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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Drittes Vierteljahr.

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Fürst Bismarcks Vermächtnis

ürst Bismarck hat seinem Volke kein geschriebnes, politisches
Testament hinterlassen, wie angeblich Peter der Große und that¬
sächlich Friedrich der Große; aber sein Vermächtnis liegt klar
vor uns in seinen Reden und in seinen Thaten. Suchen wir
hier, statt nur darüber zu klagen, daß auch dieser Gewaltige der
Sterblichkeit seinen Tribut zahlen mußte, nachdem er ein halbes Jahrhundert
lang das Geschick der Nation stärker bestimmt hat, als jemals ein andrer
Deutscher seit Luther, kurz zusammenzufassen, welche Lehren er uns hinter¬
lassen, welche Bahnen er für die Zukunft vorgezeichnet hat.

Er hat das Deutsche Reich aufgerichtet mit gewaltsamen Mitteln, mit
Blut und Eisen, aber nicht auf revolutionärem Wege, als einen monarchischen
Vundesstaat, nicht als einen Einheitsstaat, auf dem festen Grunde der preu¬
ßischen Großmacht durch den Anschluß der übrigen rein deutschen Staaten an
diese staatlich schon geeinigte größere Hälfte der Nation außerhalb Österreichs
und durch die Erhöhung der erblichen preußischen Krone zur erblichen deutschen
Kaiserkrone, also entsprechend der historischen Entwicklung. Er nahm den
Einzelstaaten von Hoheitsrechten nur das, was zur Herstellung einer wirk¬
samen Einheit unbedingt nötig war, um es ihnen im Bundesrat in andrer
Form wieder zurück zu geben; aber das Notwendige setzte er unbedingt und
mit voller Energie durch, um zum Ziele zu gelangen. Es war keine Phrase,
wenn er am 23. Ma 1870 im Norddeutschen Reichstage bei der Debatte
über die Aufnahme der Todesstrafe in das Strafgesetzbuch sagte: "Wir werden
mit eisernem Schritte zermalmen, was der Herstellung der deutschen Nation
in ihrer Herrlichkeit und Macht entgegensteht." Die Ereignisse des Jahres 1866
hatten es schon bewiesen. Er legte großen Wert darauf, daß die Bundes-
genossen gern und freiwillig aus Überzeugung die notwendigen Opfer an Selb-


Grenzboten III 1898 40


Fürst Bismarcks Vermächtnis

ürst Bismarck hat seinem Volke kein geschriebnes, politisches
Testament hinterlassen, wie angeblich Peter der Große und that¬
sächlich Friedrich der Große; aber sein Vermächtnis liegt klar
vor uns in seinen Reden und in seinen Thaten. Suchen wir
hier, statt nur darüber zu klagen, daß auch dieser Gewaltige der
Sterblichkeit seinen Tribut zahlen mußte, nachdem er ein halbes Jahrhundert
lang das Geschick der Nation stärker bestimmt hat, als jemals ein andrer
Deutscher seit Luther, kurz zusammenzufassen, welche Lehren er uns hinter¬
lassen, welche Bahnen er für die Zukunft vorgezeichnet hat.

Er hat das Deutsche Reich aufgerichtet mit gewaltsamen Mitteln, mit
Blut und Eisen, aber nicht auf revolutionärem Wege, als einen monarchischen
Vundesstaat, nicht als einen Einheitsstaat, auf dem festen Grunde der preu¬
ßischen Großmacht durch den Anschluß der übrigen rein deutschen Staaten an
diese staatlich schon geeinigte größere Hälfte der Nation außerhalb Österreichs
und durch die Erhöhung der erblichen preußischen Krone zur erblichen deutschen
Kaiserkrone, also entsprechend der historischen Entwicklung. Er nahm den
Einzelstaaten von Hoheitsrechten nur das, was zur Herstellung einer wirk¬
samen Einheit unbedingt nötig war, um es ihnen im Bundesrat in andrer
Form wieder zurück zu geben; aber das Notwendige setzte er unbedingt und
mit voller Energie durch, um zum Ziele zu gelangen. Es war keine Phrase,
wenn er am 23. Ma 1870 im Norddeutschen Reichstage bei der Debatte
über die Aufnahme der Todesstrafe in das Strafgesetzbuch sagte: „Wir werden
mit eisernem Schritte zermalmen, was der Herstellung der deutschen Nation
in ihrer Herrlichkeit und Macht entgegensteht." Die Ereignisse des Jahres 1866
hatten es schon bewiesen. Er legte großen Wert darauf, daß die Bundes-
genossen gern und freiwillig aus Überzeugung die notwendigen Opfer an Selb-


Grenzboten III 1898 40
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[0393] [Abbildung] Fürst Bismarcks Vermächtnis ürst Bismarck hat seinem Volke kein geschriebnes, politisches Testament hinterlassen, wie angeblich Peter der Große und that¬ sächlich Friedrich der Große; aber sein Vermächtnis liegt klar vor uns in seinen Reden und in seinen Thaten. Suchen wir hier, statt nur darüber zu klagen, daß auch dieser Gewaltige der Sterblichkeit seinen Tribut zahlen mußte, nachdem er ein halbes Jahrhundert lang das Geschick der Nation stärker bestimmt hat, als jemals ein andrer Deutscher seit Luther, kurz zusammenzufassen, welche Lehren er uns hinter¬ lassen, welche Bahnen er für die Zukunft vorgezeichnet hat. Er hat das Deutsche Reich aufgerichtet mit gewaltsamen Mitteln, mit Blut und Eisen, aber nicht auf revolutionärem Wege, als einen monarchischen Vundesstaat, nicht als einen Einheitsstaat, auf dem festen Grunde der preu¬ ßischen Großmacht durch den Anschluß der übrigen rein deutschen Staaten an diese staatlich schon geeinigte größere Hälfte der Nation außerhalb Österreichs und durch die Erhöhung der erblichen preußischen Krone zur erblichen deutschen Kaiserkrone, also entsprechend der historischen Entwicklung. Er nahm den Einzelstaaten von Hoheitsrechten nur das, was zur Herstellung einer wirk¬ samen Einheit unbedingt nötig war, um es ihnen im Bundesrat in andrer Form wieder zurück zu geben; aber das Notwendige setzte er unbedingt und mit voller Energie durch, um zum Ziele zu gelangen. Es war keine Phrase, wenn er am 23. Ma 1870 im Norddeutschen Reichstage bei der Debatte über die Aufnahme der Todesstrafe in das Strafgesetzbuch sagte: „Wir werden mit eisernem Schritte zermalmen, was der Herstellung der deutschen Nation in ihrer Herrlichkeit und Macht entgegensteht." Die Ereignisse des Jahres 1866 hatten es schon bewiesen. Er legte großen Wert darauf, daß die Bundes- genossen gern und freiwillig aus Überzeugung die notwendigen Opfer an Selb- Grenzboten III 1898 40

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_228301/393>, abgerufen am 29.04.2024.