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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr.

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Raroline von Braunschiveig

darum die Stadt aussaugen, so gut sie könne", und auf diesem schöne" Fleckchen
Erde als schwelgerische Herren leben, so lange sie noch dürfen.

Da si"d ferner die Westeuropäer und die vornehmen Griechen, deren Arbeit
die Blüte und der Reichtum der Stadt zu danken ist, die aber sich viel zu
fremd sind, als daß sie gemeinsam die Fessel" sprengten, die sie auf Schritt
und Tritt hemmen, die sich lieber gegenseitig in den Weg treten, damit keiner
vorwärts kommt, die außerdem zu sehr Geschäftsleute sind, als daß sie an eine
Umwälzung dächte", die Blut, fehr viel Blut kosten würde.

Wenn jemals an die Stelle des ausgeklügelten Betrugs und der Er¬
pressungen eine geordnete Verwaltung z. B. nur der Auszeuzölle uach dem Vorgang
in China einträte, und wenn ferner Kleinasien die Reichtümer wieder hervorbrächte,
wozu es von der Natur bestimmt ist, dann würde diese Stadt nochmals eine
ungeahnte Blüte erleben und wieder das werden, was sie schon einmal war,
die Hauptstadt des Mittelmeeres. Giebt es eine Stadt, die so günstig zwischen
zwei Erdteilen liegt, wie diese? Von zwei Seiten tritt der Schienenstrang an
sie heran, und von zwei Seiten die Meeresstraßen. Aus allen blühenden Städten
und Ländern des oströmischen Reiches haben die Türken elende Dörfer gemacht,
nur diese Stadt haben sie nicht zu verwüsten vermocht. Sie ist zu sehr von
der Natur begünstigt, sie wird ewig leben. Aber jeder hüte sich, die Herrschaft
über dieses Sodom und Gomorrha anzutreten. Sie wird immer bleiben, was
sie ist, eine Art Babylon greulichster Sprach- und Völkerverwirrung. Sie wird
jedes Land ruinieren, dessen Hauptstadt sie ist, wie ein sündhaftes Weib den
Mann ruiniert, dessen Gattin sie ist. Glücklich wird sie nur sein unter dein
Säbel eines Despoten oder unter der Herrschaft einer hartherzigen, fremde"
Aristokratie, womit ich weder auf russische noch englische Pläne anspielen will.
Möge der Türke weiter herrschen. Er regiert diese Stadt immer noch besser,
als sie sich selbst regieren würde.




Karoline von Vraunschweig
und ihre Tochter Prinzeß Tharlotre von England
(Schlich)

u Anfang des Jahres 1813 erreichte die Spannung zwischen
dem Regenten und seiner Gattin ihren Höhepunkt. Georg hatte
den Verkehr zwischen Mutter und Tochter noch weiter eingeengt,
als dies schon bisher der Fall war. Die Mutter hatte hierauf
einen Brief an den Regenten gerichtet, worin sie die Geschichte
ihrer Leiden rekapitnlierte und namentlich drei Beschwerde-
Punkte hervorhob: ihre Trennung von der Prinzessin Charlotte, die vernach¬
lässigte Erziehung dieser, und das über Gebühr verlängerte Hinausschieben


Raroline von Braunschiveig

darum die Stadt aussaugen, so gut sie könne», und auf diesem schöne» Fleckchen
Erde als schwelgerische Herren leben, so lange sie noch dürfen.

Da si»d ferner die Westeuropäer und die vornehmen Griechen, deren Arbeit
die Blüte und der Reichtum der Stadt zu danken ist, die aber sich viel zu
fremd sind, als daß sie gemeinsam die Fessel» sprengten, die sie auf Schritt
und Tritt hemmen, die sich lieber gegenseitig in den Weg treten, damit keiner
vorwärts kommt, die außerdem zu sehr Geschäftsleute sind, als daß sie an eine
Umwälzung dächte», die Blut, fehr viel Blut kosten würde.

