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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Zweites Vierteljahr.

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Die landwirtschaftlichen Arbeitskräfte in Deutschland

wie Quintus Fixlein mit den Büchern, deren Inhalt er in seine Kollektaneen
eintrug: er kannte sie nicht. Im sechzehnten Jahrhundert aber und in der
Stadt Rom kannte man sie, da mußten die vielen Überbleibsel des Altertums
anders wirken, als wo man sie nur einzeln als Teile einer Sammlung zu ge¬
nießen hatte, und da mußte doch auch der Wille, als dessen Wirkung wir das
sogenannte Antikisieren ansehen, etwas noch ernsteres und reelleres sein. Ich
meine also, daß das römische Cinquecento doch ein noch andres Verhältnis
zu der Antike hatte als das florentinische Quattrocento, und würde mich für
die Absichten des Zeitalters mindestens ebenso sehr auf die Litteratur wie auf
A. p. die Erscheinung der Kunst berufen.




Die landwirtschaftlichen Arbeitskräfte in Deutschland

s ist in den Grenzboten wiederholt hervorgehoben worden, daß der
Mangel an landwirtschaftlichen Arbeitskräften in einzelnen Bezirken
des Deutschen Reichs und namentlich der preußischen Ostprovinzen
zu einem wahren Notstände zu werden droht, dem sobald als möglich
mit nachhaltigen Mitteln entgegengetreten werden sollte. Leider
herrschen über diese Mittel unter den landwirtschaftlichen Unter¬
nehmern, und wieder namentlich unter den Rittergutsbesitzern und großbäuerlichen
Wirten im preußischen Osten, vielfach irrige Auffassungen, und selbst der preußische
Landwirtschaftsminister hat sich noch neuerdings zu Anschauungen in dieser Be¬
ziehung bekannt, die Mißgriffe befürchten lassen. Die Verhandlungen des preußischen
Abgeordnetenhauses vom 1V. und 11. Februar d. I. haben das gezeigt, worüber in
Ur. 9 der Grenzboten vom 2. März das Nötige gesagt ist.

Es soll heute versucht werden, an der Hand der deutschen Berufsstatistik einige
Aufschlüsse über die Leutenot zu geben. Freilich ein erschöpfendes Bild davon ist
aus der Statistik nicht zu gewinnen, vorläufig auch nicht vou ihr zu erwarten.
Sie beruht auf den großen Berufsznhlungen vom ö. Juni 1882 und vom 14. Juni
1893, die zwar in ihrer Anlage, in ihrer Durchführung und in ihren Ergebnissen
alles Lob verdienen, aber immer nur Augeublicksbilder gewisser äußerlich in die
Augen springender, in Zahlen zu fixierender Züge von Zuständen geographischer
Kreise bleiben müssen, mit denen allein, so unentbehrlich sie auch sind, für unsre
Frage nicht auszukommen ist. Es ist nötig, auf Grund der Zählungsresultatc
ergänzende, auf das Wesen der Sache und die einzelnen Örtlichkeiten näher ein¬
gehende Spezialuntersnchungen anzustellen, durch die erst die wirklichen Notstands¬
bezirke selbst und in ihnen das Maß sowie die Ursache und Wirkung des Notstands
erkannt werden können. Mit dem landläufigen "Geschrei" der Herren Landwirte
über die Leutenot ist natürlich nicht viel anzufangen, und leider wird auch das
Urteil der landwirtschaftlichen "Interessenvertretungen" durch dieses Geschrei der
"Interessenten" zuweilen der erwünschten Zuverlässigkeit beraubt.


Die landwirtschaftlichen Arbeitskräfte in Deutschland

wie Quintus Fixlein mit den Büchern, deren Inhalt er in seine Kollektaneen
eintrug: er kannte sie nicht. Im sechzehnten Jahrhundert aber und in der
Stadt Rom kannte man sie, da mußten die vielen Überbleibsel des Altertums
anders wirken, als wo man sie nur einzeln als Teile einer Sammlung zu ge¬
nießen hatte, und da mußte doch auch der Wille, als dessen Wirkung wir das
sogenannte Antikisieren ansehen, etwas noch ernsteres und reelleres sein. Ich
meine also, daß das römische Cinquecento doch ein noch andres Verhältnis
zu der Antike hatte als das florentinische Quattrocento, und würde mich für
die Absichten des Zeitalters mindestens ebenso sehr auf die Litteratur wie auf
A. p. die Erscheinung der Kunst berufen.




Die landwirtschaftlichen Arbeitskräfte in Deutschland

s ist in den Grenzboten wiederholt hervorgehoben worden, daß der
Mangel an landwirtschaftlichen Arbeitskräften in einzelnen Bezirken
des Deutschen Reichs und namentlich der preußischen Ostprovinzen
zu einem wahren Notstände zu werden droht, dem sobald als möglich
mit nachhaltigen Mitteln entgegengetreten werden sollte. Leider
herrschen über diese Mittel unter den landwirtschaftlichen Unter¬
nehmern, und wieder namentlich unter den Rittergutsbesitzern und großbäuerlichen
Wirten im preußischen Osten, vielfach irrige Auffassungen, und selbst der preußische
Landwirtschaftsminister hat sich noch neuerdings zu Anschauungen in dieser Be¬
ziehung bekannt, die Mißgriffe befürchten lassen. Die Verhandlungen des preußischen
Abgeordnetenhauses vom 1V. und 11. Februar d. I. haben das gezeigt, worüber in
Ur. 9 der Grenzboten vom 2. März das Nötige gesagt ist.

