Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Heinrich Abeken

In dieser Auffassung fand er sich mit Möhler zusammen, mit dem er im leb¬
haftesten Gedankenaustausch stand, dessen Berufung nach München er betrieb,
und dem er sogar sein Fach, die Kirchengeschichte, abtrat; er selbst las bis zu
Möhlers Tode Dogmatik. In der Eos mahnt er die Katholiken, das Nötige
zu thun ohne den Beistand der Jesuiten, und spricht dabei eine schwere Be¬
schuldigung gegen seine Negierung aus. In dem Lande, worin er dies
schreibe -- der Artikel ist anonym erschienen --, hätten die Machthaber jeden
Kunstgriff angewandt, um die durch göttliche Anordnung geknüpften Bande
zwischen dem Klerus und seinem Oberhaupte, dem Papste, zu lösen. Sie
hätten Mißtrauen, Anarchie und Zerrüttung ausgesät, die Saat sei aufgegangen,
infolgedessen sei eine Masse von Unwürdigen in den Klerus eingedrungen.
Diesen Unwürdigen sei die Anarchie gerade recht, und sie möchten sie aufrecht
erhalten, um ihrer kirchlichen Obrigkeit trotzen und die Kirchenämter, die sie
schändeten, behaupten zu können. Da sei es denn sehr verzeihlich und er¬
klärlich, "wenn die Vessergesinnten bei dem Anblicke dieser zuchtlosen, trägen,
verweltlichten, geistlosen Vaalsdiener sich sehnsuchtsvoll nach einer bessern und
edlern Priesterklasfe" umsahen. Er erteilt deshalb den Regierungen den "gut¬
gemeinten Rat," sie möchten endlich einmal dem System des Mißtrauens gegen
die Kirche, das sür sie selber wie für die Religion gleich erniedrigend sei, ent¬
sagen und der Kirche die Selbständigkeit, Unabhängigkeit und sreie Bewegung,
die ihr von Gott und Rechts wegen gebühre, unverknmmert gewähren.

(Schluß folgt)




Heinrich Abeken
Veto Uaemmel von (Schluß)

beten wußte recht wohl, daß König Wilhelm dieser Geist nicht
war, aber er fand die großen Eigenschaften des neuen Herrn sehr
bald mit sicherm Blicke heraus. "Ein reiner, redlicher Wille,
eine Treue gegen andre und gegen sich selbst und ein einfacher,
schlichter Menschenverstand sind auch in schweren Zeiten gute
Führer," schrieb er am 24. Januar 1861, und am 31. August desselben
Jahres: "Einen redlichem, treuem Mann werden Preußen und Deutschland
nicht finden." "Vertrauen und Zuversicht flößt sein ganzes Wesen ein,"
"Dabei hat der König eine wunderbare, nur durch die Verbindung langer


Heinrich Abeken

In dieser Auffassung fand er sich mit Möhler zusammen, mit dem er im leb¬
haftesten Gedankenaustausch stand, dessen Berufung nach München er betrieb,
und dem er sogar sein Fach, die Kirchengeschichte, abtrat; er selbst las bis zu
Möhlers Tode Dogmatik. In der Eos mahnt er die Katholiken, das Nötige
zu thun ohne den Beistand der Jesuiten, und spricht dabei eine schwere Be¬
schuldigung gegen seine Negierung aus. In dem Lande, worin er dies
schreibe — der Artikel ist anonym erschienen —, hätten die Machthaber jeden
Kunstgriff angewandt, um die durch göttliche Anordnung geknüpften Bande
zwischen dem Klerus und seinem Oberhaupte, dem Papste, zu lösen. Sie
hätten Mißtrauen, Anarchie und Zerrüttung ausgesät, die Saat sei aufgegangen,
infolgedessen sei eine Masse von Unwürdigen in den Klerus eingedrungen.
Diesen Unwürdigen sei die Anarchie gerade recht, und sie möchten sie aufrecht
erhalten, um ihrer kirchlichen Obrigkeit trotzen und die Kirchenämter, die sie
schändeten, behaupten zu können. Da sei es denn sehr verzeihlich und er¬
klärlich, „wenn die Vessergesinnten bei dem Anblicke dieser zuchtlosen, trägen,
verweltlichten, geistlosen Vaalsdiener sich sehnsuchtsvoll nach einer bessern und
edlern Priesterklasfe" umsahen. Er erteilt deshalb den Regierungen den „gut¬
gemeinten Rat," sie möchten endlich einmal dem System des Mißtrauens gegen
die Kirche, das sür sie selber wie für die Religion gleich erniedrigend sei, ent¬
sagen und der Kirche die Selbständigkeit, Unabhängigkeit und sreie Bewegung,
die ihr von Gott und Rechts wegen gebühre, unverknmmert gewähren.

