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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Drittes Vierteljahr.

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Kunstsammler in Berlin
Adolf Rosenberg Von

m
e Ausstellung von Kunstwerken des Mittelalters und der Re¬
naissance, die die vor zwölf Jahren in Berlin gegründete kunst¬
geschichtliche Gesellschaft in der Zeit vom 20. Mai bis zum
3/ Juli in den Räumen der Kunstakademie veranstaltet hatte,
giebt den willkommnen Anlaß, einmal einen Blick auf die Ber¬
liner Kunstsammler von einst und jetzt zu werfen. Die der ältern Generation
sind dem lebenden Geschlecht nur noch in schwacher Erinnerung, und über ihre
Verdienste um die Kunst unsrer Zeit sind jetzt meist nur abfällige Urteile in
Umlauf. Nach 1870 ist über Berlin eine Überschwemmung mit Menschen
aus den östlichen Provinzen der Monarchie, aber leider auch aus Nußland
und Osterreich hereingebrochen, deren nüchterner Geschäftssinn mit der histo¬
rischen Vergangenheit nur dann rechnet, wenn ihre Überreste Geldcswert
haben und im Falle des Bedarfs schnell in Geld umgesetzt werden können.
Dieser Erwerbssinn ist der wachsenden oder fallenden Kunstbegeisterung, ist
allen Wandlungen des Geschmacks so schmiegsam gefolgt, daß er von kurz¬
sichtigen Angen bisweilen sogar für echten Kunstsinn gehalten wurde. Uns
dürfen die Quellen und Triebe dieses Erwerbs nicht weiter stören, wenn wir uns
ihrer Erfolge erfreuen. Aber der Rückblick auf das zerstörte Alt-Berlin ruft
uns doch schmerzliche Erinnerungen wach.

Die Künstler von heute meinen freilich, daß die Bilderkäufer während
des Zeitraums von 1820 bis 1870 nur Krämer und Knauser gewesen seien.
Aber die Preise haben auch den damaligen Ansprüchen genügt; mit dem Unter¬
schiede natürlich, der zwischen der himmelhohen Illusion des Künstlers und
dem Geschäftssinn des Käufers immer bestehen wird. Das Verdienst der
Männer, die oft in Zeiten, die für Handel und Erwerb ungünstig waren, den
Künstlern und damit der Kunst verhältnismäßig große Opfer gebracht haben,
wird erst in der wohl nicht mehr fernen Zukunft nach Gebühr gewürdigt
werden. Ihre Namen sind allerdings bis auf wenige vergessen. Man nennt
heute noch den Grafen Raczynski, der ein Ansehen als Kunstsammler genossen
hat, das seinen wirklichen Verdiensten nicht entspricht, den Konsul Wagner, dessen
Vermächtnis an König Wilhelm doch den Anstoß zur Erbauung der National-


Grenzboten III 1898 2Z


Kunstsammler in Berlin
Adolf Rosenberg Von

m
e Ausstellung von Kunstwerken des Mittelalters und der Re¬
naissance, die die vor zwölf Jahren in Berlin gegründete kunst¬
geschichtliche Gesellschaft in der Zeit vom 20. Mai bis zum
3/ Juli in den Räumen der Kunstakademie veranstaltet hatte,
giebt den willkommnen Anlaß, einmal einen Blick auf die Ber¬
liner Kunstsammler von einst und jetzt zu werfen. Die der ältern Generation
sind dem lebenden Geschlecht nur noch in schwacher Erinnerung, und über ihre
Verdienste um die Kunst unsrer Zeit sind jetzt meist nur abfällige Urteile in
Umlauf. Nach 1870 ist über Berlin eine Überschwemmung mit Menschen
aus den östlichen Provinzen der Monarchie, aber leider auch aus Nußland
und Osterreich hereingebrochen, deren nüchterner Geschäftssinn mit der histo¬
rischen Vergangenheit nur dann rechnet, wenn ihre Überreste Geldcswert
haben und im Falle des Bedarfs schnell in Geld umgesetzt werden können.
Dieser Erwerbssinn ist der wachsenden oder fallenden Kunstbegeisterung, ist
allen Wandlungen des Geschmacks so schmiegsam gefolgt, daß er von kurz¬
sichtigen Angen bisweilen sogar für echten Kunstsinn gehalten wurde. Uns
dürfen die Quellen und Triebe dieses Erwerbs nicht weiter stören, wenn wir uns
ihrer Erfolge erfreuen. Aber der Rückblick auf das zerstörte Alt-Berlin ruft
uns doch schmerzliche Erinnerungen wach.

