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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Zweites Vierteljahr.

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pein Menk Timm Aröger Line Stall- und Scheunengeschichte von
(Fortsetzung)

s war das drittemal, wo die beiden, die in ihren Kleidern zu kurz
gekommen waren, sich dafür in der Liebe hinter dem Steinwall ent¬
schädigten, als Detlev Kühl plötzlich wie aus dem Boden gewachsen
vor ihnen dastand, im vollen Schmuck des Rundhuts, der laugen
Haare und der Kniehosen, Er kam nicht aus der Fassung und ließ
die Pfeife nicht aus dem Munde, aber schimpfen konnte er mit dieser
Pfeife im Munde ganz tüchtig: Krötenzeug, liederliches Frauenzimmer, Uugeratner --
und so weiter, Wieb stob davon, daß die lauge Schürze im Mondschein flatterte.
Harm war durch einen kleinen Umstand verhindert, ihrem Beispiel zu folgen; denn
sein Alter hielt ihn kräftig am Ohrzipfel, dabei fett ans der Kehle knarrend:
Hat ja kein Haar auf'in Kopf, da muß man hingreifen, wo so ein unnützer Bube
zu packen ist.

Und am Ohr wurde der lauge magere Harm mit seinen kurzen Beinkleidern,
mit der neumodischen Mütze über den Hofplatz hinüber geführt, hinein in das Haus,
über die große Diele, vorbei an den Gesindeschlnfbetteu, deren Insassen mit etwas
Schrecken, viel Belustigung und treffsichrer Ahnung diesem Strafgericht zusahe".
Und weiter ging es direkt vor das Bett der Mutter. Hier bekam Harm endlich
den brennenden und schmerzenden Ohrzipfcl frei.

Da hast dn deinen neumodischen Jungen, grollte Detlev Kühl mit seiner
Hälfte. Er hatte entschieden Lust, alles auf die kurzen Haare zu schieben und an¬
zunehmen, daß Harm seine Liebeshnndel nicht angeknüpft hätte, wenn Jürgen
Webers Schermesser nicht über sein Haupt gekommen wäre. -- Da hast du den
neumodischen Schlingel, wiederholte er, mit der Kätnerstochter freit der dumme
Junge hinter der Scheune, das hast dn um davon!

Wie es weiter mit Harm und Wieb gegangen ist?

Es ging eben, wie es gehn mußte, sollte nicht die Weltnchse ans ihrer Lage
kommen. Ein Hofbesitzerssohu -- und der Holm war ein großer, ansehnlicher Hof,
und die Verhältnisse waren gut und Detlev Kühl, trotz aller Kriegsnöten, die zu
überstehn gewesen waren, gut bei Kasse, und Harm war der einzige Erbe --,
darf also ein Hofbesitzerssohn schon an sich keine Kätnerstochter heiraten, in diesem
besondern Fall war es nun gar undenkbar. Sie war freilich auch Erbin, aber
nur Erbin einer Kate, und nur einer, die nicht einmal eine" Einspänner zuließ.
In Kleidung, Nahrung und Lebensweise nicht besser gehalten sein, als das Kind
eines Jnseen -- das war allgemein der Brauch. Aber die Tochter eines kleinen




pein Menk Timm Aröger Line Stall- und Scheunengeschichte von
(Fortsetzung)

s war das drittemal, wo die beiden, die in ihren Kleidern zu kurz
gekommen waren, sich dafür in der Liebe hinter dem Steinwall ent¬
schädigten, als Detlev Kühl plötzlich wie aus dem Boden gewachsen
vor ihnen dastand, im vollen Schmuck des Rundhuts, der laugen
Haare und der Kniehosen, Er kam nicht aus der Fassung und ließ
die Pfeife nicht aus dem Munde, aber schimpfen konnte er mit dieser
Pfeife im Munde ganz tüchtig: Krötenzeug, liederliches Frauenzimmer, Uugeratner —
und so weiter, Wieb stob davon, daß die lauge Schürze im Mondschein flatterte.
Harm war durch einen kleinen Umstand verhindert, ihrem Beispiel zu folgen; denn
sein Alter hielt ihn kräftig am Ohrzipfel, dabei fett ans der Kehle knarrend:
Hat ja kein Haar auf'in Kopf, da muß man hingreifen, wo so ein unnützer Bube
zu packen ist.

Und am Ohr wurde der lauge magere Harm mit seinen kurzen Beinkleidern,
mit der neumodischen Mütze über den Hofplatz hinüber geführt, hinein in das Haus,
über die große Diele, vorbei an den Gesindeschlnfbetteu, deren Insassen mit etwas
Schrecken, viel Belustigung und treffsichrer Ahnung diesem Strafgericht zusahe».
Und weiter ging es direkt vor das Bett der Mutter. Hier bekam Harm endlich
den brennenden und schmerzenden Ohrzipfcl frei.

