Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Viertes Vierteljahr.Maßgebliches und Unmaßgebliches er in Beziehung auf die Judenfrage: "Statt die Heilung des Unheils der sittlichen Moderne Astrologen. Als Heinrich IV. am 13. Dezember 1553 im Mit dieser einfachen Weissagung, an der gewiß niemand, weder Ritter noch Maßgebliches und Unmaßgebliches er in Beziehung auf die Judenfrage: „Statt die Heilung des Unheils der sittlichen Moderne Astrologen. Als Heinrich IV. am 13. Dezember 1553 im Mit dieser einfachen Weissagung, an der gewiß niemand, weder Ritter noch <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0122" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/231934"/> <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/> <p xml:id="ID_483" prev="#ID_482"> er in Beziehung auf die Judenfrage: „Statt die Heilung des Unheils der sittlichen<lb/> Kraft der Volkserziehung zu überlassen, stiftete mau unter dem verhetzenden An¬<lb/> trieb Stöckers eine Partei, die antisemitische" usw. Wenn Herr Wolff den be¬<lb/> treffenden Abschnitt in Paul Göhrcs Buch: Die evangelisch-soziale Bewegung ge¬<lb/> lesen haben wird, wird er Stiicker diese fahrlässige Verleumdung öffentlich abbitten.—<lb/> Zum Schluß erwähnen wir noch die Fragmente zur Sozialwissenschaft von<lb/> Adolf Merkel, verstorbnen Professor des Strafrechts und der Rechtsphilosophie<lb/> an der Universität Straßburg (Straßburg, bei Karl I. Trübner, 1898, mit einem<lb/> Bildnis des Verfassers). Die Söhne des bei Lebzeiten wenig bekannt gewordnen<lb/> Mannes haben diese Vorträge und Abhandlungen herausgegeben, die u. a. höchst<lb/> interessante Betrachtungen über die Natur, Entwicklung und Berechtigung der<lb/> politischen Parteien enthalten.</p><lb/> </div> <div n="2"> <head> Moderne Astrologen.</head> <p xml:id="ID_484"> Als Heinrich IV. am 13. Dezember 1553 im<lb/> Schlosse zu Pan geboren wurde, nahm ihn sein Großvater, der König von Navnrra<lb/> und Bearn, auf den Arm, hüllte ihn in seinen Mantel und trug ihn auf sein<lb/> Zimmer. Hier rieb er seine Lippen mit einer Knoblauchzehe und schenkte Wein<lb/> von Jurcmyon in seinen goldnen Becher; und da das Kind den Kopf in die Höhe<lb/> hob, goß er ihm ein paar Tropfen dieses edeln Landweins in den Mund, die es<lb/> herzhaft hinunterschluckte. Da sagte der alte König vor den Rittern und Edel¬<lb/> damen des Gefolges überglücklich: Du wirst einmal ein richtiger Bearner werden.</p><lb/> <p xml:id="ID_485"> Mit dieser einfachen Weissagung, an der gewiß niemand, weder Ritter noch<lb/> Dame etwas besondres gefunden hat, vergleiche man nun einmal die Prophezeiung,<lb/> die ein zünftiger Seher am 17. Januar 1732 ans dem Schlosse zu Wolczyn bei<lb/> der Geburt des letzten Königs von Polen zum besten gegeben hat, und bei der<lb/> alle Anwesenden zusammengefahren sein sollen. In Wvlczyu residierte der Kastellan<lb/> von Krakau, der Graf Stanislaw Pvniatoivski; er hatte von seiner Gemahlin, der<lb/> Fürstin Konstantia Czartoryiska schon vier Kinder, und man erwartete jeden<lb/> Augenblick die Geburt eines fünften. Im Schloß war alles in fieberhafter Span¬<lb/> nung; die Kinder spielten im Hofe und warfen sich mit Schneebälle»; der Graf<lb/> sah besorgt in die blauen Wölkchen, die aus seiner türkischen Pfeife aufstiegen.<lb/> Da riß ihn ein Leeren plötzlich aus seinen Träumen. Die Kinder kamen gelaufen<lb/> und brachten einen Fremden, der den Herrn zu sprechen wünschte. Es war ein<lb/> Astrolog — damals gab es noch Astrologen von Beruf —, von Geburt ein Schwede.<lb/> Ein merkwürdiger Mann in einem langen weiten Mantel und einer hohen Mütze,<lb/> mit einem Gürtel, auf den die Zeichen des Tierkreises gestickt waren; in der Hand<lb/> hatte er einen Zauberstab. Er reiste zu wissenschaftlichen Zwecken, wie er in seiner<lb/> ernsten, förmlichen Weise angab; er hatte vor, sich mit einem berühmten Rabbiner<lb/> in Kosenitzy zu besprechen. Es wurden ihm sogleich Erfrischungen gereicht; dankbar<lb/> erbot er sich, den Kindern das Horoskop zu stellen. Der Graf lächelte ungläubig,<lb/> doch ließ er es geschehn, daß sich der Mann über Tag und Stunde der Geburt<lb/> eines jeden unterrichtete und den Mädchen glänzende Heiraten, den Knaben Ruhm<lb/> und Ehre und was weiß ich alles prophezeite. In diesem Augenblicke hörte man<lb/> ein Kind schreien. Ä! Ä! — Es war der erwartete fünfte Sprößling, der eben<lb/> das Licht der Welt erblickt hatte, und den die Hebamme hereinbrachte, um ihn vor<lb/> dem Grafen niederzulegen. Der Astrolog sah das Knciblein scharf an und geriet<lb/> sichtlich in Aufregung. Ich grüße dich, König vou Polen! — rief er feierlich.<lb/> Schon heute bist du König, obwohl du von deiner Thronerhebung und von dem<lb/> Unglück, das sich daran knüpfen wird, nichts ahnst.</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0122]
