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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Viertes Vierteljahr.

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Die neuen Ausgrabungen auf dem Foruni in Rom

fremden Sprachen die eigne. Von einem Todeskampfe des altsprachlichen
Unterrichts zu reden scheint mir deshalb arg übertrieben. Allerdings macht
es die verkürzte Stundenzahl schwer, die zum Verständnis der Schriftsteller
-- und dies steht in erster Linie -- unbedingt nötige gründliche grammatisch¬
logische Schulung zu erreichen. Aber sie läßt sich erreichen, wenn nur der Unter¬
richt durch treues Zusammenarbeiten möglichst einheitlich gestaltet wird uno
dabei für die fremdsprachliche Erscheinung immer die verwandte deutsche der
Ausgangspunkt ist. Vielleicht führt der freie Wettbewerb mit dem Gymna¬
sium zu seiner Entlastung und erleichtert so seine schwierige, aber wichtige
Aufgabe. In jedem Falle scheint nur die Lösung der Berechtigungsfrage zunächst
wichtiger als die möglichst schleunige Begründung von Refvrmghmnasien.

Inzwischen mögen alle drei Schulgattungen in edelm Wetteifer darauf
bedacht sein, in den Unterrichtsfächern, in denen ihnen im allgemeine" dasselbe
Ziel gesteckt ist, in Religion, Deutsch und Geschichte, nicht nur gründliche
Kenntnisse zu übermitteln, sondern dabei auch die rechte Gesinnung zu er¬
wecken, die sich im spätern Leben gern bethätigt zum Segen unsers Volkes
und Vaterlandes.




Die neuen Ausgrabungen auf dem Forum in Rom

ehrmals in diesem Jahre durcheilte die gebildete Welt die Kunde,
auf dem ehrwürdigen Forum der ewigen Stadt seien Altertümer
von unschätzbarem Werte ans Licht gekommen, sogar das Grab
des sagenhaften Gründers, des Romulus, sei aufgefunden
worden. Die ganze in Deutschland herrschend gewordne Niebuhr-
Mommseusche Ansicht von der Unzuverlässigkeit der ältern römischen Geschichte,
namentlich der Königszeit, schien, wenn man den Trompetenstößen gewisser
italienischer Zeitungen glauben wollte, endgiltig widerlegt zu sein; dagegen aber
ertönten die Stimmen deutscher Gelehrten, die vor Überschätzung der neuen Funde,
namentlich aber vor leichtfertigen Folgerungen über die Glanbwttrdigkeit der
ältern römischen Geschichtsüberlieferung nachdrücklich warnten. Noch ist das
letzte Wort über die neuen Funde nicht gesprochen, ja die größten deutschen
Autoritäten sind überhaupt "och nicht zu Worte gekommen. Deshalb ist, wenn
irgendwo, so in dieser Sache vorsichtige Zurückhaltung geboten. Aber bei der
großen und durchaus verständlichen Teilnahme, die gerade das deutsche Volk,
das am längsten und am eindringendsten ans der römischen Geisteskultur und
dein römischen Rechtsleben zu lernen gesucht hat, der römischen Altertums-


Die neuen Ausgrabungen auf dem Foruni in Rom

fremden Sprachen die eigne. Von einem Todeskampfe des altsprachlichen
Unterrichts zu reden scheint mir deshalb arg übertrieben. Allerdings macht
es die verkürzte Stundenzahl schwer, die zum Verständnis der Schriftsteller
— und dies steht in erster Linie — unbedingt nötige gründliche grammatisch¬
logische Schulung zu erreichen. Aber sie läßt sich erreichen, wenn nur der Unter¬
richt durch treues Zusammenarbeiten möglichst einheitlich gestaltet wird uno
dabei für die fremdsprachliche Erscheinung immer die verwandte deutsche der
Ausgangspunkt ist. Vielleicht führt der freie Wettbewerb mit dem Gymna¬
sium zu seiner Entlastung und erleichtert so seine schwierige, aber wichtige
Aufgabe. In jedem Falle scheint nur die Lösung der Berechtigungsfrage zunächst
wichtiger als die möglichst schleunige Begründung von Refvrmghmnasien.

Inzwischen mögen alle drei Schulgattungen in edelm Wetteifer darauf
bedacht sein, in den Unterrichtsfächern, in denen ihnen im allgemeine« dasselbe
Ziel gesteckt ist, in Religion, Deutsch und Geschichte, nicht nur gründliche
Kenntnisse zu übermitteln, sondern dabei auch die rechte Gesinnung zu er¬
wecken, die sich im spätern Leben gern bethätigt zum Segen unsers Volkes
und Vaterlandes.




