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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Zweites Vierteljahr.

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wenn dann der unterhöhlte Boden nachgäbe, so erzählt die Wissenschaft weiter,
und die Kalksteinmassen zusammenstürzten, so entstünden jene Einsturztrichter
oder Dolmen, die die Oberflüche so stark zerreißen, und die man, war das
unterminierte Gebiet sehr ausgedehnt, vielleicht ein See, Kesselthäler nenne;
Atmosphärilien zersetzten dann die Jnnenwände der Trichter, die Produkte der
Zersetzung würden herabgeschwemmt in den Thalgrund, wo sie sich ansammeln,
die wüste Zerstörung wieder gutmachen und durch ihre Fruchtbarkeit mannig¬
f O. L. ache Kulturen ermöglichen.




Die Kunst für alle oder für wenige?

le "Lehrervereinigung für die Pflege der künstlerischen Bildung"
in Hamburg hat eine Aufführung klassischer Dramen für die
Schüler der obern Volksschulklassen veranstaltet und darüber
einen Bericht herausgegeben (Hamburg, C. Bopser). Durch
die Opferwilligkeit aller Mitwirkenden, der Theaterdirektion, der
Schauspieler und der Lehrerschaft wurde 8000 Kindern der Genuß zu teil, drei
Stücke je für 25 Pfennige zu sehen. Jedesmal wurde 2000 Kindern für
500 Mark eine besondre Vorstellung in den Mittagsstunden gegeben, und
drei Stücke wurden, nachdem sie vorher in der Klasse durchgenommen waren,
viermal hinter einander aufgeführt. Die äußerliche Veranstaltung, die ein
großes Stück Arbeit darstellt, wird in dem Bericht ausführlich beschrieben, sodaß
hier für Nachahmungen ein erstes Vorbild vorliegt. Die Lehrerschaft ist von
dem Erfolge sehr befriedigt und sieht das Erreichte als einen wohlgelungnen
Anfang an, was in allen Einzelheiten in dem Berichte nachgelesen werden
mag. Die Schauspieler haben, wie sie selbst mitteilen, mit voller Begeisterung
vor dieser eigenartigen Zuhörerschaft ihr bestes gegeben. Indessen meint die
erste Schauspielerin, nach ihren Eindrücken "sei doch die Schaubühne erst für
die heranwachsende Jugend," und der erste Schauspieler schlägt nach seinen
Erfahrungen vor, "solche Stücke zu wählen, bei denen es für die Jugend
mindestens ebensoviel zu sehen wie zu hören giebt." Selbst die Lehrerschaft
äußert in ihrem zusammenfassenden Urteil, das eine der gewühlten Stücke,
Minna von Barnhelm, sei den Kindern "der Hauptsache nach bedauerlicher¬
weise nur eine spaßige Geschichte gewesen." Einen allgemeinen großen Ein¬
druck habe dagegen Wilhelm Tell gemacht, während an der Jungfrau von
Orleans namentlich die Mädchen Gefallen gesunde" hätten.


Grenzboten II 18V" 75

wenn dann der unterhöhlte Boden nachgäbe, so erzählt die Wissenschaft weiter,
und die Kalksteinmassen zusammenstürzten, so entstünden jene Einsturztrichter
oder Dolmen, die die Oberflüche so stark zerreißen, und die man, war das
unterminierte Gebiet sehr ausgedehnt, vielleicht ein See, Kesselthäler nenne;
Atmosphärilien zersetzten dann die Jnnenwände der Trichter, die Produkte der
Zersetzung würden herabgeschwemmt in den Thalgrund, wo sie sich ansammeln,
die wüste Zerstörung wieder gutmachen und durch ihre Fruchtbarkeit mannig¬
f O. L. ache Kulturen ermöglichen.




Die Kunst für alle oder für wenige?

le „Lehrervereinigung für die Pflege der künstlerischen Bildung"
in Hamburg hat eine Aufführung klassischer Dramen für die
Schüler der obern Volksschulklassen veranstaltet und darüber
einen Bericht herausgegeben (Hamburg, C. Bopser). Durch
die Opferwilligkeit aller Mitwirkenden, der Theaterdirektion, der
Schauspieler und der Lehrerschaft wurde 8000 Kindern der Genuß zu teil, drei
Stücke je für 25 Pfennige zu sehen. Jedesmal wurde 2000 Kindern für
500 Mark eine besondre Vorstellung in den Mittagsstunden gegeben, und
drei Stücke wurden, nachdem sie vorher in der Klasse durchgenommen waren,
viermal hinter einander aufgeführt. Die äußerliche Veranstaltung, die ein
großes Stück Arbeit darstellt, wird in dem Bericht ausführlich beschrieben, sodaß
hier für Nachahmungen ein erstes Vorbild vorliegt. Die Lehrerschaft ist von
dem Erfolge sehr befriedigt und sieht das Erreichte als einen wohlgelungnen
Anfang an, was in allen Einzelheiten in dem Berichte nachgelesen werden
mag. Die Schauspieler haben, wie sie selbst mitteilen, mit voller Begeisterung
vor dieser eigenartigen Zuhörerschaft ihr bestes gegeben. Indessen meint die
erste Schauspielerin, nach ihren Eindrücken „sei doch die Schaubühne erst für
die heranwachsende Jugend," und der erste Schauspieler schlägt nach seinen
Erfahrungen vor, „solche Stücke zu wählen, bei denen es für die Jugend
mindestens ebensoviel zu sehen wie zu hören giebt." Selbst die Lehrerschaft
äußert in ihrem zusammenfassenden Urteil, das eine der gewühlten Stücke,
Minna von Barnhelm, sei den Kindern „der Hauptsache nach bedauerlicher¬
weise nur eine spaßige Geschichte gewesen." Einen allgemeinen großen Ein¬
druck habe dagegen Wilhelm Tell gemacht, während an der Jungfrau von
Orleans namentlich die Mädchen Gefallen gesunde« hätten.


Grenzboten II 18V» 75
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_230431/601>, abgerufen am 30.04.2024.