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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Viertes Vierteljahr.

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Die Thronfolge in Sachsen <Loburg und Gotha

Ich vermag daher in dem Verzicht des Herzogs von Cormaught selbst
und in dem bedingten Verzicht hinsichtlich seines Sohnes nur ein dankens¬
wertes Zugeständnis an das deutsche Gefühl zu sehen.

Daß der letzte Verzicht nur bedingt erfolgte, erscheint selbstverständlich,
denn dem deutschen Nationalgefühl würde dadurch nicht besser Rechnung ge¬
tragen, daß, nach dem Herzog von Albany, statt des Prinzen von Connaught:
der Prinz von Wales und sein Mannesstamm oder die portugiesische, die Ko-
harysche oder gar die belgische Linie zur Thronfolge gelangen würde.

Die von der Mehrheit der Verfassungskommission an den Verzichten des
Herzogs von Connaught und seines Sohnes geübte Kritik scheint mir nicht be¬
rechtigt zu sein, sie sagt: "Die Kommisston versagt sich, den Eindrücken Worte
zu leihen, die diese Wendung der Dinge und namentlich die dem Rechte der
Thronfolge in Coburg-Gotha widerfahrne Bewertung auf alle Unbefangnen,
denen die Zukunft unsers Staats am Herzen liegt, hat hervorrufen müssen."
Ich kann versichern, völlig unbefangen zu sein, und kann die Lösung nur als
eine durchaus glückliche ansehen.


4

Berechtigte Befürchtung mußte bei jedem guten Deutschen die Frage er¬
regen, wer für den bis zum 19. Juli 1905 minderjährigen, jetzigen Erbprinzen
von Sachsen-Coburg-Gotha, falls dieser während seiner Minderjährigkeit zur
Regierung gelangt, Negierungsverweser werden würde. Die hierfür in
Betracht kommenden Bestimmungen finden sich in Artikel 12, 13 und 14 des
Staatsgrundgesetzes und (gleichlautend) in Artikel 11, 12 und 13 des Haus¬
gesetzes und lauten folgendermaßen:

Artikel 11

Ist der Herzog regierungsunmündig oder ist derselbe wegen körperlicher oder
geistiger Schwäche oder aus einem andern Grunde nicht imstande, die Regierung
zu führen oder fortzuführen, so tritt eine Regiernngsverwestmg ein.

Artikel 12

Die Regierungsverwesung während der Regierungsumuüudigkeit des Herzogs
steht, sofern nicht von dem verstorbnen Herzog durch ein mit Zustimmung der
Landesvertretung erlassenes Gesetz eine andre Anordnung getroffen worden, zunächst
der leiblichen Mutter des Herzogs zu, so lange dieselbe sich nicht anderweit ver¬
mählt, nach dieser dem der Erbfolge nach nächste" regieruugsfähigeu Agnaten.

Artikel 13

Der Regierungsverweser ist zugleich persönlicher Vormund des Herzogs.

Hiernach würde als Negierungsverweserin, falls der Herzog von Albany
während seiner Minderjährigkeit zur Negierung gelangt, seine Mutter be¬
rufen sein, ^)



>) Die Ansicht des Verfassers des Aufsatzes - "Sachsen Coburg und Gotha" in Ur, 22
der Grenzboten (189V), S, 4S4: "Gesetzt den Fall, der Prinz von Wales würde morgen König
Die Thronfolge in Sachsen <Loburg und Gotha

Ich vermag daher in dem Verzicht des Herzogs von Cormaught selbst
und in dem bedingten Verzicht hinsichtlich seines Sohnes nur ein dankens¬
wertes Zugeständnis an das deutsche Gefühl zu sehen.

Daß der letzte Verzicht nur bedingt erfolgte, erscheint selbstverständlich,
denn dem deutschen Nationalgefühl würde dadurch nicht besser Rechnung ge¬
tragen, daß, nach dem Herzog von Albany, statt des Prinzen von Connaught:
der Prinz von Wales und sein Mannesstamm oder die portugiesische, die Ko-
harysche oder gar die belgische Linie zur Thronfolge gelangen würde.

Die von der Mehrheit der Verfassungskommission an den Verzichten des
Herzogs von Connaught und seines Sohnes geübte Kritik scheint mir nicht be¬
rechtigt zu sein, sie sagt: „Die Kommisston versagt sich, den Eindrücken Worte
zu leihen, die diese Wendung der Dinge und namentlich die dem Rechte der
Thronfolge in Coburg-Gotha widerfahrne Bewertung auf alle Unbefangnen,
denen die Zukunft unsers Staats am Herzen liegt, hat hervorrufen müssen."
Ich kann versichern, völlig unbefangen zu sein, und kann die Lösung nur als
eine durchaus glückliche ansehen.


4

Berechtigte Befürchtung mußte bei jedem guten Deutschen die Frage er¬
regen, wer für den bis zum 19. Juli 1905 minderjährigen, jetzigen Erbprinzen
von Sachsen-Coburg-Gotha, falls dieser während seiner Minderjährigkeit zur
Regierung gelangt, Negierungsverweser werden würde. Die hierfür in
Betracht kommenden Bestimmungen finden sich in Artikel 12, 13 und 14 des
Staatsgrundgesetzes und (gleichlautend) in Artikel 11, 12 und 13 des Haus¬
gesetzes und lauten folgendermaßen:

Artikel 11

Ist der Herzog regierungsunmündig oder ist derselbe wegen körperlicher oder
geistiger Schwäche oder aus einem andern Grunde nicht imstande, die Regierung
zu führen oder fortzuführen, so tritt eine Regiernngsverwestmg ein.

Artikel 12

Die Regierungsverwesung während der Regierungsumuüudigkeit des Herzogs
steht, sofern nicht von dem verstorbnen Herzog durch ein mit Zustimmung der
Landesvertretung erlassenes Gesetz eine andre Anordnung getroffen worden, zunächst
der leiblichen Mutter des Herzogs zu, so lange dieselbe sich nicht anderweit ver¬
mählt, nach dieser dem der Erbfolge nach nächste» regieruugsfähigeu Agnaten.

Artikel 13

Der Regierungsverweser ist zugleich persönlicher Vormund des Herzogs.

Hiernach würde als Negierungsverweserin, falls der Herzog von Albany
während seiner Minderjährigkeit zur Negierung gelangt, seine Mutter be¬
rufen sein, ^)



>) Die Ansicht des Verfassers des Aufsatzes - „Sachsen Coburg und Gotha" in Ur, 22
der Grenzboten (189V), S, 4S4: „Gesetzt den Fall, der Prinz von Wales würde morgen König
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_231811/34>, abgerufen am 07.05.2024.