Die neuen Ausgrabungen auf dem Forum in Rom

ehrmals in diesem Jahre durcheilte die gebildete Welt die Kunde,
auf dem ehrwürdigen Forum der ewigen Stadt seien Altertümer
von unschätzbarem Werte ans Licht gekommen, sogar das Grab
des sagenhaften Gründers, des Romulus, sei aufgefunden
worden. Die ganze in Deutschland herrschend gewordne Niebuhr-
Mommseusche Ansicht von der Unzuverlässigkeit der ältern römischen Geschichte,
namentlich der Königszeit, schien, wenn man den Trompetenstößen gewisser
italienischer Zeitungen glauben wollte, endgiltig widerlegt zu sein; dagegen aber
ertönten die Stimmen deutscher Gelehrten, die vor Überschätzung der neuen Funde,
namentlich aber vor leichtfertigen Folgerungen über die Glanbwttrdigkeit der
ältern römischen Geschichtsüberlieferung nachdrücklich warnten. Noch ist das
letzte Wort über die neuen Funde nicht gesprochen, ja die größten deutschen
Autoritäten sind überhaupt «och nicht zu Worte gekommen. Deshalb ist, wenn
irgendwo, so in dieser Sache vorsichtige Zurückhaltung geboten. Aber bei der
großen und durchaus verständlichen Teilnahme, die gerade das deutsche Volk,
das am längsten und am eindringendsten ans der römischen Geisteskultur und
dein römischen Rechtsleben zu lernen gesucht hat, der römischen Altertums-


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[0472] Die neuen Ausgrabungen auf dem Foruni in Rom fremden Sprachen die eigne. Von einem Todeskampfe des altsprachlichen Unterrichts zu reden scheint mir deshalb arg übertrieben. Allerdings macht es die verkürzte Stundenzahl schwer, die zum Verständnis der Schriftsteller — und dies steht in erster Linie — unbedingt nötige gründliche grammatisch¬ logische Schulung zu erreichen. Aber sie läßt sich erreichen, wenn nur der Unter¬ richt durch treues Zusammenarbeiten möglichst einheitlich gestaltet wird uno dabei für die fremdsprachliche Erscheinung immer die verwandte deutsche der Ausgangspunkt ist. Vielleicht führt der freie Wettbewerb mit dem Gymna¬ sium zu seiner Entlastung und erleichtert so seine schwierige, aber wichtige Aufgabe. In jedem Falle scheint nur die Lösung der Berechtigungsfrage zunächst wichtiger als die möglichst schleunige Begründung von Refvrmghmnasien. Inzwischen mögen alle drei Schulgattungen in edelm Wetteifer darauf bedacht sein, in den Unterrichtsfächern, in denen ihnen im allgemeine« dasselbe Ziel gesteckt ist, in Religion, Deutsch und Geschichte, nicht nur gründliche Kenntnisse zu übermitteln, sondern dabei auch die rechte Gesinnung zu er¬ wecken, die sich im spätern Leben gern bethätigt zum Segen unsers Volkes und Vaterlandes. Die neuen Ausgrabungen auf dem Forum in Rom ehrmals in diesem Jahre durcheilte die gebildete Welt die Kunde, auf dem ehrwürdigen Forum der ewigen Stadt seien Altertümer von unschätzbarem Werte ans Licht gekommen, sogar das Grab des sagenhaften Gründers, des Romulus, sei aufgefunden worden. Die ganze in Deutschland herrschend gewordne Niebuhr- Mommseusche Ansicht von der Unzuverlässigkeit der ältern römischen Geschichte, namentlich der Königszeit, schien, wenn man den Trompetenstößen gewisser italienischer Zeitungen glauben wollte, endgiltig widerlegt zu sein; dagegen aber ertönten die Stimmen deutscher Gelehrten, die vor Überschätzung der neuen Funde, namentlich aber vor leichtfertigen Folgerungen über die Glanbwttrdigkeit der ältern römischen Geschichtsüberlieferung nachdrücklich warnten. Noch ist das letzte Wort über die neuen Funde nicht gesprochen, ja die größten deutschen Autoritäten sind überhaupt «och nicht zu Worte gekommen. Deshalb ist, wenn irgendwo, so in dieser Sache vorsichtige Zurückhaltung geboten. Aber bei der großen und durchaus verständlichen Teilnahme, die gerade das deutsche Volk, das am längsten und am eindringendsten ans der römischen Geisteskultur und dein römischen Rechtsleben zu lernen gesucht hat, der römischen Altertums-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_231811/472>, abgerufen am 07.05.2024.