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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr.

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Reiiihold

Beispiel, um ehrliche Mitarbeit an einer großen Aufgabe, mag sie auch nicht
gleich riesenhafte Gewinne verheißen. Daran aber hat es nur zu sehr gefehlt.
Das ist eine Schuld, und -- alle Schuld rächt sich auf Erden. Wenn sich
jetzt der Hanseat den Kolonien zuwendet und sie nicht nach seinem Sinne ein¬
gerichtet findet, so lasse er nicht nur seinen Groll an denen aus, die dort ge¬
arbeitet und sich geopfert haben, sondern schlage auch einmal an seine eigne
Brust!

Aber die Zeit der Mißverständnisse ist im Schwinden und möge niemals
wiederkehren. Küstenbewohner und Binnenländer werden sich in Zukunft nicht
mehr bekämpfen, sondern sich, wie es den Söhnen einer gewaltigen Mutter
zukommt, gegenseitig fördern und ergänzen, beiden zum Heile und dem Reiche
zur Ehre!




Reinhold
Lari Ientsch von

er Jurist, dessen Berufung auf einen Lehrstuhl der National¬
ökonomie im Sommer 1897 so großes Aufsehen erregt hat, legt
uns in einem Bande von 632 und XVI klein gedruckten Seiten
groß 8° das Gesamtergebnis seiner bisherigen Studien vor unter
dem Titel: Die bewegenden Kräfte der Volkswirtschaft
(Leipzig, C. L. Hirschfeld, 1898). Das Buch enthält außer Volkswirtschaft
auch Philosophie, Politik und verschiednes andre, ist also eine Art Encyklo¬
pädie. Da nicht viele die Geduld haben werden, sich durchzuarbeiten, könnte
man es unberücksichtigt lassen; aber der Verfasser ist Lehrer der akademischen
Jugend, und da halte ich es doch für eine Pflicht, auf die eigentümliche
Lebensweisheit, die Karl Theodor Reinhold jedenfalls auch seinen Studenten
verkündigt, hinzuweisen. Nicht in denunziatorischer Absicht; ich bin ganz ebenso
wie Reinhold (S. 443) davon überzeugt, daß es eine "große Verkehrtheit"
ist, "der Lehrfreiheit auf den Universitäten, der Wirksamkeit der Geistlichen und
Beamten Schranken anzuweisen und der vielleicht irrenden, aber redlichen Über¬
zeugung den Mund zu verbinden"; sondern weil eben doch der gebildete Teil
des Volkes ein Interesse daran hat, es zu erfahren, daß auf der Universität
Lehren vorgetragen werden, die gewissen, allgemein als selbstverständlich an-
genommnen Glaubensmeinungen und Grundsätzen widersprechen. Ich kann hier
natürlich nicht das ganze Buch kritisieren, sondern muß mich auf einige Haupt¬
punkte beschränken.


Reiiihold

Beispiel, um ehrliche Mitarbeit an einer großen Aufgabe, mag sie auch nicht
gleich riesenhafte Gewinne verheißen. Daran aber hat es nur zu sehr gefehlt.
Das ist eine Schuld, und — alle Schuld rächt sich auf Erden. Wenn sich
jetzt der Hanseat den Kolonien zuwendet und sie nicht nach seinem Sinne ein¬
gerichtet findet, so lasse er nicht nur seinen Groll an denen aus, die dort ge¬
arbeitet und sich geopfert haben, sondern schlage auch einmal an seine eigne
Brust!

Aber die Zeit der Mißverständnisse ist im Schwinden und möge niemals
wiederkehren. Küstenbewohner und Binnenländer werden sich in Zukunft nicht
mehr bekämpfen, sondern sich, wie es den Söhnen einer gewaltigen Mutter
zukommt, gegenseitig fördern und ergänzen, beiden zum Heile und dem Reiche
zur Ehre!




