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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Viertes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

Im Jahre 1309 hat die Lenormand dem Kaiser Napoleon den Sturz und
die Restauration angesagt, wie die Hexe von Endor dem König Saal die Kata¬
strophe. Warum hat denn die Lenormand ihre Prophezeiung erst 1815 heraus¬
gegeben? Übrigens war die Kartenschlägcrin eine Kreatur der Kaiserin Josephine,
die darauf bestand, daß Napoleons Stern erbleichen werde, wen" er sich von ihr
trenne; es wäre wohl möglich, daß die Sibylle mit ihrer Rabenbotschaft im Auf¬
trag gehandelt hätte. Am 30. November 1809 willigte Josephine nach einer be¬
wegten Szene in die Scheidung; vom 11. Dezember 1809 sind die Souvenirs
xropüc't.icmLS der Leuormciud, die nach der Restauration veröffentlicht wurden,
datiert. Die Lenormand soll auch gewußt haben, daß der Fürst Poniatowski, ein
Neffe des letztem Königs von Polen, durch eine Elster umkommen werde -- sie
hätte wahrscheinlich schon gewußt, daß der König Heinrich IV. von England seinen
Tod in Jerusalem finden werde. Diese beiden Weissagungen, die auf Wortspielen
beruhen, da die Elster der Name eines Leipziger Flusses, Jerusalem der eines
Zimmers in der Westminsterabtei ist, tragen den Stempel der nachträglichen Er¬
findung an der Stirn. Schade auf die Astrologen! Es wird niemand an der
Wiege gesungen, was künftig aus ihm wird, höchstens etwa einem richtigen
Rudolf Nleinpaul Bearner.


Ol/loua.rio al g-ddrsvi^durs I^eins va It-g-Iians von Adrinno Cappelli.

Unter den zahlreichen, äußerst nützlichen Hilfs- und Handbüchern, die der überaus
thätige und intelligente Verleger Ulrico Höpli in Mailand erscheinen läßt, nimmt dieses
Werk des Archivars des reichen Königlichen Archivs in Mailand eine hervorragende
Stelle ein. Ans zahlreichen Handschriften, Diplomen und ähnlichen Dokumenten
findet man hier alphabetisch geordnet die zu verschiednen Zeiten üblich gewordnen
Abkürzungen vor. Natürlich würde die Arbeit praktisch wenig Nutzen haben, wenn
man nicht erführe, welcher Epoche die einzelnen Abkürzungen angehören; deshalb
hat sie der Herausgeber in höchst praktischer Weise zwar dem Alphabete nach ge¬
ordnet, aber hinter jede einzelne Sigle das Jahrhundert gesetzt, dem sie angehört.
Das höchste Lob verdient die Art, in der die aus den Handschriften kopierten Ab¬
kürzungen in Holz geschnitten sind: der Verleger hat zu diesem Zwecke nicht
weniger als, rund gerechnet, 12 000 Stöcke schneiden lassen müssen -- wobei wir
noch ganz von den zahlreichen sonstigen Faksimiles absehen! In hohem Grade
ist es außerdem dankenswert, daß vor jedem neuen Buchstaben die verschiednen
Formen desselben zusammengestellt sowie die Gestalt angegeben wird, die er in
Verbindung mit den am häufigsten auf ihn folgenden andern Buchstaben anzu¬
nehmen pflegt.

Dieser ganze, schön ausgestattete, geschmackvoll eingebuudne und etwa 500 Seiten
starke Bund kostet sieben und einen halben Franken!






Herausgegeben von Johannes Grunow in Leipzig
Verlag von Fr. Will), Grunow in Leipzig. -- Druck von Carl Marquart in Leipzig
Maßgebliches und Unmaßgebliches

Im Jahre 1309 hat die Lenormand dem Kaiser Napoleon den Sturz und
die Restauration angesagt, wie die Hexe von Endor dem König Saal die Kata¬
strophe. Warum hat denn die Lenormand ihre Prophezeiung erst 1815 heraus¬
gegeben? Übrigens war die Kartenschlägcrin eine Kreatur der Kaiserin Josephine,
die darauf bestand, daß Napoleons Stern erbleichen werde, wen» er sich von ihr
trenne; es wäre wohl möglich, daß die Sibylle mit ihrer Rabenbotschaft im Auf¬
trag gehandelt hätte. Am 30. November 1809 willigte Josephine nach einer be¬
wegten Szene in die Scheidung; vom 11. Dezember 1809 sind die Souvenirs
xropüc't.icmLS der Leuormciud, die nach der Restauration veröffentlicht wurden,
datiert. Die Lenormand soll auch gewußt haben, daß der Fürst Poniatowski, ein
Neffe des letztem Königs von Polen, durch eine Elster umkommen werde — sie
hätte wahrscheinlich schon gewußt, daß der König Heinrich IV. von England seinen
Tod in Jerusalem finden werde. Diese beiden Weissagungen, die auf Wortspielen
beruhen, da die Elster der Name eines Leipziger Flusses, Jerusalem der eines
Zimmers in der Westminsterabtei ist, tragen den Stempel der nachträglichen Er¬
findung an der Stirn. Schade auf die Astrologen! Es wird niemand an der
Wiege gesungen, was künftig aus ihm wird, höchstens etwa einem richtigen
Rudolf Nleinpaul Bearner.


Ol/loua.rio al g-ddrsvi^durs I^eins va It-g-Iians von Adrinno Cappelli.

