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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Zweites Vierteljahr.

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freiheit mit Beseitigung jedes staatlichen Ablehuungs- und Aufsichtsrechts
einzuführen, in der badischen Kammer; die ganze Zentrumspartei stimmte ge¬
schlossen dafür. Auch hier möchte man wieder fragen: Kann man nicht von
diesen Männern etwas mehr Würdigung der notwendigen staatlichen Hoheits¬
rechte verlangen? Nun, jedenfalls hatte nie der Staat ein besseres Gewissen
als der, der diesen Bestrebungen mit festem Willen entgegentritt.

Aber die Abstimmung bleibt darum bestehn; den 32 Stimmen stand
nur eine Minderheit von 25 gegenüber. Wer etwas vom Parlamentarismus
hält, wird verlangen müssen, daß aus diesem Stimmenverhältnis die Folge¬
rungen gezogen werden. Auch im konstitutionellen Staate ist es unnatürlich,
wenn eine Partei eine Generation lang und länger am Ruder ist. Die
Opposition muß einmal heran, nicht, um sich am Futtertroge gütlich zu
thun, sondern um mit ihren Ideen und ihren Persönlichkeiten dem gemeinen
Wesen zu dienen. Aber Voraussetzung dafür ist, daß wirklich nur poli¬
tische Ideen maßgebend sind, und daß die Grundlagen und Ziele dieselben
bleiben. Weder im Reiche noch in dem Einzelstaate, um den es sich hier
handelt, haben wir eine solche regierungsfähige Opposition. Nun und nimmer¬
mehr kann in diesem Falle die regierende Minderheit die Fahne sinken lassen,
die sie wahrlich nicht zum Eigenruhme führt. Als Minderheit aber wie jetzt
kann die badische liberale Partei die Regierung auf die Dauer nicht stützen;
es erwächst für sie die Verpflichtung, alles daran zu setzen, um ihr wieder aus¬
reichenden Halt zu gewähren. Darum zurück auf die Schanzen! Und dieser
Ruf gilt in kirchenpolitischen Fragen nicht nur für Baden, sondern auch für
das Reich.




Kritische Studien
zu Fürst Bismarcks Gedanken und Erinnerungen
Btto Uaeminel von(Schluß)

u deu Zusammenhang dieser Gegenminen gehört nun unzweifel¬
haft auch Bismarcks Behandlung der spanischen Thronkandidatur
des Prinzen Leopold von Hohenzollern, und nur als Glied eines
großen Ganzen ist sie völlig verständlich. Die Gedanken und Er¬
innerungen deuten aber diesen Zusammenhang nicht nur kaum an
sondern sie schwächen auch Bismarcks Anteil an diesen Dingen zu sehr ab'
Und doch kann nach den Veröffentlichungen "Aus dem Leben König Karls


Grenzboten II 1899 79

freiheit mit Beseitigung jedes staatlichen Ablehuungs- und Aufsichtsrechts
einzuführen, in der badischen Kammer; die ganze Zentrumspartei stimmte ge¬
schlossen dafür. Auch hier möchte man wieder fragen: Kann man nicht von
diesen Männern etwas mehr Würdigung der notwendigen staatlichen Hoheits¬
rechte verlangen? Nun, jedenfalls hatte nie der Staat ein besseres Gewissen
als der, der diesen Bestrebungen mit festem Willen entgegentritt.

Aber die Abstimmung bleibt darum bestehn; den 32 Stimmen stand
nur eine Minderheit von 25 gegenüber. Wer etwas vom Parlamentarismus
hält, wird verlangen müssen, daß aus diesem Stimmenverhältnis die Folge¬
rungen gezogen werden. Auch im konstitutionellen Staate ist es unnatürlich,
wenn eine Partei eine Generation lang und länger am Ruder ist. Die
Opposition muß einmal heran, nicht, um sich am Futtertroge gütlich zu
thun, sondern um mit ihren Ideen und ihren Persönlichkeiten dem gemeinen
Wesen zu dienen. Aber Voraussetzung dafür ist, daß wirklich nur poli¬
tische Ideen maßgebend sind, und daß die Grundlagen und Ziele dieselben
bleiben. Weder im Reiche noch in dem Einzelstaate, um den es sich hier
handelt, haben wir eine solche regierungsfähige Opposition. Nun und nimmer¬
mehr kann in diesem Falle die regierende Minderheit die Fahne sinken lassen,
die sie wahrlich nicht zum Eigenruhme führt. Als Minderheit aber wie jetzt
kann die badische liberale Partei die Regierung auf die Dauer nicht stützen;
es erwächst für sie die Verpflichtung, alles daran zu setzen, um ihr wieder aus¬
reichenden Halt zu gewähren. Darum zurück auf die Schanzen! Und dieser
Ruf gilt in kirchenpolitischen Fragen nicht nur für Baden, sondern auch für
das Reich.




