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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Drittes Vierteljahr.

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Die Gedichte Michelangelos

Von allen Bildungsmitteln ausgeschlossene mechanische Handarbeiter fordert,
vermöchte es die Einheit des Denkens, des Fühlens, der Sitten, mit einem
Worte der Kultur nicht aufrecht zu erhalten. Dasselbe gilt von der Degeneri-
rung; Rassenmischung ist zweifellos in vielen Füllen ihre Ursache, aber in noch
mehr Fällen kommt sie von andern Ursachen. Es ist ganz unmöglich, daß
ein Geschlecht, das in den Kellern und Hinterhäusern unsrer Großstädte ge¬
boren wird, in engen Höfen heranwächst und in Fabriken, Sudelwerkstätten
und Gruben oder in Schreibstuben -- die Kneipen nicht zu vergessen -- seine
Jünglings- und Mannesjahre zubringt, die Rasseneigenschaften der alten Ger¬
manen bewahre. Übrigens ist es mit der Degenerirung der modernen Völker
noch nicht so gar schlimm. Man mag den Jankees, die zu den am stärksten
gemischten unter den modernen Völkern gehören, noch so viel übles nachsagen,
das muß man ihnen lassen, daß sie sich in dem elend vorbereiteten Kriege,
den sie jetzt führen, tapfer schlagen, und tapfre Männer sind nicht degenerirt.
Die rasfenreinsten Asiaten sind, von rühmlichen Ausnahmen abgesehen, zu allen
Zeiten vor den Europäern einfach fortgelaufen, von den mancherlei Barbaren
anzufangen, die vor den Griechen und Mazedoniern ausrissen, bis auf die
vermeintlich männlichen Chinesen unsrer Tage.

Im einzelnen wird also wohl an Gobineaus Werke so manches zu be¬
richtigen sein, die Grundgedanken aber sind der Beachtung höchst wert; ihre
Verbreitung wird hoffentlich dazu beitragen, in dem Gewirr ethnologischer,
kulturgeschichtlicher und entwicklnngstheoretischer Meinungen einige Ordnung
zu stiften; somit muß die Übersetzung als eine verdienstliche und dankenswerte
Leistung bezeichnet werden.




Die Gedichte Michelangelos
i

ahrelang vorbereitet und mit Ungeduld von den Liebhabern dieser
Studien erwartet, liegt jetzt die neue kritische Ausgabe der Gedichte
Michelangelos vor, bearbeitet und erläutert von Professor Karl
Frey in Berlin.*) Auch die von Professor Gunsti in Florenz
im Jahre 1863 veranstaltete Ausgabe war eine kritische; sie ging
auf die Handschriften zurück und veröffentlichte die Gedichte zum erstenmal in
der Form, wie Michelangelo sie hinterlassen hatte, während sie bis dahin nur



^1 Die Dichtungen des Michelagniolo Buonarroti, herausgegeben und mit
kritischen Apparaten versehen von Dr. Karl Freu, Professor der neuern Kunstgeschichte an
der Universität Berlin, Berlin, G, Grote, 1M7,
Die Gedichte Michelangelos

Von allen Bildungsmitteln ausgeschlossene mechanische Handarbeiter fordert,
vermöchte es die Einheit des Denkens, des Fühlens, der Sitten, mit einem
Worte der Kultur nicht aufrecht zu erhalten. Dasselbe gilt von der Degeneri-
rung; Rassenmischung ist zweifellos in vielen Füllen ihre Ursache, aber in noch
mehr Fällen kommt sie von andern Ursachen. Es ist ganz unmöglich, daß
ein Geschlecht, das in den Kellern und Hinterhäusern unsrer Großstädte ge¬
boren wird, in engen Höfen heranwächst und in Fabriken, Sudelwerkstätten
und Gruben oder in Schreibstuben — die Kneipen nicht zu vergessen — seine
Jünglings- und Mannesjahre zubringt, die Rasseneigenschaften der alten Ger¬
manen bewahre. Übrigens ist es mit der Degenerirung der modernen Völker
noch nicht so gar schlimm. Man mag den Jankees, die zu den am stärksten
gemischten unter den modernen Völkern gehören, noch so viel übles nachsagen,
das muß man ihnen lassen, daß sie sich in dem elend vorbereiteten Kriege,
den sie jetzt führen, tapfer schlagen, und tapfre Männer sind nicht degenerirt.
Die rasfenreinsten Asiaten sind, von rühmlichen Ausnahmen abgesehen, zu allen
Zeiten vor den Europäern einfach fortgelaufen, von den mancherlei Barbaren
anzufangen, die vor den Griechen und Mazedoniern ausrissen, bis auf die
vermeintlich männlichen Chinesen unsrer Tage.

