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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Drittes Vierteljahr.

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Die Upanischads

l
e heiligen Bücher der Inder, die ihnen für inspirirt gelten, zer¬
fallen in vier Teile: den Rigveda (Veda der Verse), Samaveda
(Veda der Gesänge), Iajurveda (Veda der Opfersprüche) und
Atharvaveda, der nach einem mythischen Priester benannt ist.
Zu einem Somaopfer gehören vier Priester, von denen der erste
Verse, der zweite Gesänge, der dritte Opsersprüche hersagt, während der vierte,
der Brahman (Oberpriester), ursprünglich kein besondres Handbuch hatte; erst
später ist der Atharvaveda, "eine Sammlung aus apokryphen Materialien,"
zu ihm in Beziehung gebracht worden. Außer dem Handbuch, das seine Veda-
sprüche oder Lieder enthält, bedarf jeder der vier Priester noch zwei andre
Handbücher mit Anweisungen und Erklärungen, von denen das erste wieder in
drei Abteilungen zerfüllt. Die letzte Abteilung heißt Vedcmta oder Upanischad
und enthält theologische und philosophische Betrachtungen über das Wesen der
Dinge. Jede der vier Veden hat zahlreiche Schulen, die ihre eignen Upanischads
hervorgebracht haben. Im Jahre 1656 ließ der Sultan Mohammed Dara
Schakoh indische Gelehrte aus Benares nach Delhi kommen und von ihnen
fünfzig Upanischads ins Persische übersetzen. Die Sammlung wurde Onpnekhat
genannt und ist von Anquetil Duperron ins Lateinische übersetzt worden. Eine
vollständigere Sammlung, die die Upanischads des Oupuekhat einschließt, nebst
erklärenden Einleitungen giebt das unten angeführte Buch in deutscher Über¬
setzung.*)

Für den Nichtfachmann, der bloß zur Vervollständigung seiner allgemeinen
Bildung wissen will, welche Stellung im Geistesleben der Menschheit die indische
Weisheit einnimmt, kommen bei der Beurteilung der Veden und Upanischads
vier Fragen in Betracht: Zeichnet sich der indische Pantheismus vor dem der
europäischen Schulen durch philosophische Tiefe oder poetische Schönheit und
Kraft der Darstellung in dem Maße aus, daß die Verbreitung seiner Kenntnis
über die Gelehrtenkreise hinaus wünschenswert erscheinen müßte? Wie verhält



*> Sechzig Upanischads des Veda, aus dem Sanskrit iiberselzt und mit Einleitungen
und Anmerkungen versehen von v>', Paul Deußen, Professor an der Universität Kiel, Leipzig,
F. A. Brockhaus, 1897.


Die Upanischads

l
e heiligen Bücher der Inder, die ihnen für inspirirt gelten, zer¬
fallen in vier Teile: den Rigveda (Veda der Verse), Samaveda
(Veda der Gesänge), Iajurveda (Veda der Opfersprüche) und
Atharvaveda, der nach einem mythischen Priester benannt ist.
Zu einem Somaopfer gehören vier Priester, von denen der erste
Verse, der zweite Gesänge, der dritte Opsersprüche hersagt, während der vierte,
der Brahman (Oberpriester), ursprünglich kein besondres Handbuch hatte; erst
später ist der Atharvaveda, „eine Sammlung aus apokryphen Materialien,"
zu ihm in Beziehung gebracht worden. Außer dem Handbuch, das seine Veda-
sprüche oder Lieder enthält, bedarf jeder der vier Priester noch zwei andre
Handbücher mit Anweisungen und Erklärungen, von denen das erste wieder in
drei Abteilungen zerfüllt. Die letzte Abteilung heißt Vedcmta oder Upanischad
und enthält theologische und philosophische Betrachtungen über das Wesen der
Dinge. Jede der vier Veden hat zahlreiche Schulen, die ihre eignen Upanischads
hervorgebracht haben. Im Jahre 1656 ließ der Sultan Mohammed Dara
Schakoh indische Gelehrte aus Benares nach Delhi kommen und von ihnen
fünfzig Upanischads ins Persische übersetzen. Die Sammlung wurde Onpnekhat
genannt und ist von Anquetil Duperron ins Lateinische übersetzt worden. Eine
vollständigere Sammlung, die die Upanischads des Oupuekhat einschließt, nebst
erklärenden Einleitungen giebt das unten angeführte Buch in deutscher Über¬
setzung.*)

