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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Drittes Vierteljahr.

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Ungedruckte Briefe von Robert Schumann

Schumann war zum Besuch bei seiner Braut gewesen, die Ende August 1839
Von Paris zurückgekehrt war und nun bei ihrer Mutter, Frau Bargiel in Berlin,
der geschiednen Frau Wiecks, wohnte. Was sein "ganzes Sinnen" in Anspruch
nahm, das war seine im Juli 1839 beim Leipziger Appellationsgericht erhobne
Klage gegen Wieck, der, taub gegen alle Bitten und Vorstellungen seiner Tochter,
die väterliche Einwilligung zu ihrer Verheiratung mit Schumann verweigerte. Das
Gericht entschied im Juli 1840 zu Gunsten Schumanns, erklärte die Weigerung
Wiecks für unbegründet und erteilte an Stelle des Vaters die Genehmigung zur
Eheschließung. Am 12. September 1340 fand die Trauung statt. Durch Wiecks
rücksichtsloses, ja grausames Verfahren war es zum vollständigen Bruch zwischen
Vater und Tochter gekommen. In einigen vertraulichen Briefen Claras aus jener
Zeit ist deutlich genug ausgesprochen, was sie Jahre hindurch zu erdulden gehabt
hatte. Eine aktenmäßige Darstellung des Prozesses findet man in Wustmanns
Aufsatz "Aus Clara Schumanns Brautzeit," Grenzboten 1896, IV, S. 506. --
Der "Stuttgarter" ist G. Schilling.


10
An C. Montag

Leipzig, den 26w- Juli 1841.

Vielen Dank, mein lieber Freund, für die letzte Sendung, und meinen
späten auch noch für Ihren Neujahrsbrief, den ich immer ausführlicher öe-
antworten wollte. Die Symphonie sin L^, die mir bald darauf in den Kopf
kam, hat alles andere verdrängt -- und so vergeben Sie mir.

Ihre Compositionen sehe ich mir eben genauer an; gewiß werden sie in
der Zeitschrift besprochen und, wie Sie es selbst am liebsten wollen, offen und
aufrichtig. Sie haben, wie mir scheint, noch mit der Form zu ringen.
Schreiben Sie noch recht viel für Gesang, auch mehrstimmiges, und lassen
Sich's vorsingen. Dies wird Ihnen, glaub' ich, von Nutzen sein.

Uns geht es wohl und glücklich; mit Freuden und Bangen sehen wir
nächstem Monat entgegen. Sie verstehen mich wohl.

Sehr erwünscht wäre mir ein Bericht von Ihnen -- und je eher je
lieber. Meine zwei Hauptarbeiter, Wenzel und Lorenz, sind auf Reisen --
und so liegt Alles auf mir und viel Musik noch dazu. Also ist es Ihnen
möglich, so schicken Sie mir recht bald und viel. Erinnern Sie auch Lobe
an mich und grüßen ihn. Was arbeitet er? Was Sie?

Nächsten Winter werden Sie von manchen neuen Compositionen von mir
hören -- Orchestersachen -- auch eine Phantasie f. Pfte. in. Orch. -- viel¬
leicht auch hier selbst. Sie kommen doch auf einige Monate wieder? Meine
Iste Symphonie wird Ihnen zu denken geben, glaub' ich.

Adieu und schreiben Sie mir bald. Mit herzlichen Grüßen an die freund¬
lichen Ihrigen von meiner Frau und von mir.


Ihrergebener Schumann.
Ungedruckte Briefe von Robert Schumann

Schumann war zum Besuch bei seiner Braut gewesen, die Ende August 1839
Von Paris zurückgekehrt war und nun bei ihrer Mutter, Frau Bargiel in Berlin,
der geschiednen Frau Wiecks, wohnte. Was sein „ganzes Sinnen" in Anspruch
nahm, das war seine im Juli 1839 beim Leipziger Appellationsgericht erhobne
Klage gegen Wieck, der, taub gegen alle Bitten und Vorstellungen seiner Tochter,
die väterliche Einwilligung zu ihrer Verheiratung mit Schumann verweigerte. Das
Gericht entschied im Juli 1840 zu Gunsten Schumanns, erklärte die Weigerung
Wiecks für unbegründet und erteilte an Stelle des Vaters die Genehmigung zur
Eheschließung. Am 12. September 1340 fand die Trauung statt. Durch Wiecks
rücksichtsloses, ja grausames Verfahren war es zum vollständigen Bruch zwischen
Vater und Tochter gekommen. In einigen vertraulichen Briefen Claras aus jener
Zeit ist deutlich genug ausgesprochen, was sie Jahre hindurch zu erdulden gehabt
hatte. Eine aktenmäßige Darstellung des Prozesses findet man in Wustmanns
Aufsatz „Aus Clara Schumanns Brautzeit," Grenzboten 1896, IV, S. 506. —
Der „Stuttgarter" ist G. Schilling.


10
An C. Montag

Leipzig, den 26w- Juli 1841.

