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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr.

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Aanonier Abraham

flachwellige Ebne der Campagna, abwechselnd Grasebnen und Felder, Arti-
schockenbecte und dichte hohe Rohrpflanzungen, deren Stengel die Stützen für die
Weinreben an Stelle des hier seltnen und teuern Holzes liefern, dazwischen lange
Reihen von Maulbeerbäumen, Hecken, weiße Bauernhöfe mit den sonderbaren,
kegelförmigen Feimen daneben, schlanke Pinien mit breitem Wipfel, hier und da
namentlich nach Südwesten hin auch ausgedehnte Gehölze. Dorthin, nach dem
Meere zu, verläuft der Horizont ganz flach, im Norden liegt die Häusermasse
von Rom mit dem Janikulus und der alles beherrschenden Peterskuppel darüber,
im Süden und Südosten ziehn sich die seinen Linien des hellblau leuchtenden
Albaner- und Sabinergebirgcs, Ringsum war tiefe Stille, nnr vom leisen
Wehen des frischen Herbstwindes unterbrochen, von keinem Menschenlaut gestört,
über dem allen der strahlende, tiefblaue wolkenlose Himmel. Ob der Trappist,
der kleine Andenken, Bildchen, Marmorsachen mit Zeichnungen altchristlicher
Embleme, Schokoladeuplätzchen, Eukalyptusschnaps u. dergl. feilhielt, von dein
wunderbaren Reize dieser ernsten und schönen Landschaft etwas empfand, verriet
er nicht; er war ein gutmütiger alter Knabe, begierig, von dem nordischen
Fremdling Vaterland und Heimat zu erforschen. Als ihm Sachsen und Leipzig
genannt wurden, wußte er recht wohl davon und auch, daß das Königshaus
seiner Kirche angehöre, die Königin eine Prinzessin von Wasa sei, aber er
rückte der hohen Dame Gustav Adolf um einige Jahrhunderte zu nahe, der
vermutlich der einzige Fürst des Hauses war, von dem er etwas wußte.

(Fortsetzung folgt)




Kanonier Abraham
Ernst Johann Groth Eine Skizze von

user Hauptmann schien in ungemütlicher Stimmung zu sein; er redete
so laut auf den Feldwebel ein, daß wir Einjahrig-Freiwilligen, die
wir auf dem Kasernenhofe in Reih und Glied standen, jedes Wort
verstehn konnten.

Natürlich wieder für meine Kompagnie, sagte er. Ich werde
mir nächstens eine Tafel machen lassen mit der Aufschrift: Hier kann
Schutt abgeladen werden. Die krummsten Kerle, vorbestrafte Individuen, Fresser
und Säufer werden mir zugeschoben und ich soll dann aus solcher Baude vernünf¬
tige Kreaturen und Kriegsknechte der heiligen Barbara machen. Es ist zum Toll¬
werden! Ich verstehe nicht, Rührte, wie Sie das haben zulassen können.

Das Bataillon hat das angeordnet, Herr Hauptmann.

Den Teufel auch, das Bataillon. Ich habe mich schon im vorigen Jahre mit
dem Mennoniten herumärgern müssen, und nun stecken sie mir einen Juden in d?c
Kompagnie. Der Adjutant kennt meine Ansichten ganz genau und weiß, daß ich
kein Judenfreund bin. Im ganzen Bataillon ein einziger jüdischer Rekrut! Und


Aanonier Abraham

flachwellige Ebne der Campagna, abwechselnd Grasebnen und Felder, Arti-
schockenbecte und dichte hohe Rohrpflanzungen, deren Stengel die Stützen für die
Weinreben an Stelle des hier seltnen und teuern Holzes liefern, dazwischen lange
Reihen von Maulbeerbäumen, Hecken, weiße Bauernhöfe mit den sonderbaren,
kegelförmigen Feimen daneben, schlanke Pinien mit breitem Wipfel, hier und da
namentlich nach Südwesten hin auch ausgedehnte Gehölze. Dorthin, nach dem
Meere zu, verläuft der Horizont ganz flach, im Norden liegt die Häusermasse
von Rom mit dem Janikulus und der alles beherrschenden Peterskuppel darüber,
im Süden und Südosten ziehn sich die seinen Linien des hellblau leuchtenden
Albaner- und Sabinergebirgcs, Ringsum war tiefe Stille, nnr vom leisen
Wehen des frischen Herbstwindes unterbrochen, von keinem Menschenlaut gestört,
über dem allen der strahlende, tiefblaue wolkenlose Himmel. Ob der Trappist,
der kleine Andenken, Bildchen, Marmorsachen mit Zeichnungen altchristlicher
Embleme, Schokoladeuplätzchen, Eukalyptusschnaps u. dergl. feilhielt, von dein
wunderbaren Reize dieser ernsten und schönen Landschaft etwas empfand, verriet
er nicht; er war ein gutmütiger alter Knabe, begierig, von dem nordischen
Fremdling Vaterland und Heimat zu erforschen. Als ihm Sachsen und Leipzig
genannt wurden, wußte er recht wohl davon und auch, daß das Königshaus
seiner Kirche angehöre, die Königin eine Prinzessin von Wasa sei, aber er
rückte der hohen Dame Gustav Adolf um einige Jahrhunderte zu nahe, der
vermutlich der einzige Fürst des Hauses war, von dem er etwas wußte.