Reinhold
Lari Ientsch von

er Jurist, dessen Berufung auf einen Lehrstuhl der National¬
ökonomie im Sommer 1897 so großes Aufsehen erregt hat, legt
uns in einem Bande von 632 und XVI klein gedruckten Seiten
groß 8° das Gesamtergebnis seiner bisherigen Studien vor unter
dem Titel: Die bewegenden Kräfte der Volkswirtschaft
(Leipzig, C. L. Hirschfeld, 1898). Das Buch enthält außer Volkswirtschaft
auch Philosophie, Politik und verschiednes andre, ist also eine Art Encyklo¬
pädie. Da nicht viele die Geduld haben werden, sich durchzuarbeiten, könnte
man es unberücksichtigt lassen; aber der Verfasser ist Lehrer der akademischen
Jugend, und da halte ich es doch für eine Pflicht, auf die eigentümliche
Lebensweisheit, die Karl Theodor Reinhold jedenfalls auch seinen Studenten
verkündigt, hinzuweisen. Nicht in denunziatorischer Absicht; ich bin ganz ebenso
wie Reinhold (S. 443) davon überzeugt, daß es eine „große Verkehrtheit"
ist, „der Lehrfreiheit auf den Universitäten, der Wirksamkeit der Geistlichen und
Beamten Schranken anzuweisen und der vielleicht irrenden, aber redlichen Über¬
zeugung den Mund zu verbinden"; sondern weil eben doch der gebildete Teil
des Volkes ein Interesse daran hat, es zu erfahren, daß auf der Universität
Lehren vorgetragen werden, die gewissen, allgemein als selbstverständlich an-
genommnen Glaubensmeinungen und Grundsätzen widersprechen. Ich kann hier
natürlich nicht das ganze Buch kritisieren, sondern muß mich auf einige Haupt¬
punkte beschränken.


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[0358] Reiiihold Beispiel, um ehrliche Mitarbeit an einer großen Aufgabe, mag sie auch nicht gleich riesenhafte Gewinne verheißen. Daran aber hat es nur zu sehr gefehlt. Das ist eine Schuld, und — alle Schuld rächt sich auf Erden. Wenn sich jetzt der Hanseat den Kolonien zuwendet und sie nicht nach seinem Sinne ein¬ gerichtet findet, so lasse er nicht nur seinen Groll an denen aus, die dort ge¬ arbeitet und sich geopfert haben, sondern schlage auch einmal an seine eigne Brust! Aber die Zeit der Mißverständnisse ist im Schwinden und möge niemals wiederkehren. Küstenbewohner und Binnenländer werden sich in Zukunft nicht mehr bekämpfen, sondern sich, wie es den Söhnen einer gewaltigen Mutter zukommt, gegenseitig fördern und ergänzen, beiden zum Heile und dem Reiche zur Ehre! Reinhold Lari Ientsch von er Jurist, dessen Berufung auf einen Lehrstuhl der National¬ ökonomie im Sommer 1897 so großes Aufsehen erregt hat, legt uns in einem Bande von 632 und XVI klein gedruckten Seiten groß 8° das Gesamtergebnis seiner bisherigen Studien vor unter dem Titel: Die bewegenden Kräfte der Volkswirtschaft (Leipzig, C. L. Hirschfeld, 1898). Das Buch enthält außer Volkswirtschaft auch Philosophie, Politik und verschiednes andre, ist also eine Art Encyklo¬ pädie. Da nicht viele die Geduld haben werden, sich durchzuarbeiten, könnte man es unberücksichtigt lassen; aber der Verfasser ist Lehrer der akademischen Jugend, und da halte ich es doch für eine Pflicht, auf die eigentümliche Lebensweisheit, die Karl Theodor Reinhold jedenfalls auch seinen Studenten verkündigt, hinzuweisen. Nicht in denunziatorischer Absicht; ich bin ganz ebenso wie Reinhold (S. 443) davon überzeugt, daß es eine „große Verkehrtheit" ist, „der Lehrfreiheit auf den Universitäten, der Wirksamkeit der Geistlichen und Beamten Schranken anzuweisen und der vielleicht irrenden, aber redlichen Über¬ zeugung den Mund zu verbinden"; sondern weil eben doch der gebildete Teil des Volkes ein Interesse daran hat, es zu erfahren, daß auf der Universität Lehren vorgetragen werden, die gewissen, allgemein als selbstverständlich an- genommnen Glaubensmeinungen und Grundsätzen widersprechen. Ich kann hier natürlich nicht das ganze Buch kritisieren, sondern muß mich auf einige Haupt¬ punkte beschränken.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_229685/358>, abgerufen am 06.05.2024.