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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Drittes Vierteljahr.

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Die Sozialdemokratie im Beamtentum

Über den Häuptern der Bürger schwebt, sondern sie tritt menschlich unter die
Menschen und läßt sich in ihrer Werkstätte beschauen. Dadurch wurde das
Recht zum wahren, von allen gekannten Volksrecht, zur Volkssitte; das Volk
selbst war das lebendige Buch der Gesetze. Daß endlich auch durch ein solches
Verfahren der Sinn des Volks für öffentliche Angelegenheiten unterhalten
und genährt wurde, liegt auf der Hand; in demselben Grade, in dem später
das Volk von der Rechtspflege ausgeschlossen wurde und die Kenntnis seines
Rechts einbüßte, verflachte sich auch das Interesse für das Gemeinwesen."

Darstellung und Sprache des nützlichen Büchleins lassen hie und da den
guten Geschmack und die Gewandtheit im Ausdruck ein wenig vermissen. Die
lächerlichen "Faktoren" sollten in einem ernsthaften Buche gar nicht mehr vor¬
kommen, besonders nicht, wenn ein unfreiwilliger Witz daraus wird, wie S. 88,
wo die Eltern dem Kinde als "diejenigen Faktoren" gelten, "welche" usw.
S. 3 wird der Bauer der ersten Hälfte des Mittelalters der Parler Deutsch¬
lands genannt; ein unangenehmer Druckfehler!




Die Sozialdemokratie im Beamtentum

ozialdemokraten dürfen nicht Beamte sein, weder Staats- noch
Gemeindebeamte, solange die öffentliche Gewalt auf dem Boden
unsrer Gesellschaftsordnung als zu Recht bestehend gelten soll.
Die Sozialdemokratie bekämpft diese Ordnung grundsätzlich, sie
untergräbt die Treue und die Disziplin der Beamten und sucht
dadurch mit allem Vorbedacht den Staat der Machtmittel zu berauben, die er
zur Selbsterhaltung am allerwenigsten entbehren kann. Zudem hat der Staat
die Pflicht, durch strengen Ausschluß der Sozmldemokraten von seinem Dienst,
dem unmittelbaren wie dem mittelbaren, dem Volke keinen Zweifel darüber zu
lassen, daß die Sozialdemokratie mit seiner Ordnung unverträglich, und daß
der unzufriedne Arbeiter und Beamte, wenn er sich zur sozialdemokratischen
Partei schlägt, zum Staatsfeinde wird. Bei den Sozialdemokraten fliegt hinaus,
wer uichtsozialdemokratischer Gesinnung verdächtig erscheint; der Staat hat
wenigstens den öffentlichen Beamten, die Sozialdemokraten sind, die Thür zu
weisen. Das ist einfach selbstverständlich, und wenn dem neuen Reichstage so
wenig Vaterlandsliebe und so viel politische Narrheit zuzutrauen wäre, daß er
dem deutschen Volke einen sozialdemokratischen Präsidenten zumuten wollte, so
hätten die verbündeten Regierungen erst recht die Pflicht, unzweideutig den
Feind als Feind zu bezeichnen und jeden Schein eines Pales mit ihm von sich


Die Sozialdemokratie im Beamtentum

Über den Häuptern der Bürger schwebt, sondern sie tritt menschlich unter die
Menschen und läßt sich in ihrer Werkstätte beschauen. Dadurch wurde das
Recht zum wahren, von allen gekannten Volksrecht, zur Volkssitte; das Volk
selbst war das lebendige Buch der Gesetze. Daß endlich auch durch ein solches
Verfahren der Sinn des Volks für öffentliche Angelegenheiten unterhalten
und genährt wurde, liegt auf der Hand; in demselben Grade, in dem später
das Volk von der Rechtspflege ausgeschlossen wurde und die Kenntnis seines
Rechts einbüßte, verflachte sich auch das Interesse für das Gemeinwesen."

Darstellung und Sprache des nützlichen Büchleins lassen hie und da den
guten Geschmack und die Gewandtheit im Ausdruck ein wenig vermissen. Die
lächerlichen „Faktoren" sollten in einem ernsthaften Buche gar nicht mehr vor¬
kommen, besonders nicht, wenn ein unfreiwilliger Witz daraus wird, wie S. 88,
wo die Eltern dem Kinde als „diejenigen Faktoren" gelten, „welche" usw.
S. 3 wird der Bauer der ersten Hälfte des Mittelalters der Parler Deutsch¬
lands genannt; ein unangenehmer Druckfehler!




