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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Viertes Vierteljahr.

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Zum Schluß erhob sich noch Scherer, Rechtsanwalt beim Reichsgericht, der
schlankweg "die gegenwärtige Art des Strafvollzugs als durchaus zweck¬
entsprechend" bezeichnete und daran die Bemerkung knüpfte, "der Strafzweck
könne durch die Deportation auch nicht annähernd gleichwertig erreicht werden."
Darauf schloß sich die Plenarversammlung mit großer Majorität dem ab¬
lehnenden Beschlusse der Abteilung an.

Über die Bedeutung dieser beiden Voden kann ich mich kurz fassen. Aus
dem Verlaufe des diesjährigen deutschen Juristentages zu Posen geht hervor,
daß die so überaus wichtige und schwierige Frage der Deportation in durchaus
ungenügender^) Weise -- um nicht einen schärfern Ausdruck zu gebrauchen --
behandelt worden ist. Auf die starke Majorität der Gegner, die sich bei
der Abstimmung herausstellte, wird kein besondres Gewicht zu legen sein,
u^cum man bedenkt, von welchen Zufälligkeiten der Besuch solcher Wander¬
versammlungen abhängt. Nur sehr wenige der Herren Juristen, die in Posen
über die Deportationsfrage zu Gericht gesessen haben, werden, wenn sie der
Wahrheit die Ehre geben wollen, behaupten können, daß sie sich vorher mit
^eher dem Gebiete der Kriminal-, Kolonial- und Sozialpolitik angehörigen,
^echt schwierigen Frage eingehend beschäftigt haben. Ist dem aber so, so ist
auch durch die Posener Abstimmung die Deportationsfrage noch nicht, wie
ewige der Deportation feindliche Blätter naiv genug waren zu behaupten, aus
der Welt geschafft worden.

Die Deportationsidee ist an sich zu gesund; sie wird sich trotz des Votums
w Posen und trotz des augenblicklichen Widerspruchs einflußreicher Gegner
"onAg inglas llclsi zur Wirklichkeit durchringen zum Nutzen und Frommen
bes deutschen Vaterlandes.




politische Reisebetrachtungen aus dem deutschen Süden
(Schluß)

reiburg, die Schöpfung Bertholds von Zähringen, des letzten
großen Alemannenherzogs, bietet ein passendes Beispiel für die
Folgen dieser Knechtschaft in der Sprache. In der armen
Unterstadt, wo die Arbeiter wohnen, hält man an der trauten
Sprache der Heimat fest; die höhern Stände, die in der Ober¬
sprechen natürlich das entsetzliche Schweizer-Französisch, dem



*) Wi Die Red. r müssen leider sagen: in ganz oberflächlicher und unwürdiger Weise!

Zum Schluß erhob sich noch Scherer, Rechtsanwalt beim Reichsgericht, der
schlankweg „die gegenwärtige Art des Strafvollzugs als durchaus zweck¬
entsprechend" bezeichnete und daran die Bemerkung knüpfte, „der Strafzweck
könne durch die Deportation auch nicht annähernd gleichwertig erreicht werden."
Darauf schloß sich die Plenarversammlung mit großer Majorität dem ab¬
lehnenden Beschlusse der Abteilung an.

Über die Bedeutung dieser beiden Voden kann ich mich kurz fassen. Aus
dem Verlaufe des diesjährigen deutschen Juristentages zu Posen geht hervor,
daß die so überaus wichtige und schwierige Frage der Deportation in durchaus
ungenügender^) Weise — um nicht einen schärfern Ausdruck zu gebrauchen —
behandelt worden ist. Auf die starke Majorität der Gegner, die sich bei
der Abstimmung herausstellte, wird kein besondres Gewicht zu legen sein,
u^cum man bedenkt, von welchen Zufälligkeiten der Besuch solcher Wander¬
versammlungen abhängt. Nur sehr wenige der Herren Juristen, die in Posen
über die Deportationsfrage zu Gericht gesessen haben, werden, wenn sie der
Wahrheit die Ehre geben wollen, behaupten können, daß sie sich vorher mit
^eher dem Gebiete der Kriminal-, Kolonial- und Sozialpolitik angehörigen,
^echt schwierigen Frage eingehend beschäftigt haben. Ist dem aber so, so ist
auch durch die Posener Abstimmung die Deportationsfrage noch nicht, wie
ewige der Deportation feindliche Blätter naiv genug waren zu behaupten, aus
der Welt geschafft worden.

