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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Drittes Vierteljahr.

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Der letzte Fußwandrer
v H. Schilling on

in Jahre 1950 hatte der Fahrradsport eine Verbreitung erlangt,
Von der man sich am Ende des neunzehnten Jahrhunderts noch
keine Vorstellung gemacht hatte, obgleich schon damals die Er¬
wartungen hochgespannt gewesen waren.

Dazu hatte" unter andern mehrere epochemachende Erfindungen
beigetragen. Nachdem der Kettenantrieb, dessen Nachteile sich mehr und
mehr bemerkbar gemacht hatten, schon längst durch den Zahnradantrieb erhebt worden
war, erfand ein Schneider in Kötzschenbroda das elektrische Und, das nnter dem Namen
"Patent-Unwersal-Zentral-normal-Jdealrad Elektric" oder kürzer nach den Anfangs¬
buchstaben "Puznie" schnell Verbreitung fand und seinem Erfinder ungeheure Reich¬
tümer einbrachte; hinterließ dieser doch bei seinem Tode außer einem riesigen Barver-
niögeu fünf Schlosser am Starnberger See und ausgedehnten Grundbesitz in Ungarn
und Südrußland. Bei diesem Rade werden durch die Umdrehungen der Pedal¬
kurbeln stehende elektrische Schwingungen (die schon früher bekannten Hcrtzschen
Wellen) erzeugt und wirken unmittelbar an der Welle des Triebrades, ^wodurch
man den Vorteil erzielt, daß jede Reibung wegfällt und die Übersetzung bis auf
225 gesteigert werden kann, was einer Geschwindigkeit von 48,17 Meter in der
Sekunde entspricht. Übrigens wurde durch ein Reichsgesetz wegen der mit einer solchen
Geschwindigkeit verbundnen Gefahr für den Straßenverkehr eine Übersetzung von
112,5 als Mnximalgrenze vorgeschrieben. Ein weiterer sehr bedeutender technischer
Fortschritt war die Unzerstörbare Hyperidenl-Transcendental-Pneumatik Adnuias,
"Uhtpa," die Erfindung eines jungen Technikers Namens Jahnert, der dadurch in
drei Wochen Millionär wurde. Zur Bekleidung der Radreifen verwandte dieser
eine aus Steinkohlenteer dargestellte Verbindung, die die vierfache Härte des
Dimnants hatte und das bis dahin gebräuchliche Kautschuk an Elastizität und
Biegsamkeit 3,4 mal übertraf, dabei vollständig nudurchlnssig war, eine Beschädigung
durch Nägel, spitze Steine u. dergl. unmöglich machte und niemals einer Reparatur
bedurfte. Zur Füllung wurde flüssiges Helium verwendet, das mau damals in
jedem Materialwarenladen billig erhalten konnte. Endlich darf nicht unerwähnt
bleiben, daß es gelungen war, ein durchaus stabiles Rad herzustellen, das ein
Gewicht von nur 0,5 bis 3 Kilogramm hatte, und dessen Schwerpunkt nnter der
Unterstütznngsflnche lag, so daß es sich nach Art der bekannten Stehaufchen von
selbst wieder aufrichtete, wenn es umgeworfen wurde. Auf diese Weise war es
selbst kleinen Kindern und ganz alten Leuten möglich, sich ohne jede Gefahr und
ohne nennenswerte Anstrengung dem Genuß des Radfahrens hinzugeben. So kann
es denu niemand wunder nehmen, daß um das Jahr 1950 das Radeln allgemein
eingeführt war, namentlich seitdem die gesamte Produktion auf genossenschaftlichem


Grenzboten III 1898 L4


Der letzte Fußwandrer
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in Jahre 1950 hatte der Fahrradsport eine Verbreitung erlangt,
Von der man sich am Ende des neunzehnten Jahrhunderts noch
keine Vorstellung gemacht hatte, obgleich schon damals die Er¬
wartungen hochgespannt gewesen waren.

