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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Viertes Vierteljahr.

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Johannes Honterus,
der -Reformator des Äebenbürger ^achsenlandes
Richard Schulter vo"(in

in 21. August vorigen Jahres, während der Jahresversammlung
der sächsischen Vereine in Kronstäbe, unmittelbar bevor der sieben-
bürgische Hauptverein der Gustav-Adolf-Stiftung in den alt-
ehrwürdigen Räumen der Schwarzkirche tagte, fand die feierliche
Enthüllung des von dem deutschen Bildhauer Harro Mngnussen
entworfnen Honterusdcnkmals statt. Tausende von national-
gesinnten Sachsen wohnten dem erhebenden Akte in andächtiger Stimmung
bei, denn unter den vielen Festlichkeiten, die dem Jahre 1898 eine besondre
Weihe gaben, darf wohl in dem Herzen des sächsischen Volkes keine den An¬
spruch auf dieselbe Bedeutung erheben, wie die Feier, die die Lichtgestalt des
großen Reformators im Sachsenlande zu dauerndem Gedächtnis erheben soll.

Die Größe Honters können wir heute besser beurteilen als seine Zeit¬
genossen selbst, denen das schlichte Wesen des Mannes wohl Ehrfurcht und
Bewundrung einflößte, die aber kaum das rechte Verständnis dasür hatten,
welchen unermeßlichen Schatz an sittlichen und geistigen Güter" diese Leuchte
seines Volkes in sich verkörperte. nahestehende empfanden die Macht seiner
Persönlichkeit, und so läßt sich erklären, daß die Krvnstüdter ihren großen
Sohn wie einen Angapfel hüteten und ihn, seitdem er das Werk der Refor¬
mation in Angriff genommen hatte, und offne und versteckte Gegner auf allen
Wegen lauerten, sozusagen aus dem Mauergürtel ihrer Stadt nicht mehr
hinaus ließen. Dagegen steht die Wertschätzung des Auslandes in umgekehrtem
Verhältnis zu der seiner Landsleute. Im sechzehnten Jahrhundert war auch
dort in der großen Welt der Name Honters und dnrch ihn Kronstadts berühmt;
in der ganzen gelehrten Zunft galt er damals als eine Zierde der Wissenschaft
und des neuerwachten Humanismus; seine geographischen Werke erlebten un¬
gezählte Auflagen, Lehrer und Studenten verschlangen sie mit wahrem Hei߬
hunger, von seiner Kosmographie rühmt eine gleichzeitige Stimme: "Tag und
Nacht soll man über dem trefflichen Werke liegen und es studieren"; die über¬
schwengliche Anerkennung sieht auch über den Mangel hinweg, daß der Ge¬
feierte "im rauhen Barbarenlande geboren" war. Heute sind die Spuren
Honters in der geräuschvollen Fremde verweht; auch ihn hat leider das
Schicksal der vielen humanistischen Eintagsfliegen jener glanzvollen Tage ge¬
troffen, nicht einmal die bändereichen Konversationslexika der Gegenwart gönnen
ihm, der den führenden Geister" Deutschlands ebenbürtig zur Seite stand, eine
entsprechende Stelle; erst in unsern Tagen hat der würdigste Jünger Honters,
der unvergeßliche Bischof v. G. D. Teutsch, das Bild des Meisters, das die




Johannes Honterus,
der -Reformator des Äebenbürger ^achsenlandes
Richard Schulter vo»(in

in 21. August vorigen Jahres, während der Jahresversammlung
der sächsischen Vereine in Kronstäbe, unmittelbar bevor der sieben-
bürgische Hauptverein der Gustav-Adolf-Stiftung in den alt-
ehrwürdigen Räumen der Schwarzkirche tagte, fand die feierliche
Enthüllung des von dem deutschen Bildhauer Harro Mngnussen
entworfnen Honterusdcnkmals statt. Tausende von national-
gesinnten Sachsen wohnten dem erhebenden Akte in andächtiger Stimmung
bei, denn unter den vielen Festlichkeiten, die dem Jahre 1898 eine besondre
Weihe gaben, darf wohl in dem Herzen des sächsischen Volkes keine den An¬
spruch auf dieselbe Bedeutung erheben, wie die Feier, die die Lichtgestalt des
großen Reformators im Sachsenlande zu dauerndem Gedächtnis erheben soll.