Die Deportationsidee ist an sich zu gesund; sie wird sich trotz des Votums
w Posen und trotz des augenblicklichen Widerspruchs einflußreicher Gegner
"onAg inglas llclsi zur Wirklichkeit durchringen zum Nutzen und Frommen
bes deutschen Vaterlandes.




politische Reisebetrachtungen aus dem deutschen Süden
(Schluß)

reiburg, die Schöpfung Bertholds von Zähringen, des letzten
großen Alemannenherzogs, bietet ein passendes Beispiel für die
Folgen dieser Knechtschaft in der Sprache. In der armen
Unterstadt, wo die Arbeiter wohnen, hält man an der trauten
Sprache der Heimat fest; die höhern Stände, die in der Ober¬
sprechen natürlich das entsetzliche Schweizer-Französisch, dem



*) Wi Die Red. r müssen leider sagen: in ganz oberflächlicher und unwürdiger Weise!
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[0582] Zum Schluß erhob sich noch Scherer, Rechtsanwalt beim Reichsgericht, der schlankweg „die gegenwärtige Art des Strafvollzugs als durchaus zweck¬ entsprechend" bezeichnete und daran die Bemerkung knüpfte, „der Strafzweck könne durch die Deportation auch nicht annähernd gleichwertig erreicht werden." Darauf schloß sich die Plenarversammlung mit großer Majorität dem ab¬ lehnenden Beschlusse der Abteilung an. Über die Bedeutung dieser beiden Voden kann ich mich kurz fassen. Aus dem Verlaufe des diesjährigen deutschen Juristentages zu Posen geht hervor, daß die so überaus wichtige und schwierige Frage der Deportation in durchaus ungenügender^) Weise — um nicht einen schärfern Ausdruck zu gebrauchen — behandelt worden ist. Auf die starke Majorität der Gegner, die sich bei der Abstimmung herausstellte, wird kein besondres Gewicht zu legen sein, u^cum man bedenkt, von welchen Zufälligkeiten der Besuch solcher Wander¬ versammlungen abhängt. Nur sehr wenige der Herren Juristen, die in Posen über die Deportationsfrage zu Gericht gesessen haben, werden, wenn sie der Wahrheit die Ehre geben wollen, behaupten können, daß sie sich vorher mit ^eher dem Gebiete der Kriminal-, Kolonial- und Sozialpolitik angehörigen, ^echt schwierigen Frage eingehend beschäftigt haben. Ist dem aber so, so ist auch durch die Posener Abstimmung die Deportationsfrage noch nicht, wie ewige der Deportation feindliche Blätter naiv genug waren zu behaupten, aus der Welt geschafft worden. Die Deportationsidee ist an sich zu gesund; sie wird sich trotz des Votums w Posen und trotz des augenblicklichen Widerspruchs einflußreicher Gegner "onAg inglas llclsi zur Wirklichkeit durchringen zum Nutzen und Frommen bes deutschen Vaterlandes. politische Reisebetrachtungen aus dem deutschen Süden (Schluß) reiburg, die Schöpfung Bertholds von Zähringen, des letzten großen Alemannenherzogs, bietet ein passendes Beispiel für die Folgen dieser Knechtschaft in der Sprache. In der armen Unterstadt, wo die Arbeiter wohnen, hält man an der trauten Sprache der Heimat fest; die höhern Stände, die in der Ober¬ sprechen natürlich das entsetzliche Schweizer-Französisch, dem *) Wi Die Red. r müssen leider sagen: in ganz oberflächlicher und unwürdiger Weise!

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_228947/582>, abgerufen am 01.05.2024.