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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr.

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Die litterarische Bildung am Rhein im vorigen Jahrhundert

lichen Macht erwies sich hier als unausführbar. Das eigentliche hierarchische
Mittelalter wurde durch die Ideen einer neuen Zeit und einer neuen Kultur
befruchtet und der Renaissance entgegengeführt. Im Laufe des Kampfes ent¬
sprang aber zwischen Islam und Christentum ein unversöhnlicher Haß und
eine wachsende Verbitterung, die um so tiefer und grimmiger wurde, als der
große Kampf, der immer mehr zum Neligionskampf wurde, ohne eine eigent¬
liche Entscheidung zu Ende ging. Im Gegensatz zu den friedlichen Beziehungen
der Vergangenheit schienen Christentum und Islam nicht mehr friedlich mit
einander leben zu können. Die Leidenschaften hatten sich auf beiden Seiten
entzündet, eine lange Reihe blutiger Thaten hatte einen unversöhnlichen Haß
erzeugt, der immer von neuem sein trauriges Recht gefordert, bis in unsre
Tage hinein die Entwicklung ganzer Nationen beherrscht und den Frieden
Europas gefährdet hat.

(Schluß folgt)




Die litterarische Bildung am Rhein
im vorigen Jahrhundert
Joseph Joesten von in
(Schluß)

n dem alten Köln war viel Lesen nicht Sache des damaligen
Kölners, wie viele Schulen er auch besucht hatte. Hier und da
las man den "Kölnischen Diogenes," noch mehr die in Volks¬
kreisen beliebte "Pafeporzer Bibliothek, gedruckt in diesem Jahre."
Nur die Musik war die Lieblingskunst des Kölners damals, wie
heute. Auch das Theater war des Kölners Hochgenuß. Hatte schon in der
reichsstädtischen Zeit (1770 bis 1794) das Jcsnitenkollegium ein Theater,
das alljährlich seine a,e,t,lors8 aufführte, so erfreute sich Köln schon 1782
eines stehenden Theaters. Uns vorliegende Theaterzettel unter den Direk¬
toren von Kurz, Böhm, Klos und Koberwein melden u. a. von folgenden Auf¬
führungen -- die Opern wollen wir hier übergehen: Am 13. Januar 1782
das Drama "Johann Faust," zweite Vorstellung; dann Lessings "Minna von
Varnhelm"; "Macbeth" von Shakespeare; "Die Jäger." "Der Spieler," "Ver¬
brechen aus Ehrsucht." "Die Mündel" von Iffland. Fiesko, Hamlet. Romeo
und Julie (Direktion Böhm). Am 19. Oktober 1786 wurde unter der Direktion
von Klos dem Andenken Lessings eine Trauerkantate gewidmet; die Bühne stellte


Die litterarische Bildung am Rhein im vorigen Jahrhundert

lichen Macht erwies sich hier als unausführbar. Das eigentliche hierarchische
Mittelalter wurde durch die Ideen einer neuen Zeit und einer neuen Kultur
befruchtet und der Renaissance entgegengeführt. Im Laufe des Kampfes ent¬
sprang aber zwischen Islam und Christentum ein unversöhnlicher Haß und
eine wachsende Verbitterung, die um so tiefer und grimmiger wurde, als der
große Kampf, der immer mehr zum Neligionskampf wurde, ohne eine eigent¬
liche Entscheidung zu Ende ging. Im Gegensatz zu den friedlichen Beziehungen
der Vergangenheit schienen Christentum und Islam nicht mehr friedlich mit
einander leben zu können. Die Leidenschaften hatten sich auf beiden Seiten
entzündet, eine lange Reihe blutiger Thaten hatte einen unversöhnlichen Haß
erzeugt, der immer von neuem sein trauriges Recht gefordert, bis in unsre
Tage hinein die Entwicklung ganzer Nationen beherrscht und den Frieden
Europas gefährdet hat.