Es soll heute versucht werden, an der Hand der deutschen Berufsstatistik einige
Aufschlüsse über die Leutenot zu geben. Freilich ein erschöpfendes Bild davon ist
aus der Statistik nicht zu gewinnen, vorläufig auch nicht vou ihr zu erwarten.
Sie beruht auf den großen Berufsznhlungen vom ö. Juni 1882 und vom 14. Juni
1893, die zwar in ihrer Anlage, in ihrer Durchführung und in ihren Ergebnissen
alles Lob verdienen, aber immer nur Augeublicksbilder gewisser äußerlich in die
Augen springender, in Zahlen zu fixierender Züge von Zuständen geographischer
Kreise bleiben müssen, mit denen allein, so unentbehrlich sie auch sind, für unsre
Frage nicht auszukommen ist. Es ist nötig, auf Grund der Zählungsresultatc
ergänzende, auf das Wesen der Sache und die einzelnen Örtlichkeiten näher ein¬
gehende Spezialuntersnchungen anzustellen, durch die erst die wirklichen Notstands¬
bezirke selbst und in ihnen das Maß sowie die Ursache und Wirkung des Notstands
erkannt werden können. Mit dem landläufigen „Geschrei" der Herren Landwirte
über die Leutenot ist natürlich nicht viel anzufangen, und leider wird auch das
Urteil der landwirtschaftlichen „Interessenvertretungen" durch dieses Geschrei der
„Interessenten" zuweilen der erwünschten Zuverlässigkeit beraubt.


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[0376] Die landwirtschaftlichen Arbeitskräfte in Deutschland wie Quintus Fixlein mit den Büchern, deren Inhalt er in seine Kollektaneen eintrug: er kannte sie nicht. Im sechzehnten Jahrhundert aber und in der Stadt Rom kannte man sie, da mußten die vielen Überbleibsel des Altertums anders wirken, als wo man sie nur einzeln als Teile einer Sammlung zu ge¬ nießen hatte, und da mußte doch auch der Wille, als dessen Wirkung wir das sogenannte Antikisieren ansehen, etwas noch ernsteres und reelleres sein. Ich meine also, daß das römische Cinquecento doch ein noch andres Verhältnis zu der Antike hatte als das florentinische Quattrocento, und würde mich für die Absichten des Zeitalters mindestens ebenso sehr auf die Litteratur wie auf A. p. die Erscheinung der Kunst berufen. Die landwirtschaftlichen Arbeitskräfte in Deutschland s ist in den Grenzboten wiederholt hervorgehoben worden, daß der Mangel an landwirtschaftlichen Arbeitskräften in einzelnen Bezirken des Deutschen Reichs und namentlich der preußischen Ostprovinzen zu einem wahren Notstände zu werden droht, dem sobald als möglich mit nachhaltigen Mitteln entgegengetreten werden sollte. Leider herrschen über diese Mittel unter den landwirtschaftlichen Unter¬ nehmern, und wieder namentlich unter den Rittergutsbesitzern und großbäuerlichen Wirten im preußischen Osten, vielfach irrige Auffassungen, und selbst der preußische Landwirtschaftsminister hat sich noch neuerdings zu Anschauungen in dieser Be¬ ziehung bekannt, die Mißgriffe befürchten lassen. Die Verhandlungen des preußischen Abgeordnetenhauses vom 1V. und 11. Februar d. I. haben das gezeigt, worüber in Ur. 9 der Grenzboten vom 2. März das Nötige gesagt ist. Es soll heute versucht werden, an der Hand der deutschen Berufsstatistik einige Aufschlüsse über die Leutenot zu geben. Freilich ein erschöpfendes Bild davon ist aus der Statistik nicht zu gewinnen, vorläufig auch nicht vou ihr zu erwarten. Sie beruht auf den großen Berufsznhlungen vom ö. Juni 1882 und vom 14. Juni 1893, die zwar in ihrer Anlage, in ihrer Durchführung und in ihren Ergebnissen alles Lob verdienen, aber immer nur Augeublicksbilder gewisser äußerlich in die Augen springender, in Zahlen zu fixierender Züge von Zuständen geographischer Kreise bleiben müssen, mit denen allein, so unentbehrlich sie auch sind, für unsre Frage nicht auszukommen ist. Es ist nötig, auf Grund der Zählungsresultatc ergänzende, auf das Wesen der Sache und die einzelnen Örtlichkeiten näher ein¬ gehende Spezialuntersnchungen anzustellen, durch die erst die wirklichen Notstands¬ bezirke selbst und in ihnen das Maß sowie die Ursache und Wirkung des Notstands erkannt werden können. Mit dem landläufigen „Geschrei" der Herren Landwirte über die Leutenot ist natürlich nicht viel anzufangen, und leider wird auch das Urteil der landwirtschaftlichen „Interessenvertretungen" durch dieses Geschrei der „Interessenten" zuweilen der erwünschten Zuverlässigkeit beraubt.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_230431/376>, abgerufen am 30.04.2024.