Vielen Dank, mein lieber Freund, für die letzte Sendung, und meinen
späten auch noch für Ihren Neujahrsbrief, den ich immer ausführlicher öe-
antworten wollte. Die Symphonie sin L^, die mir bald darauf in den Kopf
kam, hat alles andere verdrängt — und so vergeben Sie mir.

Ihre Compositionen sehe ich mir eben genauer an; gewiß werden sie in
der Zeitschrift besprochen und, wie Sie es selbst am liebsten wollen, offen und
aufrichtig. Sie haben, wie mir scheint, noch mit der Form zu ringen.
Schreiben Sie noch recht viel für Gesang, auch mehrstimmiges, und lassen
Sich's vorsingen. Dies wird Ihnen, glaub' ich, von Nutzen sein.

Uns geht es wohl und glücklich; mit Freuden und Bangen sehen wir
nächstem Monat entgegen. Sie verstehen mich wohl.

Sehr erwünscht wäre mir ein Bericht von Ihnen — und je eher je
lieber. Meine zwei Hauptarbeiter, Wenzel und Lorenz, sind auf Reisen —
und so liegt Alles auf mir und viel Musik noch dazu. Also ist es Ihnen
möglich, so schicken Sie mir recht bald und viel. Erinnern Sie auch Lobe
an mich und grüßen ihn. Was arbeitet er? Was Sie?

Nächsten Winter werden Sie von manchen neuen Compositionen von mir
hören — Orchestersachen — auch eine Phantasie f. Pfte. in. Orch. — viel¬
leicht auch hier selbst. Sie kommen doch auf einige Monate wieder? Meine
Iste Symphonie wird Ihnen zu denken geben, glaub' ich.

Adieu und schreiben Sie mir bald. Mit herzlichen Grüßen an die freund¬
lichen Ihrigen von meiner Frau und von mir.


Ihrergebener Schumann.
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[0180] Ungedruckte Briefe von Robert Schumann Schumann war zum Besuch bei seiner Braut gewesen, die Ende August 1839 Von Paris zurückgekehrt war und nun bei ihrer Mutter, Frau Bargiel in Berlin, der geschiednen Frau Wiecks, wohnte. Was sein „ganzes Sinnen" in Anspruch nahm, das war seine im Juli 1839 beim Leipziger Appellationsgericht erhobne Klage gegen Wieck, der, taub gegen alle Bitten und Vorstellungen seiner Tochter, die väterliche Einwilligung zu ihrer Verheiratung mit Schumann verweigerte. Das Gericht entschied im Juli 1840 zu Gunsten Schumanns, erklärte die Weigerung Wiecks für unbegründet und erteilte an Stelle des Vaters die Genehmigung zur Eheschließung. Am 12. September 1340 fand die Trauung statt. Durch Wiecks rücksichtsloses, ja grausames Verfahren war es zum vollständigen Bruch zwischen Vater und Tochter gekommen. In einigen vertraulichen Briefen Claras aus jener Zeit ist deutlich genug ausgesprochen, was sie Jahre hindurch zu erdulden gehabt hatte. Eine aktenmäßige Darstellung des Prozesses findet man in Wustmanns Aufsatz „Aus Clara Schumanns Brautzeit," Grenzboten 1896, IV, S. 506. — Der „Stuttgarter" ist G. Schilling. 10 An C. Montag Leipzig, den 26w- Juli 1841. Vielen Dank, mein lieber Freund, für die letzte Sendung, und meinen späten auch noch für Ihren Neujahrsbrief, den ich immer ausführlicher öe- antworten wollte. Die Symphonie sin L^, die mir bald darauf in den Kopf kam, hat alles andere verdrängt — und so vergeben Sie mir. Ihre Compositionen sehe ich mir eben genauer an; gewiß werden sie in der Zeitschrift besprochen und, wie Sie es selbst am liebsten wollen, offen und aufrichtig. Sie haben, wie mir scheint, noch mit der Form zu ringen. Schreiben Sie noch recht viel für Gesang, auch mehrstimmiges, und lassen Sich's vorsingen. Dies wird Ihnen, glaub' ich, von Nutzen sein. Uns geht es wohl und glücklich; mit Freuden und Bangen sehen wir nächstem Monat entgegen. Sie verstehen mich wohl. Sehr erwünscht wäre mir ein Bericht von Ihnen — und je eher je lieber. Meine zwei Hauptarbeiter, Wenzel und Lorenz, sind auf Reisen — und so liegt Alles auf mir und viel Musik noch dazu. Also ist es Ihnen möglich, so schicken Sie mir recht bald und viel. Erinnern Sie auch Lobe an mich und grüßen ihn. Was arbeitet er? Was Sie? Nächsten Winter werden Sie von manchen neuen Compositionen von mir hören — Orchestersachen — auch eine Phantasie f. Pfte. in. Orch. — viel¬ leicht auch hier selbst. Sie kommen doch auf einige Monate wieder? Meine Iste Symphonie wird Ihnen zu denken geben, glaub' ich. Adieu und schreiben Sie mir bald. Mit herzlichen Grüßen an die freund¬ lichen Ihrigen von meiner Frau und von mir. Ihrergebener Schumann.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_228301/180>, abgerufen am 29.04.2024.