Maßgebliches und Unmaßgebliches
er in Beziehung auf die Judenfrage: „Statt die Heilung des Unheils der sittlichen
Kraft der Volkserziehung zu überlassen, stiftete mau unter dem verhetzenden An¬
trieb Stöckers eine Partei, die antisemitische" usw. Wenn Herr Wolff den be¬
treffenden Abschnitt in Paul Göhrcs Buch: Die evangelisch-soziale Bewegung ge¬
lesen haben wird, wird er Stiicker diese fahrlässige Verleumdung öffentlich abbitten.—
Zum Schluß erwähnen wir noch die Fragmente zur Sozialwissenschaft von
Adolf Merkel, verstorbnen Professor des Strafrechts und der Rechtsphilosophie
an der Universität Straßburg (Straßburg, bei Karl I. Trübner, 1898, mit einem
Bildnis des Verfassers). Die Söhne des bei Lebzeiten wenig bekannt gewordnen
Mannes haben diese Vorträge und Abhandlungen herausgegeben, die u. a. höchst
interessante Betrachtungen über die Natur, Entwicklung und Berechtigung der
politischen Parteien enthalten.
Moderne Astrologen. Als Heinrich IV. am 13. Dezember 1553 im
Schlosse zu Pan geboren wurde, nahm ihn sein Großvater, der König von Navnrra
und Bearn, auf den Arm, hüllte ihn in seinen Mantel und trug ihn auf sein
Zimmer. Hier rieb er seine Lippen mit einer Knoblauchzehe und schenkte Wein
von Jurcmyon in seinen goldnen Becher; und da das Kind den Kopf in die Höhe
hob, goß er ihm ein paar Tropfen dieses edeln Landweins in den Mund, die es
herzhaft hinunterschluckte. Da sagte der alte König vor den Rittern und Edel¬
damen des Gefolges überglücklich: Du wirst einmal ein richtiger Bearner werden.
Mit dieser einfachen Weissagung, an der gewiß niemand, weder Ritter noch
Dame etwas besondres gefunden hat, vergleiche man nun einmal die Prophezeiung,
die ein zünftiger Seher am 17. Januar 1732 ans dem Schlosse zu Wolczyn bei
der Geburt des letzten Königs von Polen zum besten gegeben hat, und bei der
alle Anwesenden zusammengefahren sein sollen. In Wvlczyu residierte der Kastellan
von Krakau, der Graf Stanislaw Pvniatoivski; er hatte von seiner Gemahlin, der
Fürstin Konstantia Czartoryiska schon vier Kinder, und man erwartete jeden
Augenblick die Geburt eines fünften. Im Schloß war alles in fieberhafter Span¬
nung; die Kinder spielten im Hofe und warfen sich mit Schneebälle»; der Graf
sah besorgt in die blauen Wölkchen, die aus seiner türkischen Pfeife aufstiegen.
Da riß ihn ein Leeren plötzlich aus seinen Träumen. Die Kinder kamen gelaufen
und brachten einen Fremden, der den Herrn zu sprechen wünschte. Es war ein
Astrolog — damals gab es noch Astrologen von Beruf —, von Geburt ein Schwede.
Ein merkwürdiger Mann in einem langen weiten Mantel und einer hohen Mütze,
mit einem Gürtel, auf den die Zeichen des Tierkreises gestickt waren; in der Hand
hatte er einen Zauberstab. Er reiste zu wissenschaftlichen Zwecken, wie er in seiner
ernsten, förmlichen Weise angab; er hatte vor, sich mit einem berühmten Rabbiner
in Kosenitzy zu besprechen. Es wurden ihm sogleich Erfrischungen gereicht; dankbar
erbot er sich, den Kindern das Horoskop zu stellen. Der Graf lächelte ungläubig,
doch ließ er es geschehn, daß sich der Mann über Tag und Stunde der Geburt
eines jeden unterrichtete und den Mädchen glänzende Heiraten, den Knaben Ruhm
und Ehre und was weiß ich alles prophezeite. In diesem Augenblicke hörte man
ein Kind schreien. Ä! Ä! — Es war der erwartete fünfte Sprößling, der eben
das Licht der Welt erblickt hatte, und den die Hebamme hereinbrachte, um ihn vor
dem Grafen niederzulegen. Der Astrolog sah das Knciblein scharf an und geriet
sichtlich in Aufregung. Ich grüße dich, König vou Polen! — rief er feierlich.
Schon heute bist du König, obwohl du von deiner Thronerhebung und von dem
Unglück, das sich daran knüpfen wird, nichts ahnst.
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