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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Zweites Vierteljahr.

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Zur äußern Lage der Volksschule in Preußen

eit im Jahre 1392 der Versuch des damaligen Kultusministers
Grafen von Zedlitz gescheitert ist, das preußische Volksschulwesen
in seiner Gesamtheit neu zu regeln in einer Weise, die den
grundlegenden Bestimmungen der Verfassungsurkunde entsprechen
sollte -- seitdem ist die Volksschulfrage nicht zur Ruhe ge¬
kommen; im Gegenteil ist die Frage, wie die Pflicht zur Unterhaltung der
Volksschule den heutigen Verhältnissen und Bedürfnissen entsprechend und
zugleich gerecht geregelt werden könne, immer brennender geworden. Denn die
Kosten der Volksschule sind einmal in rasch anwachsenden Städten und in
Vororten größerer oder industriereicher Städte durch die Notwendigkeit, neue
Schulklassen einzurichten, neue Lehrkräfte anzustellen usw., sodann aber ziemlich
allgemein dadurch auf eine ungeahnte und vielfach geradezu unerträgliche Höhe
gestiegen, daß die Lehrerbesoldungen und die Lehrerruhegehalte u. a. neuer¬
dings endlich so festgesetzt sind, wie es der heutigen Lage der Lehrer und ihren
berechtigten Ansprüchen annähernd entspricht. Ob die Gehaltsregelung, die in
den einzelnen Provinzen und innerhalb der Provinzen je nach den Teuerungs-
verhältnisfen der einzelnen Schulorte sehr verschieden getroffen ist, durchweg
angemessen, ob sie im Vergleich mit den Einkommensverhältnissen von andern
Staats- oder Gemeindebeamten ähnlicher Bildung und gleichwertiger Berufs¬
thätigkeit ausreichend, ob sie gerecht und billig ist -- auf diese Frage gehn
wir hier nicht ein. Genug, die Kosten der Volksschulunterhaltung sind noch
in der allerneuesten Zeit außerordentlich gewachsen, die von jeher verschiedne
Belastung der Schuluntcrhaltungsverbände ist noch verschiedner und fast
überall drückender geworden.

In dem größten Teile der preußischen Monarchie haben alle zu einer
bestimmten Schule "eingeschulten" selbständigen Staatsangehörigen, die so-


Grenzboten II 1899 85


Zur äußern Lage der Volksschule in Preußen

eit im Jahre 1392 der Versuch des damaligen Kultusministers
Grafen von Zedlitz gescheitert ist, das preußische Volksschulwesen
in seiner Gesamtheit neu zu regeln in einer Weise, die den
grundlegenden Bestimmungen der Verfassungsurkunde entsprechen
sollte — seitdem ist die Volksschulfrage nicht zur Ruhe ge¬
kommen; im Gegenteil ist die Frage, wie die Pflicht zur Unterhaltung der
Volksschule den heutigen Verhältnissen und Bedürfnissen entsprechend und
zugleich gerecht geregelt werden könne, immer brennender geworden. Denn die
Kosten der Volksschule sind einmal in rasch anwachsenden Städten und in
Vororten größerer oder industriereicher Städte durch die Notwendigkeit, neue
Schulklassen einzurichten, neue Lehrkräfte anzustellen usw., sodann aber ziemlich
allgemein dadurch auf eine ungeahnte und vielfach geradezu unerträgliche Höhe
gestiegen, daß die Lehrerbesoldungen und die Lehrerruhegehalte u. a. neuer¬
dings endlich so festgesetzt sind, wie es der heutigen Lage der Lehrer und ihren
berechtigten Ansprüchen annähernd entspricht. Ob die Gehaltsregelung, die in
den einzelnen Provinzen und innerhalb der Provinzen je nach den Teuerungs-
verhältnisfen der einzelnen Schulorte sehr verschieden getroffen ist, durchweg
angemessen, ob sie im Vergleich mit den Einkommensverhältnissen von andern
Staats- oder Gemeindebeamten ähnlicher Bildung und gleichwertiger Berufs¬
thätigkeit ausreichend, ob sie gerecht und billig ist — auf diese Frage gehn
wir hier nicht ein. Genug, die Kosten der Volksschulunterhaltung sind noch
in der allerneuesten Zeit außerordentlich gewachsen, die von jeher verschiedne
Belastung der Schuluntcrhaltungsverbände ist noch verschiedner und fast
überall drückender geworden.

In dem größten Teile der preußischen Monarchie haben alle zu einer
bestimmten Schule „eingeschulten" selbständigen Staatsangehörigen, die so-


Grenzboten II 1899 85
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[0681] [Abbildung] Zur äußern Lage der Volksschule in Preußen eit im Jahre 1392 der Versuch des damaligen Kultusministers Grafen von Zedlitz gescheitert ist, das preußische Volksschulwesen in seiner Gesamtheit neu zu regeln in einer Weise, die den grundlegenden Bestimmungen der Verfassungsurkunde entsprechen sollte — seitdem ist die Volksschulfrage nicht zur Ruhe ge¬ kommen; im Gegenteil ist die Frage, wie die Pflicht zur Unterhaltung der Volksschule den heutigen Verhältnissen und Bedürfnissen entsprechend und zugleich gerecht geregelt werden könne, immer brennender geworden. Denn die Kosten der Volksschule sind einmal in rasch anwachsenden Städten und in Vororten größerer oder industriereicher Städte durch die Notwendigkeit, neue Schulklassen einzurichten, neue Lehrkräfte anzustellen usw., sodann aber ziemlich allgemein dadurch auf eine ungeahnte und vielfach geradezu unerträgliche Höhe gestiegen, daß die Lehrerbesoldungen und die Lehrerruhegehalte u. a. neuer¬ dings endlich so festgesetzt sind, wie es der heutigen Lage der Lehrer und ihren berechtigten Ansprüchen annähernd entspricht. Ob die Gehaltsregelung, die in den einzelnen Provinzen und innerhalb der Provinzen je nach den Teuerungs- verhältnisfen der einzelnen Schulorte sehr verschieden getroffen ist, durchweg angemessen, ob sie im Vergleich mit den Einkommensverhältnissen von andern Staats- oder Gemeindebeamten ähnlicher Bildung und gleichwertiger Berufs¬ thätigkeit ausreichend, ob sie gerecht und billig ist — auf diese Frage gehn wir hier nicht ein. Genug, die Kosten der Volksschulunterhaltung sind noch in der allerneuesten Zeit außerordentlich gewachsen, die von jeher verschiedne Belastung der Schuluntcrhaltungsverbände ist noch verschiedner und fast überall drückender geworden. In dem größten Teile der preußischen Monarchie haben alle zu einer bestimmten Schule „eingeschulten" selbständigen Staatsangehörigen, die so- Grenzboten II 1899 85

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_230431/681>, abgerufen am 30.04.2024.