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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Viertes Vierteljahr.

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Skizzen aus unserm heutigen Volksleben

mit persönlichen Angriffen beantwortet. Ich unterlasse es, ihm ans diesem Wege
zu folgen, fondern wiederhole nur meine in Nummer 217 gestellte Frage: Ist es
geschmackvoll, den alten Andreas Grossius auf die Straße zu setzen und auf einem
Delphin reiten zu lassen, und bemerke, das; dies mein letztes Wort in dieser leidigen
Professor Ohnecamp Angelegenheit ist.

Darauf folgte "noch ein letztes Wort": Herr Professor Ohnecamp hat es
nicht für nötig gehalten, eine Korrektur seiner Irrtümer vorzunehmen. Er über¬
hebt mich damit der Verpflichtung, mich mit ihm und seinen "Geschmacksverirrungen"
Justizrat Blanke weiter zu beschäftigen. Dies ist ebenfalls mein letztes Wort.

Die letzten Worte, die in dieser Sache geredet wurden, waren diese letzten
Worte nun freilich noch lange nicht; vielmehr spann sich der Streit noch endlos
weiter. Als die allerletzten Worte geredet wurden, war der Grossiusbruunen so
gut wie tot, und als in der "Ulkia" an einem Maskenabende Andreas Grossius,
einen Leierkasten spielend und ans einem Hering reitend, von Sankt Martinus und
Sankta Cäcilia uuter großem Gelächter durch den Saal kutschiert wurde, da war
er mausetot.




Zweiter Nachbericht.

Wieder ist eine überaus glückliche Idee aufgetaucht
und diesesmal auch zum guten Ende gebracht. Man hat das für den Denkstein
gesammelte Geld zur Errichtung eines Grossiusmuseums verwandt. Das in der
Krummen Gasse stehende Grossiushaus ist in den Besitz der Stadt übergegangen.
Die Einrichtung der Räume zu einem Museum hat das Grossinskomitee übernommen.
Demnach hat man zunächst durch Majoritätsbeschluß das Zinnner rechter Hand vom
Eingang zum Arbeitszimmer des Komponisten erklärt. Darauf hat man mit großer
Vorsicht den Kalk von der Wand gekratzt und ist dabei ans sieben verschieden ge¬
färbte Schichten gestoßen. Man bestimmte die unterste grüne Farbenschicht als
den Originalanstrich des Zimmers. Es wurde also grün gestrichen. Die Thüren,
Fenster und Möbel wurden im Stil von 1743 erneuert. Ein altes, aus dem
Besitze einer altausässigeu Bürgerfnmilie stammendes Spinett wurde in das Zimmer
gestellt. Einige alte Kupferstiche, darunter ein verräuchertes Bild der Martini¬
kirche, wurden an die Wand gehängt. Ferner wurden ausgestellt die Silhouette
von Andreas Grossius, die drei Gipsabgüsse der drei Schädel, die Brille, die
Perücke, die Büste von August Vierung und die Kantate Susu, lieb Jesulein. Da
diese Gegenstände den Raum nicht genügend füllten, so wurde dem Volksbildungs¬
verein erlaubt, seine Bibliothek einstweilen mit hineinzustellen.




Drttter Nachbericht.

Die alte Grabplatte ist wieder zusammengeflickt und
an geeigneter Stelle errichtet worden. Sie sieht zwar nicht sehr schön aus, es ist
aber besser als gar nichts.




Skizzen aus unserm heutigen Volksleben

mit persönlichen Angriffen beantwortet. Ich unterlasse es, ihm ans diesem Wege
zu folgen, fondern wiederhole nur meine in Nummer 217 gestellte Frage: Ist es
geschmackvoll, den alten Andreas Grossius auf die Straße zu setzen und auf einem
Delphin reiten zu lassen, und bemerke, das; dies mein letztes Wort in dieser leidigen
Professor Ohnecamp Angelegenheit ist.

Darauf folgte „noch ein letztes Wort": Herr Professor Ohnecamp hat es
nicht für nötig gehalten, eine Korrektur seiner Irrtümer vorzunehmen. Er über¬
hebt mich damit der Verpflichtung, mich mit ihm und seinen „Geschmacksverirrungen"
Justizrat Blanke weiter zu beschäftigen. Dies ist ebenfalls mein letztes Wort.

Die letzten Worte, die in dieser Sache geredet wurden, waren diese letzten
Worte nun freilich noch lange nicht; vielmehr spann sich der Streit noch endlos
weiter. Als die allerletzten Worte geredet wurden, war der Grossiusbruunen so
gut wie tot, und als in der „Ulkia" an einem Maskenabende Andreas Grossius,
einen Leierkasten spielend und ans einem Hering reitend, von Sankt Martinus und
Sankta Cäcilia uuter großem Gelächter durch den Saal kutschiert wurde, da war
er mausetot.




Zweiter Nachbericht.