Die Größe Honters können wir heute besser beurteilen als seine Zeit¬
genossen selbst, denen das schlichte Wesen des Mannes wohl Ehrfurcht und
Bewundrung einflößte, die aber kaum das rechte Verständnis dasür hatten,
welchen unermeßlichen Schatz an sittlichen und geistigen Güter» diese Leuchte
seines Volkes in sich verkörperte. nahestehende empfanden die Macht seiner
Persönlichkeit, und so läßt sich erklären, daß die Krvnstüdter ihren großen
Sohn wie einen Angapfel hüteten und ihn, seitdem er das Werk der Refor¬
mation in Angriff genommen hatte, und offne und versteckte Gegner auf allen
Wegen lauerten, sozusagen aus dem Mauergürtel ihrer Stadt nicht mehr
hinaus ließen. Dagegen steht die Wertschätzung des Auslandes in umgekehrtem
Verhältnis zu der seiner Landsleute. Im sechzehnten Jahrhundert war auch
dort in der großen Welt der Name Honters und dnrch ihn Kronstadts berühmt;
in der ganzen gelehrten Zunft galt er damals als eine Zierde der Wissenschaft
und des neuerwachten Humanismus; seine geographischen Werke erlebten un¬
gezählte Auflagen, Lehrer und Studenten verschlangen sie mit wahrem Hei߬
hunger, von seiner Kosmographie rühmt eine gleichzeitige Stimme: „Tag und
Nacht soll man über dem trefflichen Werke liegen und es studieren"; die über¬
schwengliche Anerkennung sieht auch über den Mangel hinweg, daß der Ge¬
feierte „im rauhen Barbarenlande geboren" war. Heute sind die Spuren
Honters in der geräuschvollen Fremde verweht; auch ihn hat leider das
Schicksal der vielen humanistischen Eintagsfliegen jener glanzvollen Tage ge¬
troffen, nicht einmal die bändereichen Konversationslexika der Gegenwart gönnen
ihm, der den führenden Geister» Deutschlands ebenbürtig zur Seite stand, eine
entsprechende Stelle; erst in unsern Tagen hat der würdigste Jünger Honters,
der unvergeßliche Bischof v. G. D. Teutsch, das Bild des Meisters, das die


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[0549] [Abbildung] Johannes Honterus, der -Reformator des Äebenbürger ^achsenlandes Richard Schulter vo»(in in 21. August vorigen Jahres, während der Jahresversammlung der sächsischen Vereine in Kronstäbe, unmittelbar bevor der sieben- bürgische Hauptverein der Gustav-Adolf-Stiftung in den alt- ehrwürdigen Räumen der Schwarzkirche tagte, fand die feierliche Enthüllung des von dem deutschen Bildhauer Harro Mngnussen entworfnen Honterusdcnkmals statt. Tausende von national- gesinnten Sachsen wohnten dem erhebenden Akte in andächtiger Stimmung bei, denn unter den vielen Festlichkeiten, die dem Jahre 1898 eine besondre Weihe gaben, darf wohl in dem Herzen des sächsischen Volkes keine den An¬ spruch auf dieselbe Bedeutung erheben, wie die Feier, die die Lichtgestalt des großen Reformators im Sachsenlande zu dauerndem Gedächtnis erheben soll. Die Größe Honters können wir heute besser beurteilen als seine Zeit¬ genossen selbst, denen das schlichte Wesen des Mannes wohl Ehrfurcht und Bewundrung einflößte, die aber kaum das rechte Verständnis dasür hatten, welchen unermeßlichen Schatz an sittlichen und geistigen Güter» diese Leuchte seines Volkes in sich verkörperte. nahestehende empfanden die Macht seiner Persönlichkeit, und so läßt sich erklären, daß die Krvnstüdter ihren großen Sohn wie einen Angapfel hüteten und ihn, seitdem er das Werk der Refor¬ mation in Angriff genommen hatte, und offne und versteckte Gegner auf allen Wegen lauerten, sozusagen aus dem Mauergürtel ihrer Stadt nicht mehr hinaus ließen. Dagegen steht die Wertschätzung des Auslandes in umgekehrtem Verhältnis zu der seiner Landsleute. Im sechzehnten Jahrhundert war auch dort in der großen Welt der Name Honters und dnrch ihn Kronstadts berühmt; in der ganzen gelehrten Zunft galt er damals als eine Zierde der Wissenschaft und des neuerwachten Humanismus; seine geographischen Werke erlebten un¬ gezählte Auflagen, Lehrer und Studenten verschlangen sie mit wahrem Hei߬ hunger, von seiner Kosmographie rühmt eine gleichzeitige Stimme: „Tag und Nacht soll man über dem trefflichen Werke liegen und es studieren"; die über¬ schwengliche Anerkennung sieht auch über den Mangel hinweg, daß der Ge¬ feierte „im rauhen Barbarenlande geboren" war. Heute sind die Spuren Honters in der geräuschvollen Fremde verweht; auch ihn hat leider das Schicksal der vielen humanistischen Eintagsfliegen jener glanzvollen Tage ge¬ troffen, nicht einmal die bändereichen Konversationslexika der Gegenwart gönnen ihm, der den führenden Geister» Deutschlands ebenbürtig zur Seite stand, eine entsprechende Stelle; erst in unsern Tagen hat der würdigste Jünger Honters, der unvergeßliche Bischof v. G. D. Teutsch, das Bild des Meisters, das die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_231811/549>, abgerufen am 07.05.2024.