Im einzelnen wird also wohl an Gobineaus Werke so manches zu be¬
richtigen sein, die Grundgedanken aber sind der Beachtung höchst wert; ihre
Verbreitung wird hoffentlich dazu beitragen, in dem Gewirr ethnologischer,
kulturgeschichtlicher und entwicklnngstheoretischer Meinungen einige Ordnung
zu stiften; somit muß die Übersetzung als eine verdienstliche und dankenswerte
Leistung bezeichnet werden.




Die Gedichte Michelangelos
i

ahrelang vorbereitet und mit Ungeduld von den Liebhabern dieser
Studien erwartet, liegt jetzt die neue kritische Ausgabe der Gedichte
Michelangelos vor, bearbeitet und erläutert von Professor Karl
Frey in Berlin.*) Auch die von Professor Gunsti in Florenz
im Jahre 1863 veranstaltete Ausgabe war eine kritische; sie ging
auf die Handschriften zurück und veröffentlichte die Gedichte zum erstenmal in
der Form, wie Michelangelo sie hinterlassen hatte, während sie bis dahin nur



^1 Die Dichtungen des Michelagniolo Buonarroti, herausgegeben und mit
kritischen Apparaten versehen von Dr. Karl Freu, Professor der neuern Kunstgeschichte an
der Universität Berlin, Berlin, G, Grote, 1M7,
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[0459] Die Gedichte Michelangelos Von allen Bildungsmitteln ausgeschlossene mechanische Handarbeiter fordert, vermöchte es die Einheit des Denkens, des Fühlens, der Sitten, mit einem Worte der Kultur nicht aufrecht zu erhalten. Dasselbe gilt von der Degeneri- rung; Rassenmischung ist zweifellos in vielen Füllen ihre Ursache, aber in noch mehr Fällen kommt sie von andern Ursachen. Es ist ganz unmöglich, daß ein Geschlecht, das in den Kellern und Hinterhäusern unsrer Großstädte ge¬ boren wird, in engen Höfen heranwächst und in Fabriken, Sudelwerkstätten und Gruben oder in Schreibstuben — die Kneipen nicht zu vergessen — seine Jünglings- und Mannesjahre zubringt, die Rasseneigenschaften der alten Ger¬ manen bewahre. Übrigens ist es mit der Degenerirung der modernen Völker noch nicht so gar schlimm. Man mag den Jankees, die zu den am stärksten gemischten unter den modernen Völkern gehören, noch so viel übles nachsagen, das muß man ihnen lassen, daß sie sich in dem elend vorbereiteten Kriege, den sie jetzt führen, tapfer schlagen, und tapfre Männer sind nicht degenerirt. Die rasfenreinsten Asiaten sind, von rühmlichen Ausnahmen abgesehen, zu allen Zeiten vor den Europäern einfach fortgelaufen, von den mancherlei Barbaren anzufangen, die vor den Griechen und Mazedoniern ausrissen, bis auf die vermeintlich männlichen Chinesen unsrer Tage. Im einzelnen wird also wohl an Gobineaus Werke so manches zu be¬ richtigen sein, die Grundgedanken aber sind der Beachtung höchst wert; ihre Verbreitung wird hoffentlich dazu beitragen, in dem Gewirr ethnologischer, kulturgeschichtlicher und entwicklnngstheoretischer Meinungen einige Ordnung zu stiften; somit muß die Übersetzung als eine verdienstliche und dankenswerte Leistung bezeichnet werden. Die Gedichte Michelangelos i ahrelang vorbereitet und mit Ungeduld von den Liebhabern dieser Studien erwartet, liegt jetzt die neue kritische Ausgabe der Gedichte Michelangelos vor, bearbeitet und erläutert von Professor Karl Frey in Berlin.*) Auch die von Professor Gunsti in Florenz im Jahre 1863 veranstaltete Ausgabe war eine kritische; sie ging auf die Handschriften zurück und veröffentlichte die Gedichte zum erstenmal in der Form, wie Michelangelo sie hinterlassen hatte, während sie bis dahin nur ^1 Die Dichtungen des Michelagniolo Buonarroti, herausgegeben und mit kritischen Apparaten versehen von Dr. Karl Freu, Professor der neuern Kunstgeschichte an der Universität Berlin, Berlin, G, Grote, 1M7,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_228301/459>, abgerufen am 29.04.2024.