(Fortsetzung folgt)




Kanonier Abraham
Ernst Johann Groth Eine Skizze von

user Hauptmann schien in ungemütlicher Stimmung zu sein; er redete
so laut auf den Feldwebel ein, daß wir Einjahrig-Freiwilligen, die
wir auf dem Kasernenhofe in Reih und Glied standen, jedes Wort
verstehn konnten.

Natürlich wieder für meine Kompagnie, sagte er. Ich werde
mir nächstens eine Tafel machen lassen mit der Aufschrift: Hier kann
Schutt abgeladen werden. Die krummsten Kerle, vorbestrafte Individuen, Fresser
und Säufer werden mir zugeschoben und ich soll dann aus solcher Baude vernünf¬
tige Kreaturen und Kriegsknechte der heiligen Barbara machen. Es ist zum Toll¬
werden! Ich verstehe nicht, Rührte, wie Sie das haben zulassen können.

Das Bataillon hat das angeordnet, Herr Hauptmann.

Den Teufel auch, das Bataillon. Ich habe mich schon im vorigen Jahre mit
dem Mennoniten herumärgern müssen, und nun stecken sie mir einen Juden in d?c
Kompagnie. Der Adjutant kennt meine Ansichten ganz genau und weiß, daß ich
kein Judenfreund bin. Im ganzen Bataillon ein einziger jüdischer Rekrut! Und


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[0356] Aanonier Abraham flachwellige Ebne der Campagna, abwechselnd Grasebnen und Felder, Arti- schockenbecte und dichte hohe Rohrpflanzungen, deren Stengel die Stützen für die Weinreben an Stelle des hier seltnen und teuern Holzes liefern, dazwischen lange Reihen von Maulbeerbäumen, Hecken, weiße Bauernhöfe mit den sonderbaren, kegelförmigen Feimen daneben, schlanke Pinien mit breitem Wipfel, hier und da namentlich nach Südwesten hin auch ausgedehnte Gehölze. Dorthin, nach dem Meere zu, verläuft der Horizont ganz flach, im Norden liegt die Häusermasse von Rom mit dem Janikulus und der alles beherrschenden Peterskuppel darüber, im Süden und Südosten ziehn sich die seinen Linien des hellblau leuchtenden Albaner- und Sabinergebirgcs, Ringsum war tiefe Stille, nnr vom leisen Wehen des frischen Herbstwindes unterbrochen, von keinem Menschenlaut gestört, über dem allen der strahlende, tiefblaue wolkenlose Himmel. Ob der Trappist, der kleine Andenken, Bildchen, Marmorsachen mit Zeichnungen altchristlicher Embleme, Schokoladeuplätzchen, Eukalyptusschnaps u. dergl. feilhielt, von dein wunderbaren Reize dieser ernsten und schönen Landschaft etwas empfand, verriet er nicht; er war ein gutmütiger alter Knabe, begierig, von dem nordischen Fremdling Vaterland und Heimat zu erforschen. Als ihm Sachsen und Leipzig genannt wurden, wußte er recht wohl davon und auch, daß das Königshaus seiner Kirche angehöre, die Königin eine Prinzessin von Wasa sei, aber er rückte der hohen Dame Gustav Adolf um einige Jahrhunderte zu nahe, der vermutlich der einzige Fürst des Hauses war, von dem er etwas wußte. (Fortsetzung folgt) Kanonier Abraham Ernst Johann Groth Eine Skizze von user Hauptmann schien in ungemütlicher Stimmung zu sein; er redete so laut auf den Feldwebel ein, daß wir Einjahrig-Freiwilligen, die wir auf dem Kasernenhofe in Reih und Glied standen, jedes Wort verstehn konnten. Natürlich wieder für meine Kompagnie, sagte er. Ich werde mir nächstens eine Tafel machen lassen mit der Aufschrift: Hier kann Schutt abgeladen werden. Die krummsten Kerle, vorbestrafte Individuen, Fresser und Säufer werden mir zugeschoben und ich soll dann aus solcher Baude vernünf¬ tige Kreaturen und Kriegsknechte der heiligen Barbara machen. Es ist zum Toll¬ werden! Ich verstehe nicht, Rührte, wie Sie das haben zulassen können. Das Bataillon hat das angeordnet, Herr Hauptmann. Den Teufel auch, das Bataillon. Ich habe mich schon im vorigen Jahre mit dem Mennoniten herumärgern müssen, und nun stecken sie mir einen Juden in d?c Kompagnie. Der Adjutant kennt meine Ansichten ganz genau und weiß, daß ich kein Judenfreund bin. Im ganzen Bataillon ein einziger jüdischer Rekrut! Und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_232551/356>, abgerufen am 04.05.2024.