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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Viertes Vierteljahr.

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August ^trindbergs Inferno
und sein Übertritt zur katholischen Kirche

meer der Leitung des tüchtigen schwedischen Kritikers und Schrift¬
stellers Gustaf als Geijerstam erscheint seit diesem Jahr ein neues
Unternehmen, das uns mit der jüngsten skandinavischen Litteratur
bekannt machen soll.*) Den Neigen hat August Strindberg mit
Inferno eröffnet, einem Buche, das in keiner der landesüblichen
Klassen untergebracht werden kann und werden will. Es belehrt nur hier
und da, unterhält wenig und macht überhaupt in seiner ganzen Anlage und
mit seinem Hauptinhalt meist einen geradezu unerfreulichen Eindruck. Dennoch
ist es interessant, höchst interessant, weil es diesen merkwürdigen Menschen
und Schriftsteller von einer ganz neuen Seite und nun wohl auch in seinem
letzten Stadium zeigt.

Das Eigentümliche in der Persönlichkeit August Strindbergs dürfte in
weitern Kreisen nicht ganz unbekannt sein; es ist neuerdings wieder in einem
Buche dargelegt worden, das allen Freunden der skandinavischen Litteratur
nicht dringend genug empfohlen werden kann: in den Nordischen Meister-
nvvellen von Ernst Brausewetter (Berlin, Schuster und Löffler, 1896).**)
Vieles begreift sich von vornherein aus dem Ursprung des Dichters, der von
einer "Magd" und einem heruntergekommuen Adlichen abstammt: zeigen doch
auch seine Züge einen seltsamen Widerstreit zwischen bäurischer Derbheit und
feinen Rassemerkmalen. So fühlt sich Strindberg zunächst als ein Sohn des
Volkes, es hält ihn bei der demokratischen Partei mit klammernden Organen
und treibt ihn schließlich in den Sozialismus und Kommunismus. Dann
aber regen sich in ihm die adlichen Instinkte, sie werden verstärkt durch das




Skandinavische Bibliothek, herausgegeben von Gustaf uf Geijerstam, Berlin, Georg
Bondi, und Stockholm, C. und <5, Gernandt, 18W, I; die einzelnen Werke kommen gleichzeitig
schwedisch und deutsch heraus.
Wir wünschen und hoffen, daß von diesen Novellen recht bald eine neue Folge und
auch eine neue Auflage erscheint. Für diese möchten wir den Übersetzer aber doch um mehr
Berücksichtigung des äußern Lebenslaufes und besonders um Angabe der wichtigsten Daten
dringend bitten: der Dichter wird nicht bloß aus seiner innern und schriftstellerischen Ent¬
wicklung begriffen (diese spiegelt sich ja in Vrauscwctters Chnrnkterskizzen meist ganz vortrefflich
wieder), sondern auch uns seinen sozialen Verhältnissen und den Ereignissen seines Lebens.


August ^trindbergs Inferno
und sein Übertritt zur katholischen Kirche

meer der Leitung des tüchtigen schwedischen Kritikers und Schrift¬
stellers Gustaf als Geijerstam erscheint seit diesem Jahr ein neues
Unternehmen, das uns mit der jüngsten skandinavischen Litteratur
bekannt machen soll.*) Den Neigen hat August Strindberg mit
Inferno eröffnet, einem Buche, das in keiner der landesüblichen
Klassen untergebracht werden kann und werden will. Es belehrt nur hier
und da, unterhält wenig und macht überhaupt in seiner ganzen Anlage und
mit seinem Hauptinhalt meist einen geradezu unerfreulichen Eindruck. Dennoch
ist es interessant, höchst interessant, weil es diesen merkwürdigen Menschen
und Schriftsteller von einer ganz neuen Seite und nun wohl auch in seinem
letzten Stadium zeigt.

