wurde zu den Schülern von Cornelius
gerechnet, unter dem er 1842 bis 1844 an den Freskomalereien in der Vorhalle
des Alten Museums thätig gewesen war. Weniger herbe und kräftig als sei» Meister,
stand er mit seinem sanftern Schönheitsideal Overbeck näher und Pflegte, als der ge¬
schmeidigere und vielseitige Kanlbcich mit seinen bunten Historien schnell verrauschende
Triumphe feierte, ausschließlich das religiöse Bild weiter, und zwar bis in sei»
letztes Jahr mit derselbe» Frische und einem auch äußerlich immer mehr steigenden
Erfolg. Er sah sich im Gegensatz zu Cornelius als den Vertreter einer protestan¬
tischen Kirchenmalerei an, er wollte nnr biblische Bilder in evangelischer Auffassung,
keine Madonnen und Heiligengeschichten malen und trat öfter von Aufgaben zurück,
Weil sie etwas von ihm forderten, was er für katholisch hielt. So hat er viele


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_226231/646>, abgerufen am 06.05.2024.