Wieder ist eine überaus glückliche Idee aufgetaucht
und diesesmal auch zum guten Ende gebracht. Man hat das für den Denkstein
gesammelte Geld zur Errichtung eines Grossiusmuseums verwandt. Das in der
Krummen Gasse stehende Grossiushaus ist in den Besitz der Stadt übergegangen.
Die Einrichtung der Räume zu einem Museum hat das Grossinskomitee übernommen.
Demnach hat man zunächst durch Majoritätsbeschluß das Zinnner rechter Hand vom
Eingang zum Arbeitszimmer des Komponisten erklärt. Darauf hat man mit großer
Vorsicht den Kalk von der Wand gekratzt und ist dabei ans sieben verschieden ge¬
färbte Schichten gestoßen. Man bestimmte die unterste grüne Farbenschicht als
den Originalanstrich des Zimmers. Es wurde also grün gestrichen. Die Thüren,
Fenster und Möbel wurden im Stil von 1743 erneuert. Ein altes, aus dem
Besitze einer altausässigeu Bürgerfnmilie stammendes Spinett wurde in das Zimmer
gestellt. Einige alte Kupferstiche, darunter ein verräuchertes Bild der Martini¬
kirche, wurden an die Wand gehängt. Ferner wurden ausgestellt die Silhouette
von Andreas Grossius, die drei Gipsabgüsse der drei Schädel, die Brille, die
Perücke, die Büste von August Vierung und die Kantate Susu, lieb Jesulein. Da
diese Gegenstände den Raum nicht genügend füllten, so wurde dem Volksbildungs¬
verein erlaubt, seine Bibliothek einstweilen mit hineinzustellen.




Drttter Nachbericht.

Die alte Grabplatte ist wieder zusammengeflickt und
an geeigneter Stelle errichtet worden. Sie sieht zwar nicht sehr schön aus, es ist
aber besser als gar nichts.




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[0228] Skizzen aus unserm heutigen Volksleben mit persönlichen Angriffen beantwortet. Ich unterlasse es, ihm ans diesem Wege zu folgen, fondern wiederhole nur meine in Nummer 217 gestellte Frage: Ist es geschmackvoll, den alten Andreas Grossius auf die Straße zu setzen und auf einem Delphin reiten zu lassen, und bemerke, das; dies mein letztes Wort in dieser leidigen Professor Ohnecamp Angelegenheit ist. Darauf folgte „noch ein letztes Wort": Herr Professor Ohnecamp hat es nicht für nötig gehalten, eine Korrektur seiner Irrtümer vorzunehmen. Er über¬ hebt mich damit der Verpflichtung, mich mit ihm und seinen „Geschmacksverirrungen" Justizrat Blanke weiter zu beschäftigen. Dies ist ebenfalls mein letztes Wort. Die letzten Worte, die in dieser Sache geredet wurden, waren diese letzten Worte nun freilich noch lange nicht; vielmehr spann sich der Streit noch endlos weiter. Als die allerletzten Worte geredet wurden, war der Grossiusbruunen so gut wie tot, und als in der „Ulkia" an einem Maskenabende Andreas Grossius, einen Leierkasten spielend und ans einem Hering reitend, von Sankt Martinus und Sankta Cäcilia uuter großem Gelächter durch den Saal kutschiert wurde, da war er mausetot. Zweiter Nachbericht. Wieder ist eine überaus glückliche Idee aufgetaucht und diesesmal auch zum guten Ende gebracht. Man hat das für den Denkstein gesammelte Geld zur Errichtung eines Grossiusmuseums verwandt. Das in der Krummen Gasse stehende Grossiushaus ist in den Besitz der Stadt übergegangen. Die Einrichtung der Räume zu einem Museum hat das Grossinskomitee übernommen. Demnach hat man zunächst durch Majoritätsbeschluß das Zinnner rechter Hand vom Eingang zum Arbeitszimmer des Komponisten erklärt. Darauf hat man mit großer Vorsicht den Kalk von der Wand gekratzt und ist dabei ans sieben verschieden ge¬ färbte Schichten gestoßen. Man bestimmte die unterste grüne Farbenschicht als den Originalanstrich des Zimmers. Es wurde also grün gestrichen. Die Thüren, Fenster und Möbel wurden im Stil von 1743 erneuert. Ein altes, aus dem Besitze einer altausässigeu Bürgerfnmilie stammendes Spinett wurde in das Zimmer gestellt. Einige alte Kupferstiche, darunter ein verräuchertes Bild der Martini¬ kirche, wurden an die Wand gehängt. Ferner wurden ausgestellt die Silhouette von Andreas Grossius, die drei Gipsabgüsse der drei Schädel, die Brille, die Perücke, die Büste von August Vierung und die Kantate Susu, lieb Jesulein. Da diese Gegenstände den Raum nicht genügend füllten, so wurde dem Volksbildungs¬ verein erlaubt, seine Bibliothek einstweilen mit hineinzustellen. Drttter Nachbericht. Die alte Grabplatte ist wieder zusammengeflickt und an geeigneter Stelle errichtet worden. Sie sieht zwar nicht sehr schön aus, es ist aber besser als gar nichts.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_231811/228>, abgerufen am 07.05.2024.