Die Sozialdemokratie im Beamtentum

ozialdemokraten dürfen nicht Beamte sein, weder Staats- noch
Gemeindebeamte, solange die öffentliche Gewalt auf dem Boden
unsrer Gesellschaftsordnung als zu Recht bestehend gelten soll.
Die Sozialdemokratie bekämpft diese Ordnung grundsätzlich, sie
untergräbt die Treue und die Disziplin der Beamten und sucht
dadurch mit allem Vorbedacht den Staat der Machtmittel zu berauben, die er
zur Selbsterhaltung am allerwenigsten entbehren kann. Zudem hat der Staat
die Pflicht, durch strengen Ausschluß der Sozmldemokraten von seinem Dienst,
dem unmittelbaren wie dem mittelbaren, dem Volke keinen Zweifel darüber zu
lassen, daß die Sozialdemokratie mit seiner Ordnung unverträglich, und daß
der unzufriedne Arbeiter und Beamte, wenn er sich zur sozialdemokratischen
Partei schlägt, zum Staatsfeinde wird. Bei den Sozialdemokraten fliegt hinaus,
wer uichtsozialdemokratischer Gesinnung verdächtig erscheint; der Staat hat
wenigstens den öffentlichen Beamten, die Sozialdemokraten sind, die Thür zu
weisen. Das ist einfach selbstverständlich, und wenn dem neuen Reichstage so
wenig Vaterlandsliebe und so viel politische Narrheit zuzutrauen wäre, daß er
dem deutschen Volke einen sozialdemokratischen Präsidenten zumuten wollte, so
hätten die verbündeten Regierungen erst recht die Pflicht, unzweideutig den
Feind als Feind zu bezeichnen und jeden Schein eines Pales mit ihm von sich


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[0066] Die Sozialdemokratie im Beamtentum Über den Häuptern der Bürger schwebt, sondern sie tritt menschlich unter die Menschen und läßt sich in ihrer Werkstätte beschauen. Dadurch wurde das Recht zum wahren, von allen gekannten Volksrecht, zur Volkssitte; das Volk selbst war das lebendige Buch der Gesetze. Daß endlich auch durch ein solches Verfahren der Sinn des Volks für öffentliche Angelegenheiten unterhalten und genährt wurde, liegt auf der Hand; in demselben Grade, in dem später das Volk von der Rechtspflege ausgeschlossen wurde und die Kenntnis seines Rechts einbüßte, verflachte sich auch das Interesse für das Gemeinwesen." Darstellung und Sprache des nützlichen Büchleins lassen hie und da den guten Geschmack und die Gewandtheit im Ausdruck ein wenig vermissen. Die lächerlichen „Faktoren" sollten in einem ernsthaften Buche gar nicht mehr vor¬ kommen, besonders nicht, wenn ein unfreiwilliger Witz daraus wird, wie S. 88, wo die Eltern dem Kinde als „diejenigen Faktoren" gelten, „welche" usw. S. 3 wird der Bauer der ersten Hälfte des Mittelalters der Parler Deutsch¬ lands genannt; ein unangenehmer Druckfehler! Die Sozialdemokratie im Beamtentum ozialdemokraten dürfen nicht Beamte sein, weder Staats- noch Gemeindebeamte, solange die öffentliche Gewalt auf dem Boden unsrer Gesellschaftsordnung als zu Recht bestehend gelten soll. Die Sozialdemokratie bekämpft diese Ordnung grundsätzlich, sie untergräbt die Treue und die Disziplin der Beamten und sucht dadurch mit allem Vorbedacht den Staat der Machtmittel zu berauben, die er zur Selbsterhaltung am allerwenigsten entbehren kann. Zudem hat der Staat die Pflicht, durch strengen Ausschluß der Sozmldemokraten von seinem Dienst, dem unmittelbaren wie dem mittelbaren, dem Volke keinen Zweifel darüber zu lassen, daß die Sozialdemokratie mit seiner Ordnung unverträglich, und daß der unzufriedne Arbeiter und Beamte, wenn er sich zur sozialdemokratischen Partei schlägt, zum Staatsfeinde wird. Bei den Sozialdemokraten fliegt hinaus, wer uichtsozialdemokratischer Gesinnung verdächtig erscheint; der Staat hat wenigstens den öffentlichen Beamten, die Sozialdemokraten sind, die Thür zu weisen. Das ist einfach selbstverständlich, und wenn dem neuen Reichstage so wenig Vaterlandsliebe und so viel politische Narrheit zuzutrauen wäre, daß er dem deutschen Volke einen sozialdemokratischen Präsidenten zumuten wollte, so hätten die verbündeten Regierungen erst recht die Pflicht, unzweideutig den Feind als Feind zu bezeichnen und jeden Schein eines Pales mit ihm von sich

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_228301/66>, abgerufen am 29.04.2024.