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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Zweites Vierteljahr.

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Die Aussichten des Rhein-Glbekanals

le Verhandlungen des preußischen Abgeordnetenhauses über den
Gesetzentwurf sür den Bau eines Schiffahrtkanals vom Rhein
bis zur Elbe haben nach fünftägigen Debatten zur Überweisung
der Vorlage an eine besondre Kommission von achtundzwanzig
Mitgliedern geführt. Entsprechend der Mehrheit der Redner,
die bei der ersten Lesung zum Worte gekommen waren, und der hinter ihnen
stehenden Mehrheit der Abgeordneten soll auch der größte Teil der Kom¬
missionsmitglieder aus Gegnern der Vorlage bestehn, und es fehlt deshalb
nicht an Stimmen, die der Negierung eine sichere Niederlage voraussagen.
Hoffentlich täuschen sich diese Propheten. Wenn sie Recht behielten, so wäre
das gerade nach den Ergebnissen der fünftägigen Verhandlungen vom 13. bis
18. April ein trauriges Armutszeugnis für die politische Reife der preußischen
Volksvertreter.

In den Motiven zu der Vorlage war ausdrücklich erklärt: "Die Staats¬
regierung bringt in dem vorstehenden Gesetzentwurf den Bau eines Kanals
vom Rhein bis zur Elbe in der Überzeugung in Vorschlag, daß dieser Kanal
im Interesse des Verkehrs und der heimischen Gütererzeugung notwendig ist,
und daß das allgemeine Wohl erheblichen Schaden leiden würde, wenn dessen
Erbauung nicht ohne allen Verzug in Angriff genommen wird." Das ist nach
Form und Inhalt ein ungewöhnlich scharfes Eintreten für die Sache, und die
inhaltsreichen Reden der vier dabei interessierten Minister -- der öffentlichen
Arbeiten, des Handels, der Landwirtschaft und der Finanzen -- haben die Ein¬
mütigkeit der Überzeugung und den festen Willen der Staatsregierung, das
große seit anderthalb Jahrhunderten geplante und seit fast fünfzig Jahren auf
der Tagesordnung stehende Werk endlich durchzuführen, ganz außer Zweifel
gestellt. Wir glauben auch nicht, daß die viel besprochne Bemerkung des


Gronzbow, II 1890 8K


Die Aussichten des Rhein-Glbekanals

le Verhandlungen des preußischen Abgeordnetenhauses über den
Gesetzentwurf sür den Bau eines Schiffahrtkanals vom Rhein
bis zur Elbe haben nach fünftägigen Debatten zur Überweisung
der Vorlage an eine besondre Kommission von achtundzwanzig
Mitgliedern geführt. Entsprechend der Mehrheit der Redner,
die bei der ersten Lesung zum Worte gekommen waren, und der hinter ihnen
stehenden Mehrheit der Abgeordneten soll auch der größte Teil der Kom¬
missionsmitglieder aus Gegnern der Vorlage bestehn, und es fehlt deshalb
nicht an Stimmen, die der Negierung eine sichere Niederlage voraussagen.
Hoffentlich täuschen sich diese Propheten. Wenn sie Recht behielten, so wäre
das gerade nach den Ergebnissen der fünftägigen Verhandlungen vom 13. bis
18. April ein trauriges Armutszeugnis für die politische Reife der preußischen
Volksvertreter.

In den Motiven zu der Vorlage war ausdrücklich erklärt: „Die Staats¬
regierung bringt in dem vorstehenden Gesetzentwurf den Bau eines Kanals
vom Rhein bis zur Elbe in der Überzeugung in Vorschlag, daß dieser Kanal
im Interesse des Verkehrs und der heimischen Gütererzeugung notwendig ist,
und daß das allgemeine Wohl erheblichen Schaden leiden würde, wenn dessen
Erbauung nicht ohne allen Verzug in Angriff genommen wird." Das ist nach
Form und Inhalt ein ungewöhnlich scharfes Eintreten für die Sache, und die
inhaltsreichen Reden der vier dabei interessierten Minister — der öffentlichen
Arbeiten, des Handels, der Landwirtschaft und der Finanzen — haben die Ein¬
mütigkeit der Überzeugung und den festen Willen der Staatsregierung, das
große seit anderthalb Jahrhunderten geplante und seit fast fünfzig Jahren auf
der Tagesordnung stehende Werk endlich durchzuführen, ganz außer Zweifel
gestellt. Wir glauben auch nicht, daß die viel besprochne Bemerkung des


Gronzbow, II 1890 8K
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[0289] [Abbildung] Die Aussichten des Rhein-Glbekanals le Verhandlungen des preußischen Abgeordnetenhauses über den Gesetzentwurf sür den Bau eines Schiffahrtkanals vom Rhein bis zur Elbe haben nach fünftägigen Debatten zur Überweisung der Vorlage an eine besondre Kommission von achtundzwanzig Mitgliedern geführt. Entsprechend der Mehrheit der Redner, die bei der ersten Lesung zum Worte gekommen waren, und der hinter ihnen stehenden Mehrheit der Abgeordneten soll auch der größte Teil der Kom¬ missionsmitglieder aus Gegnern der Vorlage bestehn, und es fehlt deshalb nicht an Stimmen, die der Negierung eine sichere Niederlage voraussagen. Hoffentlich täuschen sich diese Propheten. Wenn sie Recht behielten, so wäre das gerade nach den Ergebnissen der fünftägigen Verhandlungen vom 13. bis 18. April ein trauriges Armutszeugnis für die politische Reife der preußischen Volksvertreter. In den Motiven zu der Vorlage war ausdrücklich erklärt: „Die Staats¬ regierung bringt in dem vorstehenden Gesetzentwurf den Bau eines Kanals vom Rhein bis zur Elbe in der Überzeugung in Vorschlag, daß dieser Kanal im Interesse des Verkehrs und der heimischen Gütererzeugung notwendig ist, und daß das allgemeine Wohl erheblichen Schaden leiden würde, wenn dessen Erbauung nicht ohne allen Verzug in Angriff genommen wird." Das ist nach Form und Inhalt ein ungewöhnlich scharfes Eintreten für die Sache, und die inhaltsreichen Reden der vier dabei interessierten Minister — der öffentlichen Arbeiten, des Handels, der Landwirtschaft und der Finanzen — haben die Ein¬ mütigkeit der Überzeugung und den festen Willen der Staatsregierung, das große seit anderthalb Jahrhunderten geplante und seit fast fünfzig Jahren auf der Tagesordnung stehende Werk endlich durchzuführen, ganz außer Zweifel gestellt. Wir glauben auch nicht, daß die viel besprochne Bemerkung des Gronzbow, II 1890 8K

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_230431/289>, abgerufen am 30.04.2024.