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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Viertes Vierteljahr.

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Line plattdeutsche Dichterin

Mütter oder Großmütter aus dem Handelsstande haben, und zwar nicht durch¬
weg arische, denen es die Familie verdankt, daß sie sich auf dem Gute halten
konnte, daß jedoch dieser Wechsel dem Staate bis jetzt uicht das mindeste ge¬
schadet hat, da die radikalsten Liberalen (heute giebt es solche gar nicht mehr),
sobald sie in den Besitz eines Ritterguts gelangen, eifrig konservativ zu werden
pflegen (was die heutigen Kommerzienräte auch ohne Rittergut schon sind).
Wäre aber die Meinung von der staatserhaltenden Kraft der alten Familien
richtig, so gäbe es kein ungeeigneteres Mittel, sie auf ihren Gütern zu halten,
als hohe Getreidepreise, weil diese, wie wir gesehen haben, allemal einen leb¬
haften Güterhandel erzengen. Röscher erzählt (System II, S. 373 der zwölften
Auflage) von Niebuhr, dieser habe gemeint, daß unter hundert adlichen Guts¬
besitzern schwerlich mehr als einer sei, der sein Gut nicht lieber einem Kerl,
der im Zuchthause gesessen habe, verkaufte, als einem Vetter, wenn es ein
hübsches Sümmchen Differenz gelte.")




(Line plattdeutsche Dichterin

in Jahre 1857 erschien eine Sammlung plattdeutscher Gedichte:
En por Blomen ut Annmariek Schulter ehren Gören von
A. W., herausgegeben von Fritz Reuter. Sie fand viel An¬
klang, wurde unter andern von Klaus Groth und K. Th. Gädertz
warm begrüßt und erlebte in wenigen Jahren mehrere Auflagen.
Die Dichterin ist also keine neue Erscheinung in der Schar unsrer Lyriker;
wohl aber ist sie seit längerer Zeit mehr als billig in den Hintergrund ge¬
treten. Die Auswahl ihrer besten Schöpfungen, die Marx Möller vor zwei
Jahren herausgegeben hat."*) hat gewiß schon viele dankbare Leser gefunden;
aber da sich die litterarische Reklame nach keiner Richtung dafür ins Zeug
gelegt hat, so ist auch diese Auswahl noch nicht nach Verdienst bekannt ge¬
worden. Daß der eine und der andre plattdeutsche Rezitator gelegentlich
einige der besten Gedichte vorträgt, wirkt nicht genug zu ihrer Verbreitung-
So denke ich denn, die Leser der Grenzboten, die weniger auf das Modische
als auf das wirklich Gute sehen, werden mir dankbar sein, wenn ich sie mit
dieser Dichterin bekannt mache.




Dieser Aufsatz ist das erste Kapitel einer Schrift über die Agrarkrisis, die nach Neujahr
bei Fr. Wilh, Grunow erscheinen wird.
Blomen ut Annmariek Schulter ehren Gören. Greifswald, Julius Abel, 189L.
Line plattdeutsche Dichterin

Mütter oder Großmütter aus dem Handelsstande haben, und zwar nicht durch¬
weg arische, denen es die Familie verdankt, daß sie sich auf dem Gute halten
konnte, daß jedoch dieser Wechsel dem Staate bis jetzt uicht das mindeste ge¬
schadet hat, da die radikalsten Liberalen (heute giebt es solche gar nicht mehr),
sobald sie in den Besitz eines Ritterguts gelangen, eifrig konservativ zu werden
pflegen (was die heutigen Kommerzienräte auch ohne Rittergut schon sind).
Wäre aber die Meinung von der staatserhaltenden Kraft der alten Familien
richtig, so gäbe es kein ungeeigneteres Mittel, sie auf ihren Gütern zu halten,
als hohe Getreidepreise, weil diese, wie wir gesehen haben, allemal einen leb¬
haften Güterhandel erzengen. Röscher erzählt (System II, S. 373 der zwölften
Auflage) von Niebuhr, dieser habe gemeint, daß unter hundert adlichen Guts¬
besitzern schwerlich mehr als einer sei, der sein Gut nicht lieber einem Kerl,
der im Zuchthause gesessen habe, verkaufte, als einem Vetter, wenn es ein
hübsches Sümmchen Differenz gelte.")




