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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Zweites Vierteljahr.

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in Angora sprach, in Erfüllung gehn möge: "Alexander und Mithridates sind
in Angora eingezogen, ohne Spuren zu hinterlassen, aber die Spuren des
Fremdlings, der jetzt bei uns einzieht, werden nicht vergehn!"




it)le Bayern ein moderner Htaat wurde
Line Säkulcirerimienmg

urfürst Karl Theodor von Pfalzbayern war am 16. Februar 1799
gestorben. Sein Nachfolger, Maximilian Joseph, Herzog von
Zweibrücken, trat eine Erbschaft an, zu deren Behauptung der
größte Aufwand von Kraft und Klugheit erforderlich war. Auf
der einen Seite hielten österreichische Truppen das Land besetzt,
auf der andern drohte Rußland mit einer Okkupation. Frankreich drängte auf
den Abschluß einer Allianz hin, mir Preußen stand in einem aufrichtig freund-
schaftlichen Verhältnis zu dem Kurstaate. Sein Bestreben, die österreichische
Macht in Schach zu halten, war es ja gewesen, das das Kurfürstentum zwei¬
mal vom drohenden Untergang durch Österreich gerettet hatte. Die Annexions¬
gelüste der Habsburger schrieben sich von alter Zeit her. Das reiche frucht¬
bare Getreideland am untern Laufe des Jnn, der Jsar und der bayrischen
Donau erschien ihnen zur geographischen Abrundung ihrer deutschen Stamm¬
lande vortrefflich geeignet; wichtiger noch würde die Erwerbung dadurch ge¬
worden sein, daß Österreich damit für alle Zeiten ein unberechenbares Über¬
gewicht in Deutschland erlangt haben würde.

Schon zur Zeit Josephs I. war der Gedanke eines Ländertausches einmal
aufgetaucht, doch brachte erst der Tod des Kurfürsten Max III. Joseph (1777)
den schon längst im stillen gehegten Wunsch ans Licht. Damals war es
Friedrich der Große gewesen, der den Plan durchkreuzte. Wieder acht Jahre
später, nachdem durch das Ableben Maria Theresias das versöhnliche und
friedliebende Element von der Seite Josephs II. gewichen war, trat dieser,
diesmal von Rußland unterstützt, mit dem Plane hervor, Bayern durch einen
Ländertausch zu erwerben. Karl Theodor, ohne Interesse für seine Dynastie
und seine Agnaten, nur um die Versorgung seiner Bastarde bekümmert, war
leicht dafür zu gewinnen, die altbayrischen Stammlande, die ihm stets fremd
geblieben waren, für die österreichischen Niederlande mit dem blendenden Titel
eines "Königs von Burgund" hinzugebe". Damals schrieb der dadurch am
nächsten bedrohte Herzog Karl von Zweibrücken (geht. 1795) an Friedrich den
Großen: "Ew. Majestät sind allein imstande, die umfassenden Entwürfe eines
Fürsten aufzuhalten, dessen verzehrender Ehrgeiz und dessen Habgier mit seiner'


Grenzboten 1l 1899 !>

in Angora sprach, in Erfüllung gehn möge: „Alexander und Mithridates sind
in Angora eingezogen, ohne Spuren zu hinterlassen, aber die Spuren des
Fremdlings, der jetzt bei uns einzieht, werden nicht vergehn!"




it)le Bayern ein moderner Htaat wurde
Line Säkulcirerimienmg

urfürst Karl Theodor von Pfalzbayern war am 16. Februar 1799
gestorben. Sein Nachfolger, Maximilian Joseph, Herzog von
Zweibrücken, trat eine Erbschaft an, zu deren Behauptung der
größte Aufwand von Kraft und Klugheit erforderlich war. Auf
der einen Seite hielten österreichische Truppen das Land besetzt,
auf der andern drohte Rußland mit einer Okkupation. Frankreich drängte auf
den Abschluß einer Allianz hin, mir Preußen stand in einem aufrichtig freund-
schaftlichen Verhältnis zu dem Kurstaate. Sein Bestreben, die österreichische
Macht in Schach zu halten, war es ja gewesen, das das Kurfürstentum zwei¬
mal vom drohenden Untergang durch Österreich gerettet hatte. Die Annexions¬
gelüste der Habsburger schrieben sich von alter Zeit her. Das reiche frucht¬
bare Getreideland am untern Laufe des Jnn, der Jsar und der bayrischen
Donau erschien ihnen zur geographischen Abrundung ihrer deutschen Stamm¬
lande vortrefflich geeignet; wichtiger noch würde die Erwerbung dadurch ge¬
worden sein, daß Österreich damit für alle Zeiten ein unberechenbares Über¬
gewicht in Deutschland erlangt haben würde.