Dazu hatte« unter andern mehrere epochemachende Erfindungen
beigetragen. Nachdem der Kettenantrieb, dessen Nachteile sich mehr und
mehr bemerkbar gemacht hatten, schon längst durch den Zahnradantrieb erhebt worden
war, erfand ein Schneider in Kötzschenbroda das elektrische Und, das nnter dem Namen
„Patent-Unwersal-Zentral-normal-Jdealrad Elektric" oder kürzer nach den Anfangs¬
buchstaben „Puznie" schnell Verbreitung fand und seinem Erfinder ungeheure Reich¬
tümer einbrachte; hinterließ dieser doch bei seinem Tode außer einem riesigen Barver-
niögeu fünf Schlosser am Starnberger See und ausgedehnten Grundbesitz in Ungarn
und Südrußland. Bei diesem Rade werden durch die Umdrehungen der Pedal¬
kurbeln stehende elektrische Schwingungen (die schon früher bekannten Hcrtzschen
Wellen) erzeugt und wirken unmittelbar an der Welle des Triebrades, ^wodurch
man den Vorteil erzielt, daß jede Reibung wegfällt und die Übersetzung bis auf
225 gesteigert werden kann, was einer Geschwindigkeit von 48,17 Meter in der
Sekunde entspricht. Übrigens wurde durch ein Reichsgesetz wegen der mit einer solchen
Geschwindigkeit verbundnen Gefahr für den Straßenverkehr eine Übersetzung von
112,5 als Mnximalgrenze vorgeschrieben. Ein weiterer sehr bedeutender technischer
Fortschritt war die Unzerstörbare Hyperidenl-Transcendental-Pneumatik Adnuias,
„Uhtpa," die Erfindung eines jungen Technikers Namens Jahnert, der dadurch in
drei Wochen Millionär wurde. Zur Bekleidung der Radreifen verwandte dieser
eine aus Steinkohlenteer dargestellte Verbindung, die die vierfache Härte des
Dimnants hatte und das bis dahin gebräuchliche Kautschuk an Elastizität und
Biegsamkeit 3,4 mal übertraf, dabei vollständig nudurchlnssig war, eine Beschädigung
durch Nägel, spitze Steine u. dergl. unmöglich machte und niemals einer Reparatur
bedurfte. Zur Füllung wurde flüssiges Helium verwendet, das mau damals in
jedem Materialwarenladen billig erhalten konnte. Endlich darf nicht unerwähnt
bleiben, daß es gelungen war, ein durchaus stabiles Rad herzustellen, das ein
Gewicht von nur 0,5 bis 3 Kilogramm hatte, und dessen Schwerpunkt nnter der
Unterstütznngsflnche lag, so daß es sich nach Art der bekannten Stehaufchen von
selbst wieder aufrichtete, wenn es umgeworfen wurde. Auf diese Weise war es
selbst kleinen Kindern und ganz alten Leuten möglich, sich ohne jede Gefahr und
ohne nennenswerte Anstrengung dem Genuß des Radfahrens hinzugeben. So kann
es denu niemand wunder nehmen, daß um das Jahr 1950 das Radeln allgemein
eingeführt war, namentlich seitdem die gesamte Produktion auf genossenschaftlichem


Grenzboten III 1898 L4
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[0193] [Abbildung] Der letzte Fußwandrer v H. Schilling on in Jahre 1950 hatte der Fahrradsport eine Verbreitung erlangt, Von der man sich am Ende des neunzehnten Jahrhunderts noch keine Vorstellung gemacht hatte, obgleich schon damals die Er¬ wartungen hochgespannt gewesen waren. Dazu hatte« unter andern mehrere epochemachende Erfindungen beigetragen. Nachdem der Kettenantrieb, dessen Nachteile sich mehr und mehr bemerkbar gemacht hatten, schon längst durch den Zahnradantrieb erhebt worden war, erfand ein Schneider in Kötzschenbroda das elektrische Und, das nnter dem Namen „Patent-Unwersal-Zentral-normal-Jdealrad Elektric" oder kürzer nach den Anfangs¬ buchstaben „Puznie" schnell Verbreitung fand und seinem Erfinder ungeheure Reich¬ tümer einbrachte; hinterließ dieser doch bei seinem Tode außer einem riesigen Barver- niögeu fünf Schlosser am Starnberger See und ausgedehnten Grundbesitz in Ungarn und Südrußland. Bei diesem Rade werden durch die Umdrehungen der Pedal¬ kurbeln stehende elektrische Schwingungen (die schon früher bekannten Hcrtzschen Wellen) erzeugt und wirken unmittelbar an der Welle des Triebrades, ^wodurch man den Vorteil erzielt, daß jede Reibung wegfällt und die Übersetzung bis auf 225 gesteigert werden kann, was einer Geschwindigkeit von 48,17 Meter in der Sekunde entspricht. Übrigens wurde durch ein Reichsgesetz wegen der mit einer solchen Geschwindigkeit verbundnen Gefahr für den Straßenverkehr eine Übersetzung von 112,5 als Mnximalgrenze vorgeschrieben. Ein weiterer sehr bedeutender technischer Fortschritt war die Unzerstörbare Hyperidenl-Transcendental-Pneumatik Adnuias, „Uhtpa," die Erfindung eines jungen Technikers Namens Jahnert, der dadurch in drei Wochen Millionär wurde. Zur Bekleidung der Radreifen verwandte dieser eine aus Steinkohlenteer dargestellte Verbindung, die die vierfache Härte des Dimnants hatte und das bis dahin gebräuchliche Kautschuk an Elastizität und Biegsamkeit 3,4 mal übertraf, dabei vollständig nudurchlnssig war, eine Beschädigung durch Nägel, spitze Steine u. dergl. unmöglich machte und niemals einer Reparatur bedurfte. Zur Füllung wurde flüssiges Helium verwendet, das mau damals in jedem Materialwarenladen billig erhalten konnte. Endlich darf nicht unerwähnt bleiben, daß es gelungen war, ein durchaus stabiles Rad herzustellen, das ein Gewicht von nur 0,5 bis 3 Kilogramm hatte, und dessen Schwerpunkt nnter der Unterstütznngsflnche lag, so daß es sich nach Art der bekannten Stehaufchen von selbst wieder aufrichtete, wenn es umgeworfen wurde. Auf diese Weise war es selbst kleinen Kindern und ganz alten Leuten möglich, sich ohne jede Gefahr und ohne nennenswerte Anstrengung dem Genuß des Radfahrens hinzugeben. So kann es denu niemand wunder nehmen, daß um das Jahr 1950 das Radeln allgemein eingeführt war, namentlich seitdem die gesamte Produktion auf genossenschaftlichem Grenzboten III 1898 L4

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_228301/193>, abgerufen am 29.04.2024.