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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr.

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Englische Memungsmache
von Wilhelm Rolfs

i
_! ieles erscheint dem unbefangnen Beurteiler der mit dem anglo-
afrikanischen Kriege zusammenhängenden Dinge erstaunlich; am
erstaunlichsten die berechnende und rücksichtslose Art, in der die
öffentliche Meinung in England gemacht und das englische Volk
in eine -- wenn auch nicht echte -- so doch immerhin leidenschaft¬
l
iche Vegeisternng hineingeredet wurde. Die Aufgabe war ja allerdings nicht
besonders schwer: der prahlerischer Eitelkeit und dem Großengländertum galt
^ M schmeicheln, die Gewinnsucht zu reizen, und schmackhaft zu macheu war
"6 ganze Gericht mit der niemals abgebrauchter Redensart von der hohen
Sendung Englands und seiner heiligen Pflicht, die Segnungen eigner unüber¬
trefflicher Einrichtungen allen Völkern der Welt zu bringen, ob diese wollen
"der nicht. Das bischen Genüssen, das einem ausgesprochnen Handelsvolke
überhaupt keine Unruhe zu bereiten pflegt, entschlummert bald vor diesen an¬
geblich höchst sittlichen Aufgaben; Bedenken spielen nur solange eine Rolle,
als keine Erfolge da sind. Sobald aber die zum englischen Bürgerevangelium
gewordne Überzeugung, daß England erst nach widrigen Schicksalsschlägen seine
siegreiche Kraft zu entfalten pflege (auf gut deutsch heißt dies: daß es immer
"wge daure, bis seine Übermacht zur Stelle gebracht sei), sobald also diese
Überzeugung thatsächlich verwirklicht ist, dann hat es auch gute Wege mit sitt-
uhen Bedenken: sie werden hinweggefegt von dem Sturmwehen des Erfolges.
Das vergossene Blut ist bald vergessen; die Offiziere sielen als sportliebende
Gentlemen für ihren Beruf und ihr Land, die "ritterlichen" Soldaten, durch
erer Abwesenheit vom heimischen Boden die Verbrechen zu Hause merklich ad-
h sind bezahlt: von Helden sinken sie bald wieder zu der verachtetsten
','lasse der bürgerlichen Gesellschaft zurück, wohin sie gehören, und man schwelgt
l den Segnungen des Friedens, der wieder einmal mit englischem Golde und
^inde der Welt beschert worden ist.


Grenzboten I 1900 78


Englische Memungsmache
von Wilhelm Rolfs

i
_! ieles erscheint dem unbefangnen Beurteiler der mit dem anglo-
afrikanischen Kriege zusammenhängenden Dinge erstaunlich; am
erstaunlichsten die berechnende und rücksichtslose Art, in der die
öffentliche Meinung in England gemacht und das englische Volk
in eine — wenn auch nicht echte — so doch immerhin leidenschaft¬
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iche Vegeisternng hineingeredet wurde. Die Aufgabe war ja allerdings nicht
besonders schwer: der prahlerischer Eitelkeit und dem Großengländertum galt
^ M schmeicheln, die Gewinnsucht zu reizen, und schmackhaft zu macheu war
"6 ganze Gericht mit der niemals abgebrauchter Redensart von der hohen
Sendung Englands und seiner heiligen Pflicht, die Segnungen eigner unüber¬
trefflicher Einrichtungen allen Völkern der Welt zu bringen, ob diese wollen
"der nicht. Das bischen Genüssen, das einem ausgesprochnen Handelsvolke
überhaupt keine Unruhe zu bereiten pflegt, entschlummert bald vor diesen an¬
geblich höchst sittlichen Aufgaben; Bedenken spielen nur solange eine Rolle,
als keine Erfolge da sind. Sobald aber die zum englischen Bürgerevangelium
gewordne Überzeugung, daß England erst nach widrigen Schicksalsschlägen seine
siegreiche Kraft zu entfalten pflege (auf gut deutsch heißt dies: daß es immer
"wge daure, bis seine Übermacht zur Stelle gebracht sei), sobald also diese
Überzeugung thatsächlich verwirklicht ist, dann hat es auch gute Wege mit sitt-
uhen Bedenken: sie werden hinweggefegt von dem Sturmwehen des Erfolges.
Das vergossene Blut ist bald vergessen; die Offiziere sielen als sportliebende
Gentlemen für ihren Beruf und ihr Land, die „ritterlichen" Soldaten, durch
erer Abwesenheit vom heimischen Boden die Verbrechen zu Hause merklich ad-
h sind bezahlt: von Helden sinken sie bald wieder zu der verachtetsten
','lasse der bürgerlichen Gesellschaft zurück, wohin sie gehören, und man schwelgt
l den Segnungen des Friedens, der wieder einmal mit englischem Golde und
^inde der Welt beschert worden ist.


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[0625] [Abbildung] Englische Memungsmache von Wilhelm Rolfs i _! ieles erscheint dem unbefangnen Beurteiler der mit dem anglo- afrikanischen Kriege zusammenhängenden Dinge erstaunlich; am erstaunlichsten die berechnende und rücksichtslose Art, in der die öffentliche Meinung in England gemacht und das englische Volk in eine — wenn auch nicht echte — so doch immerhin leidenschaft¬ l iche Vegeisternng hineingeredet wurde. Die Aufgabe war ja allerdings nicht besonders schwer: der prahlerischer Eitelkeit und dem Großengländertum galt ^ M schmeicheln, die Gewinnsucht zu reizen, und schmackhaft zu macheu war "6 ganze Gericht mit der niemals abgebrauchter Redensart von der hohen Sendung Englands und seiner heiligen Pflicht, die Segnungen eigner unüber¬ trefflicher Einrichtungen allen Völkern der Welt zu bringen, ob diese wollen "der nicht. Das bischen Genüssen, das einem ausgesprochnen Handelsvolke überhaupt keine Unruhe zu bereiten pflegt, entschlummert bald vor diesen an¬ geblich höchst sittlichen Aufgaben; Bedenken spielen nur solange eine Rolle, als keine Erfolge da sind. Sobald aber die zum englischen Bürgerevangelium gewordne Überzeugung, daß England erst nach widrigen Schicksalsschlägen seine siegreiche Kraft zu entfalten pflege (auf gut deutsch heißt dies: daß es immer "wge daure, bis seine Übermacht zur Stelle gebracht sei), sobald also diese Überzeugung thatsächlich verwirklicht ist, dann hat es auch gute Wege mit sitt- uhen Bedenken: sie werden hinweggefegt von dem Sturmwehen des Erfolges. Das vergossene Blut ist bald vergessen; die Offiziere sielen als sportliebende Gentlemen für ihren Beruf und ihr Land, die „ritterlichen" Soldaten, durch erer Abwesenheit vom heimischen Boden die Verbrechen zu Hause merklich ad- h sind bezahlt: von Helden sinken sie bald wieder zu der verachtetsten ','lasse der bürgerlichen Gesellschaft zurück, wohin sie gehören, und man schwelgt l den Segnungen des Friedens, der wieder einmal mit englischem Golde und ^inde der Welt beschert worden ist. Grenzboten I 1900 78

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_232551/625>, abgerufen am 04.05.2024.