Da hast dn deinen neumodischen Jungen, grollte Detlev Kühl mit seiner
Hälfte. Er hatte entschieden Lust, alles auf die kurzen Haare zu schieben und an¬
zunehmen, daß Harm seine Liebeshnndel nicht angeknüpft hätte, wenn Jürgen
Webers Schermesser nicht über sein Haupt gekommen wäre. — Da hast du den
neumodischen Schlingel, wiederholte er, mit der Kätnerstochter freit der dumme
Junge hinter der Scheune, das hast dn um davon!

Wie es weiter mit Harm und Wieb gegangen ist?

Es ging eben, wie es gehn mußte, sollte nicht die Weltnchse ans ihrer Lage
kommen. Ein Hofbesitzerssohu — und der Holm war ein großer, ansehnlicher Hof,
und die Verhältnisse waren gut und Detlev Kühl, trotz aller Kriegsnöten, die zu
überstehn gewesen waren, gut bei Kasse, und Harm war der einzige Erbe —,
darf also ein Hofbesitzerssohn schon an sich keine Kätnerstochter heiraten, in diesem
besondern Fall war es nun gar undenkbar. Sie war freilich auch Erbin, aber
nur Erbin einer Kate, und nur einer, die nicht einmal eine» Einspänner zuließ.
In Kleidung, Nahrung und Lebensweise nicht besser gehalten sein, als das Kind
eines Jnseen — das war allgemein der Brauch. Aber die Tochter eines kleinen


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[0557] [Abbildung] pein Menk Timm Aröger Line Stall- und Scheunengeschichte von (Fortsetzung) s war das drittemal, wo die beiden, die in ihren Kleidern zu kurz gekommen waren, sich dafür in der Liebe hinter dem Steinwall ent¬ schädigten, als Detlev Kühl plötzlich wie aus dem Boden gewachsen vor ihnen dastand, im vollen Schmuck des Rundhuts, der laugen Haare und der Kniehosen, Er kam nicht aus der Fassung und ließ die Pfeife nicht aus dem Munde, aber schimpfen konnte er mit dieser Pfeife im Munde ganz tüchtig: Krötenzeug, liederliches Frauenzimmer, Uugeratner — und so weiter, Wieb stob davon, daß die lauge Schürze im Mondschein flatterte. Harm war durch einen kleinen Umstand verhindert, ihrem Beispiel zu folgen; denn sein Alter hielt ihn kräftig am Ohrzipfel, dabei fett ans der Kehle knarrend: Hat ja kein Haar auf'in Kopf, da muß man hingreifen, wo so ein unnützer Bube zu packen ist. Und am Ohr wurde der lauge magere Harm mit seinen kurzen Beinkleidern, mit der neumodischen Mütze über den Hofplatz hinüber geführt, hinein in das Haus, über die große Diele, vorbei an den Gesindeschlnfbetteu, deren Insassen mit etwas Schrecken, viel Belustigung und treffsichrer Ahnung diesem Strafgericht zusahe». Und weiter ging es direkt vor das Bett der Mutter. Hier bekam Harm endlich den brennenden und schmerzenden Ohrzipfcl frei. Da hast dn deinen neumodischen Jungen, grollte Detlev Kühl mit seiner Hälfte. Er hatte entschieden Lust, alles auf die kurzen Haare zu schieben und an¬ zunehmen, daß Harm seine Liebeshnndel nicht angeknüpft hätte, wenn Jürgen Webers Schermesser nicht über sein Haupt gekommen wäre. — Da hast du den neumodischen Schlingel, wiederholte er, mit der Kätnerstochter freit der dumme Junge hinter der Scheune, das hast dn um davon! Wie es weiter mit Harm und Wieb gegangen ist? Es ging eben, wie es gehn mußte, sollte nicht die Weltnchse ans ihrer Lage kommen. Ein Hofbesitzerssohu — und der Holm war ein großer, ansehnlicher Hof, und die Verhältnisse waren gut und Detlev Kühl, trotz aller Kriegsnöten, die zu überstehn gewesen waren, gut bei Kasse, und Harm war der einzige Erbe —, darf also ein Hofbesitzerssohn schon an sich keine Kätnerstochter heiraten, in diesem besondern Fall war es nun gar undenkbar. Sie war freilich auch Erbin, aber nur Erbin einer Kate, und nur einer, die nicht einmal eine» Einspänner zuließ. In Kleidung, Nahrung und Lebensweise nicht besser gehalten sein, als das Kind eines Jnseen — das war allgemein der Brauch. Aber die Tochter eines kleinen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_230431/557>, abgerufen am 30.04.2024.