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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Zweites Vierteljahr.

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Me Bayern ein moderner Staat wurde

und den Erzeugungskosten des Ambroids entsprechende Preisfestsetzung den
Unterschied zwischen Natur- und Preßbernstein kennzeichnen.

Wie aber kann den großen Stücken Bernstein bei dieser Sachlage der
bisher sür sie gezahlte Überpreis erhalten werden, wenn die früher dafür ma߬
gebende Seltenheit wegfällt? Nur durch eine entsprechende Veredlung mittels
kunstgewerblicher Verarbeitung, bei de'r eben die Eigenschaften vorzugs¬
weise berücksichtigt werden, die den Naturstein vor dem Preßbernstein aus¬
zeichnen, vor allem die Dauerhaftigkeit der äußern Erscheinung, die allerdings
auch bei dem Naturbernstein dadurch beschränkt ist, daß sich seine Oberflächen
im Laufe der Zeit mit einer dunklern Oxhdationsschicht überziehen.

(Schluß folgt)




it)le Bayern ein moderner Htaat wurde
Eine sa'kularerinnernng
(Schluß)

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^M-"le Lage, die Max Joseph bei seiner Thronbesteigung vorfand, war
über die Maßen schwierig: leere Kassen, Verkommenheit in allen
Zweigen des öffentlichen Dienstes, und auf den Gemütern ein
dumpfer Druck, der selbst das Hoffen lähmte. Wenn nicht alles
verloren gehn sollte, so bedürfte es jetzt der kräftigsten und
weisesten Reformen, das begriff der Kurfürst mit seinem redlichen Wohlwollen
so gut wie Montgelas mit seinem Scharfsinn. Es galt, an uralte Formen die
Axt zu legen, die Kluft, die einzelne Stände getrennt hatte, mußte wenigstens
einigermaßen überbrückt werden, indem man Rechte und Pflichten billiger ver¬
teilte; der Verwilderung, in der die Massen lebten, konnte mir eine gediegne
Schule abhelfen. Kurzum, es blieb kein andrer Weg, als eine völlig neue
liberale Gesetzgebung.

Für den Kurfürsten war der Entschluß nicht leicht, und man muß in der
That den Heroismus bewundern, womit er die Traditionen seiner Person den
Bedürfnissen seiner Zeit zum Opfer brachte. Denn er selbst war ja heran¬
gewachsen unter der Blüte des französischen Despotismus, er hatte sich fürchten
müssen vor der "Freiheit," als sie ihre fliegenden Fahnen auf die Schanzen
von Straßburg pflanzte, aber dennoch war er stark genug, jetzt dieser Freiheit
das Bürgerrecht in seinem Lande zu geben.

Es ist ein merkwürdiger Ton, der in den Aktenstücken dieser Zeit herrscht,


Me Bayern ein moderner Staat wurde

und den Erzeugungskosten des Ambroids entsprechende Preisfestsetzung den
Unterschied zwischen Natur- und Preßbernstein kennzeichnen.

Wie aber kann den großen Stücken Bernstein bei dieser Sachlage der
bisher sür sie gezahlte Überpreis erhalten werden, wenn die früher dafür ma߬
gebende Seltenheit wegfällt? Nur durch eine entsprechende Veredlung mittels
kunstgewerblicher Verarbeitung, bei de'r eben die Eigenschaften vorzugs¬
weise berücksichtigt werden, die den Naturstein vor dem Preßbernstein aus¬
zeichnen, vor allem die Dauerhaftigkeit der äußern Erscheinung, die allerdings
auch bei dem Naturbernstein dadurch beschränkt ist, daß sich seine Oberflächen
im Laufe der Zeit mit einer dunklern Oxhdationsschicht überziehen.