Für den Nichtfachmann, der bloß zur Vervollständigung seiner allgemeinen
Bildung wissen will, welche Stellung im Geistesleben der Menschheit die indische
Weisheit einnimmt, kommen bei der Beurteilung der Veden und Upanischads
vier Fragen in Betracht: Zeichnet sich der indische Pantheismus vor dem der
europäischen Schulen durch philosophische Tiefe oder poetische Schönheit und
Kraft der Darstellung in dem Maße aus, daß die Verbreitung seiner Kenntnis
über die Gelehrtenkreise hinaus wünschenswert erscheinen müßte? Wie verhält



*> Sechzig Upanischads des Veda, aus dem Sanskrit iiberselzt und mit Einleitungen
und Anmerkungen versehen von v>', Paul Deußen, Professor an der Universität Kiel, Leipzig,
F. A. Brockhaus, 1897.
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[0556] [Abbildung] Die Upanischads l e heiligen Bücher der Inder, die ihnen für inspirirt gelten, zer¬ fallen in vier Teile: den Rigveda (Veda der Verse), Samaveda (Veda der Gesänge), Iajurveda (Veda der Opfersprüche) und Atharvaveda, der nach einem mythischen Priester benannt ist. Zu einem Somaopfer gehören vier Priester, von denen der erste Verse, der zweite Gesänge, der dritte Opsersprüche hersagt, während der vierte, der Brahman (Oberpriester), ursprünglich kein besondres Handbuch hatte; erst später ist der Atharvaveda, „eine Sammlung aus apokryphen Materialien," zu ihm in Beziehung gebracht worden. Außer dem Handbuch, das seine Veda- sprüche oder Lieder enthält, bedarf jeder der vier Priester noch zwei andre Handbücher mit Anweisungen und Erklärungen, von denen das erste wieder in drei Abteilungen zerfüllt. Die letzte Abteilung heißt Vedcmta oder Upanischad und enthält theologische und philosophische Betrachtungen über das Wesen der Dinge. Jede der vier Veden hat zahlreiche Schulen, die ihre eignen Upanischads hervorgebracht haben. Im Jahre 1656 ließ der Sultan Mohammed Dara Schakoh indische Gelehrte aus Benares nach Delhi kommen und von ihnen fünfzig Upanischads ins Persische übersetzen. Die Sammlung wurde Onpnekhat genannt und ist von Anquetil Duperron ins Lateinische übersetzt worden. Eine vollständigere Sammlung, die die Upanischads des Oupuekhat einschließt, nebst erklärenden Einleitungen giebt das unten angeführte Buch in deutscher Über¬ setzung.*) Für den Nichtfachmann, der bloß zur Vervollständigung seiner allgemeinen Bildung wissen will, welche Stellung im Geistesleben der Menschheit die indische Weisheit einnimmt, kommen bei der Beurteilung der Veden und Upanischads vier Fragen in Betracht: Zeichnet sich der indische Pantheismus vor dem der europäischen Schulen durch philosophische Tiefe oder poetische Schönheit und Kraft der Darstellung in dem Maße aus, daß die Verbreitung seiner Kenntnis über die Gelehrtenkreise hinaus wünschenswert erscheinen müßte? Wie verhält *> Sechzig Upanischads des Veda, aus dem Sanskrit iiberselzt und mit Einleitungen und Anmerkungen versehen von v>', Paul Deußen, Professor an der Universität Kiel, Leipzig, F. A. Brockhaus, 1897.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_228301/556>, abgerufen am 29.04.2024.