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Die litterarische Bildung am Rhein
im vorigen Jahrhundert
Joseph Joesten von in
(Schluß)

n dem alten Köln war viel Lesen nicht Sache des damaligen
Kölners, wie viele Schulen er auch besucht hatte. Hier und da
las man den „Kölnischen Diogenes," noch mehr die in Volks¬
kreisen beliebte „Pafeporzer Bibliothek, gedruckt in diesem Jahre."
Nur die Musik war die Lieblingskunst des Kölners damals, wie
heute. Auch das Theater war des Kölners Hochgenuß. Hatte schon in der
reichsstädtischen Zeit (1770 bis 1794) das Jcsnitenkollegium ein Theater,
das alljährlich seine a,e,t,lors8 aufführte, so erfreute sich Köln schon 1782
eines stehenden Theaters. Uns vorliegende Theaterzettel unter den Direk¬
toren von Kurz, Böhm, Klos und Koberwein melden u. a. von folgenden Auf¬
führungen — die Opern wollen wir hier übergehen: Am 13. Januar 1782
das Drama „Johann Faust," zweite Vorstellung; dann Lessings „Minna von
Varnhelm"; „Macbeth" von Shakespeare; „Die Jäger." „Der Spieler," „Ver¬
brechen aus Ehrsucht." „Die Mündel" von Iffland. Fiesko, Hamlet. Romeo
und Julie (Direktion Böhm). Am 19. Oktober 1786 wurde unter der Direktion
von Klos dem Andenken Lessings eine Trauerkantate gewidmet; die Bühne stellte


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[0322] Die litterarische Bildung am Rhein im vorigen Jahrhundert lichen Macht erwies sich hier als unausführbar. Das eigentliche hierarchische Mittelalter wurde durch die Ideen einer neuen Zeit und einer neuen Kultur befruchtet und der Renaissance entgegengeführt. Im Laufe des Kampfes ent¬ sprang aber zwischen Islam und Christentum ein unversöhnlicher Haß und eine wachsende Verbitterung, die um so tiefer und grimmiger wurde, als der große Kampf, der immer mehr zum Neligionskampf wurde, ohne eine eigent¬ liche Entscheidung zu Ende ging. Im Gegensatz zu den friedlichen Beziehungen der Vergangenheit schienen Christentum und Islam nicht mehr friedlich mit einander leben zu können. Die Leidenschaften hatten sich auf beiden Seiten entzündet, eine lange Reihe blutiger Thaten hatte einen unversöhnlichen Haß erzeugt, der immer von neuem sein trauriges Recht gefordert, bis in unsre Tage hinein die Entwicklung ganzer Nationen beherrscht und den Frieden Europas gefährdet hat. (Schluß folgt) Die litterarische Bildung am Rhein im vorigen Jahrhundert Joseph Joesten von in (Schluß) n dem alten Köln war viel Lesen nicht Sache des damaligen Kölners, wie viele Schulen er auch besucht hatte. Hier und da las man den „Kölnischen Diogenes," noch mehr die in Volks¬ kreisen beliebte „Pafeporzer Bibliothek, gedruckt in diesem Jahre." Nur die Musik war die Lieblingskunst des Kölners damals, wie heute. Auch das Theater war des Kölners Hochgenuß. Hatte schon in der reichsstädtischen Zeit (1770 bis 1794) das Jcsnitenkollegium ein Theater, das alljährlich seine a,e,t,lors8 aufführte, so erfreute sich Köln schon 1782 eines stehenden Theaters. Uns vorliegende Theaterzettel unter den Direk¬ toren von Kurz, Böhm, Klos und Koberwein melden u. a. von folgenden Auf¬ führungen — die Opern wollen wir hier übergehen: Am 13. Januar 1782 das Drama „Johann Faust," zweite Vorstellung; dann Lessings „Minna von Varnhelm"; „Macbeth" von Shakespeare; „Die Jäger." „Der Spieler," „Ver¬ brechen aus Ehrsucht." „Die Mündel" von Iffland. Fiesko, Hamlet. Romeo und Julie (Direktion Böhm). Am 19. Oktober 1786 wurde unter der Direktion von Klos dem Andenken Lessings eine Trauerkantate gewidmet; die Bühne stellte

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_229685/322>, abgerufen am 07.05.2024.