(Schluß folgt)




it)le Bayern ein moderner Htaat wurde
Eine sa'kularerinnernng
(Schluß)

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^M-"le Lage, die Max Joseph bei seiner Thronbesteigung vorfand, war
über die Maßen schwierig: leere Kassen, Verkommenheit in allen
Zweigen des öffentlichen Dienstes, und auf den Gemütern ein
dumpfer Druck, der selbst das Hoffen lähmte. Wenn nicht alles
verloren gehn sollte, so bedürfte es jetzt der kräftigsten und
weisesten Reformen, das begriff der Kurfürst mit seinem redlichen Wohlwollen
so gut wie Montgelas mit seinem Scharfsinn. Es galt, an uralte Formen die
Axt zu legen, die Kluft, die einzelne Stände getrennt hatte, mußte wenigstens
einigermaßen überbrückt werden, indem man Rechte und Pflichten billiger ver¬
teilte; der Verwilderung, in der die Massen lebten, konnte mir eine gediegne
Schule abhelfen. Kurzum, es blieb kein andrer Weg, als eine völlig neue
liberale Gesetzgebung.

Für den Kurfürsten war der Entschluß nicht leicht, und man muß in der
That den Heroismus bewundern, womit er die Traditionen seiner Person den
Bedürfnissen seiner Zeit zum Opfer brachte. Denn er selbst war ja heran¬
gewachsen unter der Blüte des französischen Despotismus, er hatte sich fürchten
müssen vor der „Freiheit," als sie ihre fliegenden Fahnen auf die Schanzen
von Straßburg pflanzte, aber dennoch war er stark genug, jetzt dieser Freiheit
das Bürgerrecht in seinem Lande zu geben.

Es ist ein merkwürdiger Ton, der in den Aktenstücken dieser Zeit herrscht,


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[0197] Me Bayern ein moderner Staat wurde und den Erzeugungskosten des Ambroids entsprechende Preisfestsetzung den Unterschied zwischen Natur- und Preßbernstein kennzeichnen. Wie aber kann den großen Stücken Bernstein bei dieser Sachlage der bisher sür sie gezahlte Überpreis erhalten werden, wenn die früher dafür ma߬ gebende Seltenheit wegfällt? Nur durch eine entsprechende Veredlung mittels kunstgewerblicher Verarbeitung, bei de'r eben die Eigenschaften vorzugs¬ weise berücksichtigt werden, die den Naturstein vor dem Preßbernstein aus¬ zeichnen, vor allem die Dauerhaftigkeit der äußern Erscheinung, die allerdings auch bei dem Naturbernstein dadurch beschränkt ist, daß sich seine Oberflächen im Laufe der Zeit mit einer dunklern Oxhdationsschicht überziehen. (Schluß folgt) it)le Bayern ein moderner Htaat wurde Eine sa'kularerinnernng (Schluß) VN»FV,/^«U^ ^M-"le Lage, die Max Joseph bei seiner Thronbesteigung vorfand, war über die Maßen schwierig: leere Kassen, Verkommenheit in allen Zweigen des öffentlichen Dienstes, und auf den Gemütern ein dumpfer Druck, der selbst das Hoffen lähmte. Wenn nicht alles verloren gehn sollte, so bedürfte es jetzt der kräftigsten und weisesten Reformen, das begriff der Kurfürst mit seinem redlichen Wohlwollen so gut wie Montgelas mit seinem Scharfsinn. Es galt, an uralte Formen die Axt zu legen, die Kluft, die einzelne Stände getrennt hatte, mußte wenigstens einigermaßen überbrückt werden, indem man Rechte und Pflichten billiger ver¬ teilte; der Verwilderung, in der die Massen lebten, konnte mir eine gediegne Schule abhelfen. Kurzum, es blieb kein andrer Weg, als eine völlig neue liberale Gesetzgebung. Für den Kurfürsten war der Entschluß nicht leicht, und man muß in der That den Heroismus bewundern, womit er die Traditionen seiner Person den Bedürfnissen seiner Zeit zum Opfer brachte. Denn er selbst war ja heran¬ gewachsen unter der Blüte des französischen Despotismus, er hatte sich fürchten müssen vor der „Freiheit," als sie ihre fliegenden Fahnen auf die Schanzen von Straßburg pflanzte, aber dennoch war er stark genug, jetzt dieser Freiheit das Bürgerrecht in seinem Lande zu geben. Es ist ein merkwürdiger Ton, der in den Aktenstücken dieser Zeit herrscht,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_230431/197>, abgerufen am 30.04.2024.