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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Viertes Vierteljahr.

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Der Mittellandkanal und die konservative Partei
in Preußen
von einem Konservativen

er Mittellandkanal ist von preußischen Abgeordnetenhause ab¬
gelehnt worden, und zwar durch das Verhalten der konservativen
Partei. Die Regierung hat die Regierungsbeamten, insbesondre
die Landräte, die gegen die Vorlage gestimmt haben, in den
"einstweiligen Ruhestand" versetzt, also ihres Amts enthoben,
und es ist darüber großes Entrüstnngsgeschrei in den meisten Tageszeitungen
entstanden. Vorher war in den Zeitungen der preußischen Regierung wieder¬
holt der Vorwurf gemacht worden, daß sie nicht zielbewußt und thatkräftig zu
handeln verstehe, daß sie der Energie entbehre usw. Jetzt, wo sie eine große
Anzahl von Landrüten und Regierungsbeamten nach der Ablehnung des Mittel¬
landkanals in den einstweiligen Ruhestand versetzt hat, werfen die Zeitungen
ihr ebenfalls vor, daß dies politisch unklug, zweckwidrig und gegen die Ver¬
fassung sei. Allerdings wird man zugestehn müssen, daß diese Maßnahmen
zum Teil zweckwidrig erscheinen. Denn da die Regierung die Absicht hat, die
Mittellandkanalvorlage wieder an dasselbe Abgeordnetenhaus zu bringen, so
werden die gemaßregelten Abgeordneten sicherlich viel weniger zu bewegen sein,
von ihrer bisherigen Überzeugung abzulassen, als wenn die Maßreglung nicht
erfolgt wäre. Etwas, was das Gegenteil von dem erreicht, was es auf den
ersten Blick erreichen soll, kann man auch wohl sür politisch unklug erklären.
Hierfür wird auch angeführt, daß eine preußische Regierung doch nur mit der
konservativen Partei regieren könne, und daß sie diese durch die Maßreglung
vor den Kopf gestoßen und in die Opposition getrieben habe.

Aber selbst wenn man von diesem Standpunkt aus die Maßreglung sogar


Grenzboten IV 1899 8


Der Mittellandkanal und die konservative Partei
in Preußen
von einem Konservativen

er Mittellandkanal ist von preußischen Abgeordnetenhause ab¬
gelehnt worden, und zwar durch das Verhalten der konservativen
Partei. Die Regierung hat die Regierungsbeamten, insbesondre
die Landräte, die gegen die Vorlage gestimmt haben, in den
„einstweiligen Ruhestand" versetzt, also ihres Amts enthoben,
und es ist darüber großes Entrüstnngsgeschrei in den meisten Tageszeitungen
entstanden. Vorher war in den Zeitungen der preußischen Regierung wieder¬
holt der Vorwurf gemacht worden, daß sie nicht zielbewußt und thatkräftig zu
handeln verstehe, daß sie der Energie entbehre usw. Jetzt, wo sie eine große
Anzahl von Landrüten und Regierungsbeamten nach der Ablehnung des Mittel¬
landkanals in den einstweiligen Ruhestand versetzt hat, werfen die Zeitungen
ihr ebenfalls vor, daß dies politisch unklug, zweckwidrig und gegen die Ver¬
fassung sei. Allerdings wird man zugestehn müssen, daß diese Maßnahmen
zum Teil zweckwidrig erscheinen. Denn da die Regierung die Absicht hat, die
Mittellandkanalvorlage wieder an dasselbe Abgeordnetenhaus zu bringen, so
werden die gemaßregelten Abgeordneten sicherlich viel weniger zu bewegen sein,
von ihrer bisherigen Überzeugung abzulassen, als wenn die Maßreglung nicht
erfolgt wäre. Etwas, was das Gegenteil von dem erreicht, was es auf den
ersten Blick erreichen soll, kann man auch wohl sür politisch unklug erklären.
Hierfür wird auch angeführt, daß eine preußische Regierung doch nur mit der
konservativen Partei regieren könne, und daß sie diese durch die Maßreglung
vor den Kopf gestoßen und in die Opposition getrieben habe.

Aber selbst wenn man von diesem Standpunkt aus die Maßreglung sogar


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[0069] [Abbildung] Der Mittellandkanal und die konservative Partei in Preußen von einem Konservativen er Mittellandkanal ist von preußischen Abgeordnetenhause ab¬ gelehnt worden, und zwar durch das Verhalten der konservativen Partei. Die Regierung hat die Regierungsbeamten, insbesondre die Landräte, die gegen die Vorlage gestimmt haben, in den „einstweiligen Ruhestand" versetzt, also ihres Amts enthoben, und es ist darüber großes Entrüstnngsgeschrei in den meisten Tageszeitungen entstanden. Vorher war in den Zeitungen der preußischen Regierung wieder¬ holt der Vorwurf gemacht worden, daß sie nicht zielbewußt und thatkräftig zu handeln verstehe, daß sie der Energie entbehre usw. Jetzt, wo sie eine große Anzahl von Landrüten und Regierungsbeamten nach der Ablehnung des Mittel¬ landkanals in den einstweiligen Ruhestand versetzt hat, werfen die Zeitungen ihr ebenfalls vor, daß dies politisch unklug, zweckwidrig und gegen die Ver¬ fassung sei. Allerdings wird man zugestehn müssen, daß diese Maßnahmen zum Teil zweckwidrig erscheinen. Denn da die Regierung die Absicht hat, die Mittellandkanalvorlage wieder an dasselbe Abgeordnetenhaus zu bringen, so werden die gemaßregelten Abgeordneten sicherlich viel weniger zu bewegen sein, von ihrer bisherigen Überzeugung abzulassen, als wenn die Maßreglung nicht erfolgt wäre. Etwas, was das Gegenteil von dem erreicht, was es auf den ersten Blick erreichen soll, kann man auch wohl sür politisch unklug erklären. Hierfür wird auch angeführt, daß eine preußische Regierung doch nur mit der konservativen Partei regieren könne, und daß sie diese durch die Maßreglung vor den Kopf gestoßen und in die Opposition getrieben habe. Aber selbst wenn man von diesem Standpunkt aus die Maßreglung sogar Grenzboten IV 1899 8

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_231811/69>, abgerufen am 07.05.2024.