Die Künstler von heute meinen freilich, daß die Bilderkäufer während
des Zeitraums von 1820 bis 1870 nur Krämer und Knauser gewesen seien.
Aber die Preise haben auch den damaligen Ansprüchen genügt; mit dem Unter¬
schiede natürlich, der zwischen der himmelhohen Illusion des Künstlers und
dem Geschäftssinn des Käufers immer bestehen wird. Das Verdienst der
Männer, die oft in Zeiten, die für Handel und Erwerb ungünstig waren, den
Künstlern und damit der Kunst verhältnismäßig große Opfer gebracht haben,
wird erst in der wohl nicht mehr fernen Zukunft nach Gebühr gewürdigt
werden. Ihre Namen sind allerdings bis auf wenige vergessen. Man nennt
heute noch den Grafen Raczynski, der ein Ansehen als Kunstsammler genossen
hat, das seinen wirklichen Verdiensten nicht entspricht, den Konsul Wagner, dessen
Vermächtnis an König Wilhelm doch den Anstoß zur Erbauung der National-


Grenzboten III 1898 2Z
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[0185] [Abbildung] Kunstsammler in Berlin Adolf Rosenberg Von m e Ausstellung von Kunstwerken des Mittelalters und der Re¬ naissance, die die vor zwölf Jahren in Berlin gegründete kunst¬ geschichtliche Gesellschaft in der Zeit vom 20. Mai bis zum 3/ Juli in den Räumen der Kunstakademie veranstaltet hatte, giebt den willkommnen Anlaß, einmal einen Blick auf die Ber¬ liner Kunstsammler von einst und jetzt zu werfen. Die der ältern Generation sind dem lebenden Geschlecht nur noch in schwacher Erinnerung, und über ihre Verdienste um die Kunst unsrer Zeit sind jetzt meist nur abfällige Urteile in Umlauf. Nach 1870 ist über Berlin eine Überschwemmung mit Menschen aus den östlichen Provinzen der Monarchie, aber leider auch aus Nußland und Osterreich hereingebrochen, deren nüchterner Geschäftssinn mit der histo¬ rischen Vergangenheit nur dann rechnet, wenn ihre Überreste Geldcswert haben und im Falle des Bedarfs schnell in Geld umgesetzt werden können. Dieser Erwerbssinn ist der wachsenden oder fallenden Kunstbegeisterung, ist allen Wandlungen des Geschmacks so schmiegsam gefolgt, daß er von kurz¬ sichtigen Angen bisweilen sogar für echten Kunstsinn gehalten wurde. Uns dürfen die Quellen und Triebe dieses Erwerbs nicht weiter stören, wenn wir uns ihrer Erfolge erfreuen. Aber der Rückblick auf das zerstörte Alt-Berlin ruft uns doch schmerzliche Erinnerungen wach. Die Künstler von heute meinen freilich, daß die Bilderkäufer während des Zeitraums von 1820 bis 1870 nur Krämer und Knauser gewesen seien. Aber die Preise haben auch den damaligen Ansprüchen genügt; mit dem Unter¬ schiede natürlich, der zwischen der himmelhohen Illusion des Künstlers und dem Geschäftssinn des Käufers immer bestehen wird. Das Verdienst der Männer, die oft in Zeiten, die für Handel und Erwerb ungünstig waren, den Künstlern und damit der Kunst verhältnismäßig große Opfer gebracht haben, wird erst in der wohl nicht mehr fernen Zukunft nach Gebühr gewürdigt werden. Ihre Namen sind allerdings bis auf wenige vergessen. Man nennt heute noch den Grafen Raczynski, der ein Ansehen als Kunstsammler genossen hat, das seinen wirklichen Verdiensten nicht entspricht, den Konsul Wagner, dessen Vermächtnis an König Wilhelm doch den Anstoß zur Erbauung der National- Grenzboten III 1898 2Z

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_228301/185>, abgerufen am 29.04.2024.