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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Zweites Vierteljahr.

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Aus den schwarzen Bergen

Wie hier die Menzelschen Runensteine zu Marmorblöcken wurden, so ist
die nachstehende Stelle über Tieck für Heines witzige Art der Benutzung
Menzelscher Gedanken bezeichnend.


[Beginn Spaltensatz] Menzel

Das Publikum sür solche Dichtungen
(Volksbücher Tiecks) sind und bleiben die
Kinder und kindliche Menschen, und der
Dichter muß sich wie der Leser in das
unbefangne Jugendalter zurückversetzen.

[Spaltenumbruch]
Heine

Er (Tieck) hatte von den Volks-
büchern und Gedichten des Mittelalters
so viel eingeschluckt, daß er fast wieder
ein Kind wurde und zu jener lallender
Einfalt herabblühte, die Frau v. Stael
so sehr viel Mühe hatte zu bewundern.


[Ende Spaltensatz]

Ich könnte mit Beispielen dieser Art fortfahren, auch aus dem zweiten
Teile der "Romantischen Schule," ich glaube jedoch dargethan zu haben, wie
Heine das Menzelsche Buch benutzte. Zum Schluß möchte ich noch bemerken,
daß ich es mit diesen Zeilen keineswegs auf eine "Rettung" Menzels abgesehen
habe, denn mir ist der alte Menzel ebenso zuwider wie der alte Heine. Be¬
kennen darf ich aber wohl, daß mir die vorliegende Arbeit in anderm Sinne
eine Genugthuung gewährte, im Sinne des Gerechtigkeitsgefühls, das sich
vielleicht auch dem Leser mitteilen mag. Denn wer möchte sich wohl der gött¬
lichen Ironie verschließen, die sich in der Thatsache offenbart, daß Heine
schließlich den besten Teil seiner berühmten "Romantischen Schule" seinem
spätern Erzfeinde verdankt, dem Manne, auf den er später alle Verleumdung
und Beschimpfung häufte, deren seine boshafte Natur nur fähig war.


Julius Goebel


Aus den schwarzen Bergen

ir traten unsre Heimreise durch die Herzegowina und Bosnien
an. Fürchten Sie nichts! Nicht will ich Ihnen von Mostars
weitberühmter, mächtiger Brücke erzählen, die sich in trotzigem
Bogen über die Narenta spannt, belebt von bunten Gestalten,
Figuren aus "Tausend und Einer Nacht," von Männern mit
dem Ernst des Orients auf der Stirn, von Frauen im kecken Fes und weit¬
gefalteten Beinkleidern, in neidisch-verhüllendem Schleier und gelben Pantoffeln.
Nicht will ich preisen die Schönheit des am hohen Bergesrücken hingeschmiegten
Serajewos. mit seinen alten Moscheen und Minarets und den neuen Palästen,WA
WARD


Aus den schwarzen Bergen

Wie hier die Menzelschen Runensteine zu Marmorblöcken wurden, so ist
die nachstehende Stelle über Tieck für Heines witzige Art der Benutzung
Menzelscher Gedanken bezeichnend.


[Beginn Spaltensatz] Menzel

Das Publikum sür solche Dichtungen
(Volksbücher Tiecks) sind und bleiben die
Kinder und kindliche Menschen, und der
Dichter muß sich wie der Leser in das
unbefangne Jugendalter zurückversetzen.

[Spaltenumbruch]
Heine

Er (Tieck) hatte von den Volks-
büchern und Gedichten des Mittelalters
so viel eingeschluckt, daß er fast wieder
ein Kind wurde und zu jener lallender
Einfalt herabblühte, die Frau v. Stael
so sehr viel Mühe hatte zu bewundern.