Unter den zahlreichen, äußerst nützlichen Hilfs- und Handbüchern, die der überaus
thätige und intelligente Verleger Ulrico Höpli in Mailand erscheinen läßt, nimmt dieses
Werk des Archivars des reichen Königlichen Archivs in Mailand eine hervorragende
Stelle ein. Ans zahlreichen Handschriften, Diplomen und ähnlichen Dokumenten
findet man hier alphabetisch geordnet die zu verschiednen Zeiten üblich gewordnen
Abkürzungen vor. Natürlich würde die Arbeit praktisch wenig Nutzen haben, wenn
man nicht erführe, welcher Epoche die einzelnen Abkürzungen angehören; deshalb
hat sie der Herausgeber in höchst praktischer Weise zwar dem Alphabete nach ge¬
ordnet, aber hinter jede einzelne Sigle das Jahrhundert gesetzt, dem sie angehört.
Das höchste Lob verdient die Art, in der die aus den Handschriften kopierten Ab¬
kürzungen in Holz geschnitten sind: der Verleger hat zu diesem Zwecke nicht
weniger als, rund gerechnet, 12 000 Stöcke schneiden lassen müssen — wobei wir
noch ganz von den zahlreichen sonstigen Faksimiles absehen! In hohem Grade
ist es außerdem dankenswert, daß vor jedem neuen Buchstaben die verschiednen
Formen desselben zusammengestellt sowie die Gestalt angegeben wird, die er in
Verbindung mit den am häufigsten auf ihn folgenden andern Buchstaben anzu¬
nehmen pflegt.

Dieser ganze, schön ausgestattete, geschmackvoll eingebuudne und etwa 500 Seiten
starke Bund kostet sieben und einen halben Franken!






Herausgegeben von Johannes Grunow in Leipzig
Verlag von Fr. Will), Grunow in Leipzig. — Druck von Carl Marquart in Leipzig
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[0124] Maßgebliches und Unmaßgebliches Im Jahre 1309 hat die Lenormand dem Kaiser Napoleon den Sturz und die Restauration angesagt, wie die Hexe von Endor dem König Saal die Kata¬ strophe. Warum hat denn die Lenormand ihre Prophezeiung erst 1815 heraus¬ gegeben? Übrigens war die Kartenschlägcrin eine Kreatur der Kaiserin Josephine, die darauf bestand, daß Napoleons Stern erbleichen werde, wen» er sich von ihr trenne; es wäre wohl möglich, daß die Sibylle mit ihrer Rabenbotschaft im Auf¬ trag gehandelt hätte. Am 30. November 1809 willigte Josephine nach einer be¬ wegten Szene in die Scheidung; vom 11. Dezember 1809 sind die Souvenirs xropüc't.icmLS der Leuormciud, die nach der Restauration veröffentlicht wurden, datiert. Die Lenormand soll auch gewußt haben, daß der Fürst Poniatowski, ein Neffe des letztem Königs von Polen, durch eine Elster umkommen werde — sie hätte wahrscheinlich schon gewußt, daß der König Heinrich IV. von England seinen Tod in Jerusalem finden werde. Diese beiden Weissagungen, die auf Wortspielen beruhen, da die Elster der Name eines Leipziger Flusses, Jerusalem der eines Zimmers in der Westminsterabtei ist, tragen den Stempel der nachträglichen Er¬ findung an der Stirn. Schade auf die Astrologen! Es wird niemand an der Wiege gesungen, was künftig aus ihm wird, höchstens etwa einem richtigen Rudolf Nleinpaul Bearner. Ol/loua.rio al g-ddrsvi^durs I^eins va It-g-Iians von Adrinno Cappelli. Unter den zahlreichen, äußerst nützlichen Hilfs- und Handbüchern, die der überaus thätige und intelligente Verleger Ulrico Höpli in Mailand erscheinen läßt, nimmt dieses Werk des Archivars des reichen Königlichen Archivs in Mailand eine hervorragende Stelle ein. Ans zahlreichen Handschriften, Diplomen und ähnlichen Dokumenten findet man hier alphabetisch geordnet die zu verschiednen Zeiten üblich gewordnen Abkürzungen vor. Natürlich würde die Arbeit praktisch wenig Nutzen haben, wenn man nicht erführe, welcher Epoche die einzelnen Abkürzungen angehören; deshalb hat sie der Herausgeber in höchst praktischer Weise zwar dem Alphabete nach ge¬ ordnet, aber hinter jede einzelne Sigle das Jahrhundert gesetzt, dem sie angehört. Das höchste Lob verdient die Art, in der die aus den Handschriften kopierten Ab¬ kürzungen in Holz geschnitten sind: der Verleger hat zu diesem Zwecke nicht weniger als, rund gerechnet, 12 000 Stöcke schneiden lassen müssen — wobei wir noch ganz von den zahlreichen sonstigen Faksimiles absehen! In hohem Grade ist es außerdem dankenswert, daß vor jedem neuen Buchstaben die verschiednen Formen desselben zusammengestellt sowie die Gestalt angegeben wird, die er in Verbindung mit den am häufigsten auf ihn folgenden andern Buchstaben anzu¬ nehmen pflegt. Dieser ganze, schön ausgestattete, geschmackvoll eingebuudne und etwa 500 Seiten starke Bund kostet sieben und einen halben Franken! Herausgegeben von Johannes Grunow in Leipzig Verlag von Fr. Will), Grunow in Leipzig. — Druck von Carl Marquart in Leipzig

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_231811/124>, abgerufen am 07.05.2024.