Das Eigentümliche in der Persönlichkeit August Strindbergs dürfte in
weitern Kreisen nicht ganz unbekannt sein; es ist neuerdings wieder in einem
Buche dargelegt worden, das allen Freunden der skandinavischen Litteratur
nicht dringend genug empfohlen werden kann: in den Nordischen Meister-
nvvellen von Ernst Brausewetter (Berlin, Schuster und Löffler, 1896).**)
Vieles begreift sich von vornherein aus dem Ursprung des Dichters, der von
einer „Magd" und einem heruntergekommuen Adlichen abstammt: zeigen doch
auch seine Züge einen seltsamen Widerstreit zwischen bäurischer Derbheit und
feinen Rassemerkmalen. So fühlt sich Strindberg zunächst als ein Sohn des
Volkes, es hält ihn bei der demokratischen Partei mit klammernden Organen
und treibt ihn schließlich in den Sozialismus und Kommunismus. Dann
aber regen sich in ihm die adlichen Instinkte, sie werden verstärkt durch das




Skandinavische Bibliothek, herausgegeben von Gustaf uf Geijerstam, Berlin, Georg
Bondi, und Stockholm, C. und <5, Gernandt, 18W, I; die einzelnen Werke kommen gleichzeitig
schwedisch und deutsch heraus.
Wir wünschen und hoffen, daß von diesen Novellen recht bald eine neue Folge und
auch eine neue Auflage erscheint. Für diese möchten wir den Übersetzer aber doch um mehr
Berücksichtigung des äußern Lebenslaufes und besonders um Angabe der wichtigsten Daten
dringend bitten: der Dichter wird nicht bloß aus seiner innern und schriftstellerischen Ent¬
wicklung begriffen (diese spiegelt sich ja in Vrauscwctters Chnrnkterskizzen meist ganz vortrefflich
wieder), sondern auch uns seinen sozialen Verhältnissen und den Ereignissen seines Lebens.
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[0593] [Abbildung] August ^trindbergs Inferno und sein Übertritt zur katholischen Kirche meer der Leitung des tüchtigen schwedischen Kritikers und Schrift¬ stellers Gustaf als Geijerstam erscheint seit diesem Jahr ein neues Unternehmen, das uns mit der jüngsten skandinavischen Litteratur bekannt machen soll.*) Den Neigen hat August Strindberg mit Inferno eröffnet, einem Buche, das in keiner der landesüblichen Klassen untergebracht werden kann und werden will. Es belehrt nur hier und da, unterhält wenig und macht überhaupt in seiner ganzen Anlage und mit seinem Hauptinhalt meist einen geradezu unerfreulichen Eindruck. Dennoch ist es interessant, höchst interessant, weil es diesen merkwürdigen Menschen und Schriftsteller von einer ganz neuen Seite und nun wohl auch in seinem letzten Stadium zeigt. Das Eigentümliche in der Persönlichkeit August Strindbergs dürfte in weitern Kreisen nicht ganz unbekannt sein; es ist neuerdings wieder in einem Buche dargelegt worden, das allen Freunden der skandinavischen Litteratur nicht dringend genug empfohlen werden kann: in den Nordischen Meister- nvvellen von Ernst Brausewetter (Berlin, Schuster und Löffler, 1896).**) Vieles begreift sich von vornherein aus dem Ursprung des Dichters, der von einer „Magd" und einem heruntergekommuen Adlichen abstammt: zeigen doch auch seine Züge einen seltsamen Widerstreit zwischen bäurischer Derbheit und feinen Rassemerkmalen. So fühlt sich Strindberg zunächst als ein Sohn des Volkes, es hält ihn bei der demokratischen Partei mit klammernden Organen und treibt ihn schließlich in den Sozialismus und Kommunismus. Dann aber regen sich in ihm die adlichen Instinkte, sie werden verstärkt durch das Skandinavische Bibliothek, herausgegeben von Gustaf uf Geijerstam, Berlin, Georg Bondi, und Stockholm, C. und <5, Gernandt, 18W, I; die einzelnen Werke kommen gleichzeitig schwedisch und deutsch heraus. Wir wünschen und hoffen, daß von diesen Novellen recht bald eine neue Folge und auch eine neue Auflage erscheint. Für diese möchten wir den Übersetzer aber doch um mehr Berücksichtigung des äußern Lebenslaufes und besonders um Angabe der wichtigsten Daten dringend bitten: der Dichter wird nicht bloß aus seiner innern und schriftstellerischen Ent¬ wicklung begriffen (diese spiegelt sich ja in Vrauscwctters Chnrnkterskizzen meist ganz vortrefflich wieder), sondern auch uns seinen sozialen Verhältnissen und den Ereignissen seines Lebens.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_228947/593>, abgerufen am 01.05.2024.