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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Drittes Vierteljahr.

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Ludwig Goldhann

mit dem Könige sein. Ohne Erschütterungen wird es nicht abgehen, aber sie
werden ein Kinderspiel sein gegen die Erschütterungen, die der Monarchie
drohen, wenn nur an den Symptomen herumkurirt wird, anstatt daß man
dem Übel an die Wurzel geht. Ein großer Staatsmann von der Thatkraft
eines Bismarck muß dabei dem Könige zur Seite stehen. Wünschen und hoffen
wir, daß er sich unter den edeln und tüchtigen Mannern Italiens finde! Und
so scheiden wir von dem Felsen von Arpino zwar mit der bangen Frage:


Wann wird der Retter kommen diesem Lande?

aber auch mit dem begeisterten Zuruf: Lviva, it rö!


Otto Eduard Schmidt


Ludwig Goldhann

ch
on von mehr als einer Seite ist die Bedeutung, aber auch der
regsame Wettbewerb der deutsch-österreichischen Litteratur mit der
dem Deutschen Reiche entsprossenen und angehörigen hervorgehoben
worden, und fortgesetzt zeigt sich, daß nicht nur Deutsch-Österreich
neuerdings eine ganze Reihe selbständiger Talente zur Weiter¬
entwicklung der deutschen Litteratur gestellt hat (wir erinnern nur an L. Anzen-
gruber, P. K. Rosegger, Ferd. von Saar, K. E. Franzos, Maria von Ebner-
Eschenbach), sondern daß auch die Talente zweiten und dritten Ranges dort zu
ganz andrer Wirkung und Würdigung kommen als bei uns. Die Bemühungen,
selbst problematischen Talenten wie Franz Nissel, wie Moriz Reich und andern
eine Stellung in der Litteratur zu geben oder zu wahren, der Eifer, der allen
irgend berechtigten Bestrebungen ein Gedächtnismal errichtet, unterscheidet sich
beträchtlich von der Einseitigkeit, mit der man sich im Reich den Sensationen
des Augenblicks überläßt, und der Gleichgiltigkeit, die man gegen gute Namen
und Leistungen zur Schau trägt, wenn Namen und Leistungen von gestern
statt von heute sind. Ohne Frage hängt die größere Pietät der Deutsch-Öster¬
reicher für ihre österreichischen Talente, die lebendigere Teilnahme auch an be¬
scheidnern Erfolgen, zum Teile mit den politischen Verhältnissen zusammen; das
zwanzigsprachigen Österreich so vielfach bedrohte Deutschtum hat alle Ur¬
sache, sich seines Besitzes zu freuen, und an dem Maße tschechischer, kroatischer
oder ruthenischer Kunst gemessen, verdienen ja in der That auch bescheidnere
Werke deutscher Kunst eine höhere Wertschätzung. Andrerseits ist es doch eine
stärkere Empfänglichkeit und größere Lebhaftigkeit des Naturells, die sich in


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mit dem Könige sein. Ohne Erschütterungen wird es nicht abgehen, aber sie
werden ein Kinderspiel sein gegen die Erschütterungen, die der Monarchie
drohen, wenn nur an den Symptomen herumkurirt wird, anstatt daß man
dem Übel an die Wurzel geht. Ein großer Staatsmann von der Thatkraft
eines Bismarck muß dabei dem Könige zur Seite stehen. Wünschen und hoffen
wir, daß er sich unter den edeln und tüchtigen Mannern Italiens finde! Und
so scheiden wir von dem Felsen von Arpino zwar mit der bangen Frage:


Wann wird der Retter kommen diesem Lande?

aber auch mit dem begeisterten Zuruf: Lviva, it rö!


