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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr.

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und des Heeres, durch energisches Einschreiten der Regierung und, was die
Armee anlangt, nötigenfalls des obersten Kriegsherrn gelöst sein wird.

Für den engern Anschluß der Tschechen an Österreich kann dieses nament¬
lich eins thun: es kann sich besonders angelegen sein lassen, die Tschechen
davon zu überzeugen, daß sie vollberechtigte, mit keinerlei Mißtrauen ange¬
sehene und zum Gedeihen des Ganzen unentbehrliche Österreicher sind. Das,
womit man auch heutzutage "och neben energischer Haltung am erfolgreichsten
regiert, siud gewonnene Herzen. Der greise Kaiser weiß das am besten. Aber
es ist Zeit, daß unter seiner Leitung auch die junge Generation versucht, was sie
durch freundliches, herzliches Entgegenkommen zur Neubefestignng des zwischen
Böhmen und dein Kaiserhause bestehenden Bandes zu thun vermag.

Seit dem Tode der Kaiserin-Mutter und des unvergessenen Kronprinzen
Rudolf ist der Hradschin unbewohnt. Warum könnte nicht einer der verheirateten
jungen Erzherzöge mit seiner Gemahlin auf dein Hradschin Wohnung nehmen?
Er sollte es sich da so behaglich macheu als möglich und ohne Unterschied der
Nationalität zur Bildung eines lebensfroher, geistig regsamen Kreises alles an
sich heranziehn, was in Böhmen durch Stellung, Talent, Schönheit, Liebens¬
würdigkeit und Herkunft glänzt und dnrch harmonisches Zusammenwirken dazu
beitragen kann, dem Lande thatsächlich zu beweisen, daß ihm nicht Ehrgeiz,
sondern Eintracht und geistiger Fortschritt das Gedeihen zu bringen bestimmt
ist, nach dem sich beide Volksstämme, Deutsche und Tschechen, gleich sehnen.


G, Se.


Biographische Litteratur
(Schluß)

i
r kehren nun vom Theater zur Biographie zurück und müssen,
da es die Beschaffenheit unsers Vorrath so mit sich bringt, an
den Komödianten den Pfarrer anschließen: Rudolf Kögel, sein
Werden und Wirken, von Gottfried Kögel, Regierungsrat, erster
Band, 1829 bis 1854 (Berlin, Mittler und Sohn). Die Bio¬
graphie ist weit angelegt, auf drei Bände berechnet und mit vielen Auszügen
ans Briefen und Tagebüchern ausgestattet, sodaß schou dieser erste Band den
Zweck eines Erinnerungsbnchs für die Familie und die zahlreichen nähern
Freunde erkennen läßt. Sonst würde man ja in unsrer Zeit, die so furchtbar
schnell an Vergaugeuheiteu vorbeigeht, vielleicht besser eine etwas kürzere Fassung
gewählt haben, die immer einem Memoirenwerk ein etwas längeres Leben sichern
wird. Das Buch enthält, so einfach Kogels Leben bis zu seinem ersten Pfarramt
(1854) verlief, viel schönes und allgemein beachtenswertes. Eine einfache Her-


und des Heeres, durch energisches Einschreiten der Regierung und, was die
Armee anlangt, nötigenfalls des obersten Kriegsherrn gelöst sein wird.

Für den engern Anschluß der Tschechen an Österreich kann dieses nament¬
lich eins thun: es kann sich besonders angelegen sein lassen, die Tschechen
davon zu überzeugen, daß sie vollberechtigte, mit keinerlei Mißtrauen ange¬
sehene und zum Gedeihen des Ganzen unentbehrliche Österreicher sind. Das,
womit man auch heutzutage »och neben energischer Haltung am erfolgreichsten
regiert, siud gewonnene Herzen. Der greise Kaiser weiß das am besten. Aber
es ist Zeit, daß unter seiner Leitung auch die junge Generation versucht, was sie
durch freundliches, herzliches Entgegenkommen zur Neubefestignng des zwischen
Böhmen und dein Kaiserhause bestehenden Bandes zu thun vermag.

Seit dem Tode der Kaiserin-Mutter und des unvergessenen Kronprinzen
Rudolf ist der Hradschin unbewohnt. Warum könnte nicht einer der verheirateten
jungen Erzherzöge mit seiner Gemahlin auf dein Hradschin Wohnung nehmen?
Er sollte es sich da so behaglich macheu als möglich und ohne Unterschied der
Nationalität zur Bildung eines lebensfroher, geistig regsamen Kreises alles an
sich heranziehn, was in Böhmen durch Stellung, Talent, Schönheit, Liebens¬
würdigkeit und Herkunft glänzt und dnrch harmonisches Zusammenwirken dazu
beitragen kann, dem Lande thatsächlich zu beweisen, daß ihm nicht Ehrgeiz,
sondern Eintracht und geistiger Fortschritt das Gedeihen zu bringen bestimmt
ist, nach dem sich beide Volksstämme, Deutsche und Tschechen, gleich sehnen.


G, Se.


Biographische Litteratur
(Schluß)

i
r kehren nun vom Theater zur Biographie zurück und müssen,
da es die Beschaffenheit unsers Vorrath so mit sich bringt, an
den Komödianten den Pfarrer anschließen: Rudolf Kögel, sein
Werden und Wirken, von Gottfried Kögel, Regierungsrat, erster
Band, 1829 bis 1854 (Berlin, Mittler und Sohn). Die Bio¬
graphie ist weit angelegt, auf drei Bände berechnet und mit vielen Auszügen
ans Briefen und Tagebüchern ausgestattet, sodaß schou dieser erste Band den
Zweck eines Erinnerungsbnchs für die Familie und die zahlreichen nähern
Freunde erkennen läßt. Sonst würde man ja in unsrer Zeit, die so furchtbar
schnell an Vergaugeuheiteu vorbeigeht, vielleicht besser eine etwas kürzere Fassung
gewählt haben, die immer einem Memoirenwerk ein etwas längeres Leben sichern
wird. Das Buch enthält, so einfach Kogels Leben bis zu seinem ersten Pfarramt
(1854) verlief, viel schönes und allgemein beachtenswertes. Eine einfache Her-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_232551/298>, abgerufen am 04.05.2024.