Schon zur Zeit Josephs I. war der Gedanke eines Ländertausches einmal
aufgetaucht, doch brachte erst der Tod des Kurfürsten Max III. Joseph (1777)
den schon längst im stillen gehegten Wunsch ans Licht. Damals war es
Friedrich der Große gewesen, der den Plan durchkreuzte. Wieder acht Jahre
später, nachdem durch das Ableben Maria Theresias das versöhnliche und
friedliebende Element von der Seite Josephs II. gewichen war, trat dieser,
diesmal von Rußland unterstützt, mit dem Plane hervor, Bayern durch einen
Ländertausch zu erwerben. Karl Theodor, ohne Interesse für seine Dynastie
und seine Agnaten, nur um die Versorgung seiner Bastarde bekümmert, war
leicht dafür zu gewinnen, die altbayrischen Stammlande, die ihm stets fremd
geblieben waren, für die österreichischen Niederlande mit dem blendenden Titel
eines „Königs von Burgund" hinzugebe». Damals schrieb der dadurch am
nächsten bedrohte Herzog Karl von Zweibrücken (geht. 1795) an Friedrich den
Großen: „Ew. Majestät sind allein imstande, die umfassenden Entwürfe eines
Fürsten aufzuhalten, dessen verzehrender Ehrgeiz und dessen Habgier mit seiner'


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[0073] in Angora sprach, in Erfüllung gehn möge: „Alexander und Mithridates sind in Angora eingezogen, ohne Spuren zu hinterlassen, aber die Spuren des Fremdlings, der jetzt bei uns einzieht, werden nicht vergehn!" it)le Bayern ein moderner Htaat wurde Line Säkulcirerimienmg urfürst Karl Theodor von Pfalzbayern war am 16. Februar 1799 gestorben. Sein Nachfolger, Maximilian Joseph, Herzog von Zweibrücken, trat eine Erbschaft an, zu deren Behauptung der größte Aufwand von Kraft und Klugheit erforderlich war. Auf der einen Seite hielten österreichische Truppen das Land besetzt, auf der andern drohte Rußland mit einer Okkupation. Frankreich drängte auf den Abschluß einer Allianz hin, mir Preußen stand in einem aufrichtig freund- schaftlichen Verhältnis zu dem Kurstaate. Sein Bestreben, die österreichische Macht in Schach zu halten, war es ja gewesen, das das Kurfürstentum zwei¬ mal vom drohenden Untergang durch Österreich gerettet hatte. Die Annexions¬ gelüste der Habsburger schrieben sich von alter Zeit her. Das reiche frucht¬ bare Getreideland am untern Laufe des Jnn, der Jsar und der bayrischen Donau erschien ihnen zur geographischen Abrundung ihrer deutschen Stamm¬ lande vortrefflich geeignet; wichtiger noch würde die Erwerbung dadurch ge¬ worden sein, daß Österreich damit für alle Zeiten ein unberechenbares Über¬ gewicht in Deutschland erlangt haben würde. Schon zur Zeit Josephs I. war der Gedanke eines Ländertausches einmal aufgetaucht, doch brachte erst der Tod des Kurfürsten Max III. Joseph (1777) den schon längst im stillen gehegten Wunsch ans Licht. Damals war es Friedrich der Große gewesen, der den Plan durchkreuzte. Wieder acht Jahre später, nachdem durch das Ableben Maria Theresias das versöhnliche und friedliebende Element von der Seite Josephs II. gewichen war, trat dieser, diesmal von Rußland unterstützt, mit dem Plane hervor, Bayern durch einen Ländertausch zu erwerben. Karl Theodor, ohne Interesse für seine Dynastie und seine Agnaten, nur um die Versorgung seiner Bastarde bekümmert, war leicht dafür zu gewinnen, die altbayrischen Stammlande, die ihm stets fremd geblieben waren, für die österreichischen Niederlande mit dem blendenden Titel eines „Königs von Burgund" hinzugebe». Damals schrieb der dadurch am nächsten bedrohte Herzog Karl von Zweibrücken (geht. 1795) an Friedrich den Großen: „Ew. Majestät sind allein imstande, die umfassenden Entwürfe eines Fürsten aufzuhalten, dessen verzehrender Ehrgeiz und dessen Habgier mit seiner' Grenzboten 1l 1899 !>

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_230431/73>, abgerufen am 30.04.2024.