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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Drittes Vierteljahr.

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cum sich auch der Friedensschluß zwischen Amerika und Spanien
noch eine Weile hinauszieht, so sind doch die Ereignisse längst
auf einem Punkte angelangt, von dem aus wir die Folgen dieser
merkwürdigen Kriegführung mit Sicherheit voraussagen können.
Der Krieg ist durch die Vernichtung der spanischen Flotte ent¬
schieden, daran kann keine Wendung, die noch eintreten könnte, etwas ändern.
Ob die Amerikaner den noch übrigen größern Teil von Kuba später so leicht
gewinnen werden, ob sie Kuba überhaupt noch erobern und behalten wollen, ist
fraglich, die Spanier werden die Insel jedenfalls nicht wiederbekommen und be¬
haupten. Sie werden Portoriko, an dem Amerika weit mehr gelegen ist, ver¬
lieren und dazu noch andre wichtige Punkte ihres Kolonialbesitzes, und Spanien
wird am Ende dieses Krieges seinen Platz angewiesen bekommen in der Reihe
der kleinen europäischen Staaten, die für sich gar nichts mehr bedeuten.

Die Würfel dieses kurzen Kriegsspiels haben nur äußerlich etwas ius
Reine gebracht und einen Zustand besiegelt, der in Wirklichkeit längst vorhanden
war. Es war doch eine Ironie, als vor wenigen Jahren die Großmächte
ohne jeden Anlaß diese herabgekommne Militärmacht dritten Ranges aufs neue
in ihren Kreis aufnahmen und die beiderseitigen Gesandten zu Botschaftern er¬
hoben, ein Kompliment an die historische Vergangenheit, ein Rechenfehler des
diplomatischen Zeremoniells. Der Krieg war von den Amerikanern mit der
Berechnung der Krümerseelen angezettelt worden, und wer sich nicht, wie Eng¬
land, von der Teilnahme an diesem frivolen Geschäft Vorteile versprach, konnte
mit seinen Sympathien nicht auf dieser faulen Seite stehen, das hat die öffent¬
liche Meinung des übrigen Europas im Laufe des Krieges oft genug aus¬
gesprochen. Aber das Eigentümliche war, daß sich doch auch niemand, wenn
er die Hand aufs Herz legte, aufrichtig für Spanien erwärmen konnte. Die


Gran,boten III 1898 gi


spanisches

cum sich auch der Friedensschluß zwischen Amerika und Spanien
noch eine Weile hinauszieht, so sind doch die Ereignisse längst
auf einem Punkte angelangt, von dem aus wir die Folgen dieser
merkwürdigen Kriegführung mit Sicherheit voraussagen können.
Der Krieg ist durch die Vernichtung der spanischen Flotte ent¬
schieden, daran kann keine Wendung, die noch eintreten könnte, etwas ändern.
Ob die Amerikaner den noch übrigen größern Teil von Kuba später so leicht
gewinnen werden, ob sie Kuba überhaupt noch erobern und behalten wollen, ist
fraglich, die Spanier werden die Insel jedenfalls nicht wiederbekommen und be¬
haupten. Sie werden Portoriko, an dem Amerika weit mehr gelegen ist, ver¬
lieren und dazu noch andre wichtige Punkte ihres Kolonialbesitzes, und Spanien
wird am Ende dieses Krieges seinen Platz angewiesen bekommen in der Reihe
der kleinen europäischen Staaten, die für sich gar nichts mehr bedeuten.

Die Würfel dieses kurzen Kriegsspiels haben nur äußerlich etwas ius
Reine gebracht und einen Zustand besiegelt, der in Wirklichkeit längst vorhanden
war. Es war doch eine Ironie, als vor wenigen Jahren die Großmächte
ohne jeden Anlaß diese herabgekommne Militärmacht dritten Ranges aufs neue
in ihren Kreis aufnahmen und die beiderseitigen Gesandten zu Botschaftern er¬
hoben, ein Kompliment an die historische Vergangenheit, ein Rechenfehler des
diplomatischen Zeremoniells. Der Krieg war von den Amerikanern mit der
Berechnung der Krümerseelen angezettelt worden, und wer sich nicht, wie Eng¬
land, von der Teilnahme an diesem frivolen Geschäft Vorteile versprach, konnte
mit seinen Sympathien nicht auf dieser faulen Seite stehen, das hat die öffent¬
liche Meinung des übrigen Europas im Laufe des Krieges oft genug aus¬
gesprochen. Aber das Eigentümliche war, daß sich doch auch niemand, wenn
er die Hand aufs Herz legte, aufrichtig für Spanien erwärmen konnte. Die


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[0249] [Abbildung] spanisches cum sich auch der Friedensschluß zwischen Amerika und Spanien noch eine Weile hinauszieht, so sind doch die Ereignisse längst auf einem Punkte angelangt, von dem aus wir die Folgen dieser merkwürdigen Kriegführung mit Sicherheit voraussagen können. Der Krieg ist durch die Vernichtung der spanischen Flotte ent¬ schieden, daran kann keine Wendung, die noch eintreten könnte, etwas ändern. Ob die Amerikaner den noch übrigen größern Teil von Kuba später so leicht gewinnen werden, ob sie Kuba überhaupt noch erobern und behalten wollen, ist fraglich, die Spanier werden die Insel jedenfalls nicht wiederbekommen und be¬ haupten. Sie werden Portoriko, an dem Amerika weit mehr gelegen ist, ver¬ lieren und dazu noch andre wichtige Punkte ihres Kolonialbesitzes, und Spanien wird am Ende dieses Krieges seinen Platz angewiesen bekommen in der Reihe der kleinen europäischen Staaten, die für sich gar nichts mehr bedeuten. Die Würfel dieses kurzen Kriegsspiels haben nur äußerlich etwas ius Reine gebracht und einen Zustand besiegelt, der in Wirklichkeit längst vorhanden war. Es war doch eine Ironie, als vor wenigen Jahren die Großmächte ohne jeden Anlaß diese herabgekommne Militärmacht dritten Ranges aufs neue in ihren Kreis aufnahmen und die beiderseitigen Gesandten zu Botschaftern er¬ hoben, ein Kompliment an die historische Vergangenheit, ein Rechenfehler des diplomatischen Zeremoniells. Der Krieg war von den Amerikanern mit der Berechnung der Krümerseelen angezettelt worden, und wer sich nicht, wie Eng¬ land, von der Teilnahme an diesem frivolen Geschäft Vorteile versprach, konnte mit seinen Sympathien nicht auf dieser faulen Seite stehen, das hat die öffent¬ liche Meinung des übrigen Europas im Laufe des Krieges oft genug aus¬ gesprochen. Aber das Eigentümliche war, daß sich doch auch niemand, wenn er die Hand aufs Herz legte, aufrichtig für Spanien erwärmen konnte. Die Gran,boten III 1898 gi

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_228301/249>, abgerufen am 29.04.2024.