(Schluß folgt)




Heinrich Abeken
Veto Uaemmel von (Schluß)

beten wußte recht wohl, daß König Wilhelm dieser Geist nicht
war, aber er fand die großen Eigenschaften des neuen Herrn sehr
bald mit sicherm Blicke heraus. „Ein reiner, redlicher Wille,
eine Treue gegen andre und gegen sich selbst und ein einfacher,
schlichter Menschenverstand sind auch in schweren Zeiten gute
Führer," schrieb er am 24. Januar 1861, und am 31. August desselben
Jahres: „Einen redlichem, treuem Mann werden Preußen und Deutschland
nicht finden." „Vertrauen und Zuversicht flößt sein ganzes Wesen ein,"
„Dabei hat der König eine wunderbare, nur durch die Verbindung langer


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0530" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/230962"/>
          <fw type="header" place="top"> Heinrich Abeken</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1783" prev="#ID_1782"> In dieser Auffassung fand er sich mit Möhler zusammen, mit dem er im leb¬<lb/>
haftesten Gedankenaustausch stand, dessen Berufung nach München er betrieb,<lb/>
und dem er sogar sein Fach, die Kirchengeschichte, abtrat; er selbst las bis zu<lb/>
Möhlers Tode Dogmatik. In der Eos mahnt er die Katholiken, das Nötige<lb/>
zu thun ohne den Beistand der Jesuiten, und spricht dabei eine schwere Be¬<lb/>
schuldigung gegen seine Negierung aus. In dem Lande, worin er dies<lb/>
schreibe &#x2014; der Artikel ist anonym erschienen &#x2014;, hätten die Machthaber jeden<lb/>
Kunstgriff angewandt, um die durch göttliche Anordnung geknüpften Bande<lb/>
zwischen dem Klerus und seinem Oberhaupte, dem Papste, zu lösen. Sie<lb/>
hätten Mißtrauen, Anarchie und Zerrüttung ausgesät, die Saat sei aufgegangen,<lb/>
infolgedessen sei eine Masse von Unwürdigen in den Klerus eingedrungen.<lb/>
Diesen Unwürdigen sei die Anarchie gerade recht, und sie möchten sie aufrecht<lb/>
erhalten, um ihrer kirchlichen Obrigkeit trotzen und die Kirchenämter, die sie<lb/>
schändeten, behaupten zu können. Da sei es denn sehr verzeihlich und er¬<lb/>
klärlich, &#x201E;wenn die Vessergesinnten bei dem Anblicke dieser zuchtlosen, trägen,<lb/>
verweltlichten, geistlosen Vaalsdiener sich sehnsuchtsvoll nach einer bessern und<lb/>
edlern Priesterklasfe" umsahen. Er erteilt deshalb den Regierungen den &#x201E;gut¬<lb/>
gemeinten Rat," sie möchten endlich einmal dem System des Mißtrauens gegen<lb/>
die Kirche, das sür sie selber wie für die Religion gleich erniedrigend sei, ent¬<lb/>
sagen und der Kirche die Selbständigkeit, Unabhängigkeit und sreie Bewegung,<lb/>
die ihr von Gott und Rechts wegen gebühre, unverknmmert gewähren.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1784"> (Schluß folgt)</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Heinrich Abeken<lb/><note type="byline"> Veto Uaemmel</note> von (Schluß)</head><lb/>
          <p xml:id="ID_1785" next="#ID_1786"> beten wußte recht wohl, daß König Wilhelm dieser Geist nicht<lb/>
war, aber er fand die großen Eigenschaften des neuen Herrn sehr<lb/>