(Line plattdeutsche Dichterin

in Jahre 1857 erschien eine Sammlung plattdeutscher Gedichte:
En por Blomen ut Annmariek Schulter ehren Gören von
A. W., herausgegeben von Fritz Reuter. Sie fand viel An¬
klang, wurde unter andern von Klaus Groth und K. Th. Gädertz
warm begrüßt und erlebte in wenigen Jahren mehrere Auflagen.
Die Dichterin ist also keine neue Erscheinung in der Schar unsrer Lyriker;
wohl aber ist sie seit längerer Zeit mehr als billig in den Hintergrund ge¬
treten. Die Auswahl ihrer besten Schöpfungen, die Marx Möller vor zwei
Jahren herausgegeben hat."*) hat gewiß schon viele dankbare Leser gefunden;
aber da sich die litterarische Reklame nach keiner Richtung dafür ins Zeug
gelegt hat, so ist auch diese Auswahl noch nicht nach Verdienst bekannt ge¬
worden. Daß der eine und der andre plattdeutsche Rezitator gelegentlich
einige der besten Gedichte vorträgt, wirkt nicht genug zu ihrer Verbreitung-
So denke ich denn, die Leser der Grenzboten, die weniger auf das Modische
als auf das wirklich Gute sehen, werden mir dankbar sein, wenn ich sie mit
dieser Dichterin bekannt mache.




Dieser Aufsatz ist das erste Kapitel einer Schrift über die Agrarkrisis, die nach Neujahr
bei Fr. Wilh, Grunow erscheinen wird.
Blomen ut Annmariek Schulter ehren Gören. Greifswald, Julius Abel, 189L.
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[0537] Line plattdeutsche Dichterin Mütter oder Großmütter aus dem Handelsstande haben, und zwar nicht durch¬ weg arische, denen es die Familie verdankt, daß sie sich auf dem Gute halten konnte, daß jedoch dieser Wechsel dem Staate bis jetzt uicht das mindeste ge¬ schadet hat, da die radikalsten Liberalen (heute giebt es solche gar nicht mehr), sobald sie in den Besitz eines Ritterguts gelangen, eifrig konservativ zu werden pflegen (was die heutigen Kommerzienräte auch ohne Rittergut schon sind). Wäre aber die Meinung von der staatserhaltenden Kraft der alten Familien richtig, so gäbe es kein ungeeigneteres Mittel, sie auf ihren Gütern zu halten, als hohe Getreidepreise, weil diese, wie wir gesehen haben, allemal einen leb¬ haften Güterhandel erzengen. Röscher erzählt (System II, S. 373 der zwölften Auflage) von Niebuhr, dieser habe gemeint, daß unter hundert adlichen Guts¬ besitzern schwerlich mehr als einer sei, der sein Gut nicht lieber einem Kerl, der im Zuchthause gesessen habe, verkaufte, als einem Vetter, wenn es ein hübsches Sümmchen Differenz gelte.") (Line plattdeutsche Dichterin in Jahre 1857 erschien eine Sammlung plattdeutscher Gedichte: En por Blomen ut Annmariek Schulter ehren Gören von A. W., herausgegeben von Fritz Reuter. Sie fand viel An¬ klang, wurde unter andern von Klaus Groth und K. Th. Gädertz warm begrüßt und erlebte in wenigen Jahren mehrere Auflagen. Die Dichterin ist also keine neue Erscheinung in der Schar unsrer Lyriker; wohl aber ist sie seit längerer Zeit mehr als billig in den Hintergrund ge¬ treten. Die Auswahl ihrer besten Schöpfungen, die Marx Möller vor zwei Jahren herausgegeben hat."*) hat gewiß schon viele dankbare Leser gefunden; aber da sich die litterarische Reklame nach keiner Richtung dafür ins Zeug gelegt hat, so ist auch diese Auswahl noch nicht nach Verdienst bekannt ge¬ worden. Daß der eine und der andre plattdeutsche Rezitator gelegentlich einige der besten Gedichte vorträgt, wirkt nicht genug zu ihrer Verbreitung- So denke ich denn, die Leser der Grenzboten, die weniger auf das Modische als auf das wirklich Gute sehen, werden mir dankbar sein, wenn ich sie mit dieser Dichterin bekannt mache. Dieser Aufsatz ist das erste Kapitel einer Schrift über die Agrarkrisis, die nach Neujahr bei Fr. Wilh, Grunow erscheinen wird. Blomen ut Annmariek Schulter ehren Gören. Greifswald, Julius Abel, 189L.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_228947/537>, abgerufen am 01.05.2024.