[Ende Spaltensatz]

Ich könnte mit Beispielen dieser Art fortfahren, auch aus dem zweiten
Teile der „Romantischen Schule," ich glaube jedoch dargethan zu haben, wie
Heine das Menzelsche Buch benutzte. Zum Schluß möchte ich noch bemerken,
daß ich es mit diesen Zeilen keineswegs auf eine „Rettung" Menzels abgesehen
habe, denn mir ist der alte Menzel ebenso zuwider wie der alte Heine. Be¬
kennen darf ich aber wohl, daß mir die vorliegende Arbeit in anderm Sinne
eine Genugthuung gewährte, im Sinne des Gerechtigkeitsgefühls, das sich
vielleicht auch dem Leser mitteilen mag. Denn wer möchte sich wohl der gött¬
lichen Ironie verschließen, die sich in der Thatsache offenbart, daß Heine
schließlich den besten Teil seiner berühmten „Romantischen Schule" seinem
spätern Erzfeinde verdankt, dem Manne, auf den er später alle Verleumdung
und Beschimpfung häufte, deren seine boshafte Natur nur fähig war.


Julius Goebel


Aus den schwarzen Bergen

ir traten unsre Heimreise durch die Herzegowina und Bosnien
an. Fürchten Sie nichts! Nicht will ich Ihnen von Mostars
weitberühmter, mächtiger Brücke erzählen, die sich in trotzigem
Bogen über die Narenta spannt, belebt von bunten Gestalten,
Figuren aus „Tausend und Einer Nacht," von Männern mit
dem Ernst des Orients auf der Stirn, von Frauen im kecken Fes und weit¬
gefalteten Beinkleidern, in neidisch-verhüllendem Schleier und gelben Pantoffeln.
Nicht will ich preisen die Schönheit des am hohen Bergesrücken hingeschmiegten
Serajewos. mit seinen alten Moscheen und Minarets und den neuen Palästen,WA
WARD


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[0712] Aus den schwarzen Bergen Wie hier die Menzelschen Runensteine zu Marmorblöcken wurden, so ist die nachstehende Stelle über Tieck für Heines witzige Art der Benutzung Menzelscher Gedanken bezeichnend. Menzel Das Publikum sür solche Dichtungen (Volksbücher Tiecks) sind und bleiben die Kinder und kindliche Menschen, und der Dichter muß sich wie der Leser in das unbefangne Jugendalter zurückversetzen. Heine Er (Tieck) hatte von den Volks- büchern und Gedichten des Mittelalters so viel eingeschluckt, daß er fast wieder ein Kind wurde und zu jener lallender Einfalt herabblühte, die Frau v. Stael so sehr viel Mühe hatte zu bewundern. Ich könnte mit Beispielen dieser Art fortfahren, auch aus dem zweiten Teile der „Romantischen Schule," ich glaube jedoch dargethan zu haben, wie Heine das Menzelsche Buch benutzte. Zum Schluß möchte ich noch bemerken, daß ich es mit diesen Zeilen keineswegs auf eine „Rettung" Menzels abgesehen habe, denn mir ist der alte Menzel ebenso zuwider wie der alte Heine. Be¬ kennen darf ich aber wohl, daß mir die vorliegende Arbeit in anderm Sinne eine Genugthuung gewährte, im Sinne des Gerechtigkeitsgefühls, das sich vielleicht auch dem Leser mitteilen mag. Denn wer möchte sich wohl der gött¬ lichen Ironie verschließen, die sich in der Thatsache offenbart, daß Heine schließlich den besten Teil seiner berühmten „Romantischen Schule" seinem spätern Erzfeinde verdankt, dem Manne, auf den er später alle Verleumdung und Beschimpfung häufte, deren seine boshafte Natur nur fähig war. Julius Goebel Aus den schwarzen Bergen ir traten unsre Heimreise durch die Herzegowina und Bosnien an. Fürchten Sie nichts! Nicht will ich Ihnen von Mostars weitberühmter, mächtiger Brücke erzählen, die sich in trotzigem Bogen über die Narenta spannt, belebt von bunten Gestalten, Figuren aus „Tausend und Einer Nacht," von Männern mit dem Ernst des Orients auf der Stirn, von Frauen im kecken Fes und weit¬ gefalteten Beinkleidern, in neidisch-verhüllendem Schleier und gelben Pantoffeln. Nicht will ich preisen die Schönheit des am hohen Bergesrücken hingeschmiegten Serajewos. mit seinen alten Moscheen und Minarets und den neuen Palästen,WA WARD

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_230431/712>, abgerufen am 30.04.2024.