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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr.

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keit etwaiger, diese Successionsfähigkeit aussprechender Landesgesetze wird
zur Zeit (d. h. vor dem Ableben des Grasregenten Ernst oder des
kranken Fürsten Alexander) nicht eingetreten;
3. die Wirksamkeit derartiger Akte der Landesgesetzgebung unterliegt,
sobald a-vllo links. sein wird und Schaumburg-Lippe den Bundesrat des¬
halb anruft, der Nachprüfung durch den Bundesrat.

Dieses war meine Meinung. Zorn trat ihr im wesentlichen bei, sprach
sich aber dahin aus, daß die sachliche Erledigung vom Bundesrat sogleich
vorgenommen werden könne und aus praktischen Gründen auch sogleich vor¬
genommen werden müsse, rechtlich sei indessen dem Bundesrat die Möglichkeit
gegeben, seine sachliche Entscheidung nach Bejahung seiner Zuständigkeit noch
auszusetzen.

Prüft man nun die Absätze 2 und 3 des Bundesratsbeschlusfes, so ergiebt
sich, daß er auch hier den oben vorgetragnen Ansichten vollkommen beigetreten
ist, wenn auch unentschieden bleibt, ob er sich auf den Standpunkt der aotio
Hom, Ma imtg. gestellt hat, oder ob er angenommen hat, er könne zwar die
sachliche Entscheidung schon jetzt vornehmen, aus praktischen Gründen aber
hiervon Abstand nehmen.

Absatz 2 des Beschlusses besagt nämlich nichts andres, als daß die sach¬
liche Entscheidung über die Ebenbürtigkeit der Söhne des Grafregenten erst dann
möglich oder wenigstens notwendig ist, wenn die Thronfolge eines dieser Söhne
unmittelbar in Frage steht.

Absatz 3 stellt fest, daß eine, zugleich mit der sachlichen Entscheidung über
die Thronfolgefähigkeit der Söhne des Grafen Ernst später vorzunehmende
Nachprüfung über die Wirksamkeit der Akte der Lippischen Landesgesetzgebuug
gegenüber den von Schaumburg-Lippe erhobnen Thronfolge- und Regen tschafts-
ansprüchen dem Bundesrate kraft seiner Zuständigkeit vorbehalten bleibt.


3

Sucht man sich nun die Wirkung des Beschlusses für die streitenden Teile
klar zu machen, so ergiebt sich: Schaumburg-Lippe hat die Sicherheit gewonnen,
daß seine vermeintlichen Rechte nicht durch einseitige Akte der Landesgesetz¬
gebung, die ja in diesem Falle Partei ist, geschmälert werden können. Es hat
ferner eine unparteiische Instanz erlangt, die den Streit über die Thronfolge¬
fähigkeit der jüngsten Generation des Hauses Lippe-Biesterfeld, sobald diese Frage
aktuell ist, nach Recht und Gesetz entscheiden wird. Lippe-Biesterfeld sieht sich
allerdings der Möglichkeit beraubt, die Streitfrage einseitig und unter Beiseite¬
setzung der Rechte der widersprechenden Agnaten mit dem bei angemessener
jährlicher Abgabe aus dem Domanialvermögen an die Landeskasse vielleicht
willfährigen Landtage des Fürstentums zu beendigen.

Dafür hat es aber die Gewißheit, für den Fall, daß dereinst der Bundes-


Grenzboten I 1889 1?
keit etwaiger, diese Successionsfähigkeit aussprechender Landesgesetze wird
zur Zeit (d. h. vor dem Ableben des Grasregenten Ernst oder des
kranken Fürsten Alexander) nicht eingetreten;
3. die Wirksamkeit derartiger Akte der Landesgesetzgebung unterliegt,
sobald a-vllo links. sein wird und Schaumburg-Lippe den Bundesrat des¬
halb anruft, der Nachprüfung durch den Bundesrat.

Dieses war meine Meinung. Zorn trat ihr im wesentlichen bei, sprach
sich aber dahin aus, daß die sachliche Erledigung vom Bundesrat sogleich
vorgenommen werden könne und aus praktischen Gründen auch sogleich vor¬
genommen werden müsse, rechtlich sei indessen dem Bundesrat die Möglichkeit
gegeben, seine sachliche Entscheidung nach Bejahung seiner Zuständigkeit noch
auszusetzen.

Prüft man nun die Absätze 2 und 3 des Bundesratsbeschlusfes, so ergiebt
sich, daß er auch hier den oben vorgetragnen Ansichten vollkommen beigetreten
ist, wenn auch unentschieden bleibt, ob er sich auf den Standpunkt der aotio
Hom, Ma imtg. gestellt hat, oder ob er angenommen hat, er könne zwar die
sachliche Entscheidung schon jetzt vornehmen, aus praktischen Gründen aber
hiervon Abstand nehmen.

Absatz 2 des Beschlusses besagt nämlich nichts andres, als daß die sach¬
liche Entscheidung über die Ebenbürtigkeit der Söhne des Grafregenten erst dann
möglich oder wenigstens notwendig ist, wenn die Thronfolge eines dieser Söhne
unmittelbar in Frage steht.

Absatz 3 stellt fest, daß eine, zugleich mit der sachlichen Entscheidung über
die Thronfolgefähigkeit der Söhne des Grafen Ernst später vorzunehmende
Nachprüfung über die Wirksamkeit der Akte der Lippischen Landesgesetzgebuug
gegenüber den von Schaumburg-Lippe erhobnen Thronfolge- und Regen tschafts-
ansprüchen dem Bundesrate kraft seiner Zuständigkeit vorbehalten bleibt.


3

Sucht man sich nun die Wirkung des Beschlusses für die streitenden Teile
klar zu machen, so ergiebt sich: Schaumburg-Lippe hat die Sicherheit gewonnen,
daß seine vermeintlichen Rechte nicht durch einseitige Akte der Landesgesetz¬
gebung, die ja in diesem Falle Partei ist, geschmälert werden können. Es hat
ferner eine unparteiische Instanz erlangt, die den Streit über die Thronfolge¬
fähigkeit der jüngsten Generation des Hauses Lippe-Biesterfeld, sobald diese Frage
aktuell ist, nach Recht und Gesetz entscheiden wird. Lippe-Biesterfeld sieht sich
allerdings der Möglichkeit beraubt, die Streitfrage einseitig und unter Beiseite¬
setzung der Rechte der widersprechenden Agnaten mit dem bei angemessener
jährlicher Abgabe aus dem Domanialvermögen an die Landeskasse vielleicht
willfährigen Landtage des Fürstentums zu beendigen.

Dafür hat es aber die Gewißheit, für den Fall, daß dereinst der Bundes-


Grenzboten I 1889 1?
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_229685/137>, abgerufen am 07.05.2024.