Otto Eduard Schmidt


Ludwig Goldhann

ch
on von mehr als einer Seite ist die Bedeutung, aber auch der
regsame Wettbewerb der deutsch-österreichischen Litteratur mit der
dem Deutschen Reiche entsprossenen und angehörigen hervorgehoben
worden, und fortgesetzt zeigt sich, daß nicht nur Deutsch-Österreich
neuerdings eine ganze Reihe selbständiger Talente zur Weiter¬
entwicklung der deutschen Litteratur gestellt hat (wir erinnern nur an L. Anzen-
gruber, P. K. Rosegger, Ferd. von Saar, K. E. Franzos, Maria von Ebner-
Eschenbach), sondern daß auch die Talente zweiten und dritten Ranges dort zu
ganz andrer Wirkung und Würdigung kommen als bei uns. Die Bemühungen,
selbst problematischen Talenten wie Franz Nissel, wie Moriz Reich und andern
eine Stellung in der Litteratur zu geben oder zu wahren, der Eifer, der allen
irgend berechtigten Bestrebungen ein Gedächtnismal errichtet, unterscheidet sich
beträchtlich von der Einseitigkeit, mit der man sich im Reich den Sensationen
des Augenblicks überläßt, und der Gleichgiltigkeit, die man gegen gute Namen
und Leistungen zur Schau trägt, wenn Namen und Leistungen von gestern
statt von heute sind. Ohne Frage hängt die größere Pietät der Deutsch-Öster¬
reicher für ihre österreichischen Talente, die lebendigere Teilnahme auch an be¬
scheidnern Erfolgen, zum Teile mit den politischen Verhältnissen zusammen; das
zwanzigsprachigen Österreich so vielfach bedrohte Deutschtum hat alle Ur¬
sache, sich seines Besitzes zu freuen, und an dem Maße tschechischer, kroatischer
oder ruthenischer Kunst gemessen, verdienen ja in der That auch bescheidnere
Werke deutscher Kunst eine höhere Wertschätzung. Andrerseits ist es doch eine
stärkere Empfänglichkeit und größere Lebhaftigkeit des Naturells, die sich in


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[0421] Ludwig Goldhann mit dem Könige sein. Ohne Erschütterungen wird es nicht abgehen, aber sie werden ein Kinderspiel sein gegen die Erschütterungen, die der Monarchie drohen, wenn nur an den Symptomen herumkurirt wird, anstatt daß man dem Übel an die Wurzel geht. Ein großer Staatsmann von der Thatkraft eines Bismarck muß dabei dem Könige zur Seite stehen. Wünschen und hoffen wir, daß er sich unter den edeln und tüchtigen Mannern Italiens finde! Und so scheiden wir von dem Felsen von Arpino zwar mit der bangen Frage: Wann wird der Retter kommen diesem Lande? aber auch mit dem begeisterten Zuruf: Lviva, it rö! Otto Eduard Schmidt Ludwig Goldhann ch on von mehr als einer Seite ist die Bedeutung, aber auch der regsame Wettbewerb der deutsch-österreichischen Litteratur mit der dem Deutschen Reiche entsprossenen und angehörigen hervorgehoben worden, und fortgesetzt zeigt sich, daß nicht nur Deutsch-Österreich neuerdings eine ganze Reihe selbständiger Talente zur Weiter¬ entwicklung der deutschen Litteratur gestellt hat (wir erinnern nur an L. Anzen- gruber, P. K. Rosegger, Ferd. von Saar, K. E. Franzos, Maria von Ebner- Eschenbach), sondern daß auch die Talente zweiten und dritten Ranges dort zu ganz andrer Wirkung und Würdigung kommen als bei uns. Die Bemühungen, selbst problematischen Talenten wie Franz Nissel, wie Moriz Reich und andern eine Stellung in der Litteratur zu geben oder zu wahren, der Eifer, der allen irgend berechtigten Bestrebungen ein Gedächtnismal errichtet, unterscheidet sich beträchtlich von der Einseitigkeit, mit der man sich im Reich den Sensationen des Augenblicks überläßt, und der Gleichgiltigkeit, die man gegen gute Namen und Leistungen zur Schau trägt, wenn Namen und Leistungen von gestern statt von heute sind. Ohne Frage hängt die größere Pietät der Deutsch-Öster¬ reicher für ihre österreichischen Talente, die lebendigere Teilnahme auch an be¬ scheidnern Erfolgen, zum Teile mit den politischen Verhältnissen zusammen; das zwanzigsprachigen Österreich so vielfach bedrohte Deutschtum hat alle Ur¬ sache, sich seines Besitzes zu freuen, und an dem Maße tschechischer, kroatischer oder ruthenischer Kunst gemessen, verdienen ja in der That auch bescheidnere Werke deutscher Kunst eine höhere Wertschätzung. Andrerseits ist es doch eine stärkere Empfänglichkeit und größere Lebhaftigkeit des Naturells, die sich in

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_228301/421>, abgerufen am 29.04.2024.