bald mit sicherm Blicke heraus. &#x201E;Ein reiner, redlicher Wille,<lb/>
eine Treue gegen andre und gegen sich selbst und ein einfacher,<lb/>
schlichter Menschenverstand sind auch in schweren Zeiten gute<lb/>
Führer," schrieb er am 24. Januar 1861, und am 31. August desselben<lb/>
Jahres: &#x201E;Einen redlichem, treuem Mann werden Preußen und Deutschland<lb/>
nicht finden." &#x201E;Vertrauen und Zuversicht flößt sein ganzes Wesen ein,"<lb/>
&#x201E;Dabei hat der König eine wunderbare, nur durch die Verbindung langer</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0530] Heinrich Abeken In dieser Auffassung fand er sich mit Möhler zusammen, mit dem er im leb¬ haftesten Gedankenaustausch stand, dessen Berufung nach München er betrieb, und dem er sogar sein Fach, die Kirchengeschichte, abtrat; er selbst las bis zu Möhlers Tode Dogmatik. In der Eos mahnt er die Katholiken, das Nötige zu thun ohne den Beistand der Jesuiten, und spricht dabei eine schwere Be¬ schuldigung gegen seine Negierung aus. In dem Lande, worin er dies schreibe — der Artikel ist anonym erschienen —, hätten die Machthaber jeden Kunstgriff angewandt, um die durch göttliche Anordnung geknüpften Bande zwischen dem Klerus und seinem Oberhaupte, dem Papste, zu lösen. Sie hätten Mißtrauen, Anarchie und Zerrüttung ausgesät, die Saat sei aufgegangen, infolgedessen sei eine Masse von Unwürdigen in den Klerus eingedrungen. Diesen Unwürdigen sei die Anarchie gerade recht, und sie möchten sie aufrecht erhalten, um ihrer kirchlichen Obrigkeit trotzen und die Kirchenämter, die sie schändeten, behaupten zu können. Da sei es denn sehr verzeihlich und er¬ klärlich, „wenn die Vessergesinnten bei dem Anblicke dieser zuchtlosen, trägen, verweltlichten, geistlosen Vaalsdiener sich sehnsuchtsvoll nach einer bessern und edlern Priesterklasfe" umsahen. Er erteilt deshalb den Regierungen den „gut¬ gemeinten Rat," sie möchten endlich einmal dem System des Mißtrauens gegen die Kirche, das sür sie selber wie für die Religion gleich erniedrigend sei, ent¬ sagen und der Kirche die Selbständigkeit, Unabhängigkeit und sreie Bewegung, die ihr von Gott und Rechts wegen gebühre, unverknmmert gewähren. (Schluß folgt) Heinrich Abeken Veto Uaemmel von (Schluß) beten wußte recht wohl, daß König Wilhelm dieser Geist nicht war, aber er fand die großen Eigenschaften des neuen Herrn sehr bald mit sicherm Blicke heraus. „Ein reiner, redlicher Wille, eine Treue gegen andre und gegen sich selbst und ein einfacher, schlichter Menschenverstand sind auch in schweren Zeiten gute Führer," schrieb er am 24. Januar 1861, und am 31. August desselben Jahres: „Einen redlichem, treuem Mann werden Preußen und Deutschland nicht finden." „Vertrauen und Zuversicht flößt sein ganzes Wesen ein," „Dabei hat der König eine wunderbare, nur durch die Verbindung langer

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_230431
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_230431/530
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_230431/530>, abgerufen am 30.04.2024.