Kritische Studien
zu Fürst Bismarcks Gedanken und Erinnerungen
Btto Uaeminel von(Schluß)

u deu Zusammenhang dieser Gegenminen gehört nun unzweifel¬
haft auch Bismarcks Behandlung der spanischen Thronkandidatur
des Prinzen Leopold von Hohenzollern, und nur als Glied eines
großen Ganzen ist sie völlig verständlich. Die Gedanken und Er¬
innerungen deuten aber diesen Zusammenhang nicht nur kaum an
sondern sie schwächen auch Bismarcks Anteil an diesen Dingen zu sehr ab'
Und doch kann nach den Veröffentlichungen „Aus dem Leben König Karls


Grenzboten II 1899 79
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[0633] freiheit mit Beseitigung jedes staatlichen Ablehuungs- und Aufsichtsrechts einzuführen, in der badischen Kammer; die ganze Zentrumspartei stimmte ge¬ schlossen dafür. Auch hier möchte man wieder fragen: Kann man nicht von diesen Männern etwas mehr Würdigung der notwendigen staatlichen Hoheits¬ rechte verlangen? Nun, jedenfalls hatte nie der Staat ein besseres Gewissen als der, der diesen Bestrebungen mit festem Willen entgegentritt. Aber die Abstimmung bleibt darum bestehn; den 32 Stimmen stand nur eine Minderheit von 25 gegenüber. Wer etwas vom Parlamentarismus hält, wird verlangen müssen, daß aus diesem Stimmenverhältnis die Folge¬ rungen gezogen werden. Auch im konstitutionellen Staate ist es unnatürlich, wenn eine Partei eine Generation lang und länger am Ruder ist. Die Opposition muß einmal heran, nicht, um sich am Futtertroge gütlich zu thun, sondern um mit ihren Ideen und ihren Persönlichkeiten dem gemeinen Wesen zu dienen. Aber Voraussetzung dafür ist, daß wirklich nur poli¬ tische Ideen maßgebend sind, und daß die Grundlagen und Ziele dieselben bleiben. Weder im Reiche noch in dem Einzelstaate, um den es sich hier handelt, haben wir eine solche regierungsfähige Opposition. Nun und nimmer¬ mehr kann in diesem Falle die regierende Minderheit die Fahne sinken lassen, die sie wahrlich nicht zum Eigenruhme führt. Als Minderheit aber wie jetzt kann die badische liberale Partei die Regierung auf die Dauer nicht stützen; es erwächst für sie die Verpflichtung, alles daran zu setzen, um ihr wieder aus¬ reichenden Halt zu gewähren. Darum zurück auf die Schanzen! Und dieser Ruf gilt in kirchenpolitischen Fragen nicht nur für Baden, sondern auch für das Reich. Kritische Studien zu Fürst Bismarcks Gedanken und Erinnerungen Btto Uaeminel von(Schluß) u deu Zusammenhang dieser Gegenminen gehört nun unzweifel¬ haft auch Bismarcks Behandlung der spanischen Thronkandidatur des Prinzen Leopold von Hohenzollern, und nur als Glied eines großen Ganzen ist sie völlig verständlich. Die Gedanken und Er¬ innerungen deuten aber diesen Zusammenhang nicht nur kaum an sondern sie schwächen auch Bismarcks Anteil an diesen Dingen zu sehr ab' Und doch kann nach den Veröffentlichungen „Aus dem Leben König Karls Grenzboten II 1899 79

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_230431/633>, abgerufen am 30.04.2024.