Wenn jemals an die Stelle des ausgeklügelten Betrugs und der Er¬
pressungen eine geordnete Verwaltung z. B. nur der Auszeuzölle uach dem Vorgang
in China einträte, und wenn ferner Kleinasien die Reichtümer wieder hervorbrächte,
wozu es von der Natur bestimmt ist, dann würde diese Stadt nochmals eine
ungeahnte Blüte erleben und wieder das werden, was sie schon einmal war,
die Hauptstadt des Mittelmeeres. Giebt es eine Stadt, die so günstig zwischen
zwei Erdteilen liegt, wie diese? Von zwei Seiten tritt der Schienenstrang an
sie heran, und von zwei Seiten die Meeresstraßen. Aus allen blühenden Städten
und Ländern des oströmischen Reiches haben die Türken elende Dörfer gemacht,
nur diese Stadt haben sie nicht zu verwüsten vermocht. Sie ist zu sehr von
der Natur begünstigt, sie wird ewig leben. Aber jeder hüte sich, die Herrschaft
über dieses Sodom und Gomorrha anzutreten. Sie wird immer bleiben, was
sie ist, eine Art Babylon greulichster Sprach- und Völkerverwirrung. Sie wird
jedes Land ruinieren, dessen Hauptstadt sie ist, wie ein sündhaftes Weib den
Mann ruiniert, dessen Gattin sie ist. Glücklich wird sie nur sein unter dein
Säbel eines Despoten oder unter der Herrschaft einer hartherzigen, fremde»
Aristokratie, womit ich weder auf russische noch englische Pläne anspielen will.
Möge der Türke weiter herrschen. Er regiert diese Stadt immer noch besser,
als sie sich selbst regieren würde.




Karoline von Vraunschweig
und ihre Tochter Prinzeß Tharlotre von England
(Schlich)

u Anfang des Jahres 1813 erreichte die Spannung zwischen
dem Regenten und seiner Gattin ihren Höhepunkt. Georg hatte
den Verkehr zwischen Mutter und Tochter noch weiter eingeengt,
als dies schon bisher der Fall war. Die Mutter hatte hierauf
einen Brief an den Regenten gerichtet, worin sie die Geschichte
ihrer Leiden rekapitnlierte und namentlich drei Beschwerde-
Punkte hervorhob: ihre Trennung von der Prinzessin Charlotte, die vernach¬
lässigte Erziehung dieser, und das über Gebühr verlängerte Hinausschieben


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[0650] Raroline von Braunschiveig darum die Stadt aussaugen, so gut sie könne», und auf diesem schöne» Fleckchen Erde als schwelgerische Herren leben, so lange sie noch dürfen. Da si»d ferner die Westeuropäer und die vornehmen Griechen, deren Arbeit die Blüte und der Reichtum der Stadt zu danken ist, die aber sich viel zu fremd sind, als daß sie gemeinsam die Fessel» sprengten, die sie auf Schritt und Tritt hemmen, die sich lieber gegenseitig in den Weg treten, damit keiner vorwärts kommt, die außerdem zu sehr Geschäftsleute sind, als daß sie an eine Umwälzung dächte», die Blut, fehr viel Blut kosten würde. Wenn jemals an die Stelle des ausgeklügelten Betrugs und der Er¬ pressungen eine geordnete Verwaltung z. B. nur der Auszeuzölle uach dem Vorgang in China einträte, und wenn ferner Kleinasien die Reichtümer wieder hervorbrächte, wozu es von der Natur bestimmt ist, dann würde diese Stadt nochmals eine ungeahnte Blüte erleben und wieder das werden, was sie schon einmal war, die Hauptstadt des Mittelmeeres. Giebt es eine Stadt, die so günstig zwischen zwei Erdteilen liegt, wie diese? Von zwei Seiten tritt der Schienenstrang an sie heran, und von zwei Seiten die Meeresstraßen. Aus allen blühenden Städten und Ländern des oströmischen Reiches haben die Türken elende Dörfer gemacht, nur diese Stadt haben sie nicht zu verwüsten vermocht. Sie ist zu sehr von der Natur begünstigt, sie wird ewig leben. Aber jeder hüte sich, die Herrschaft über dieses Sodom und Gomorrha anzutreten. Sie wird immer bleiben, was sie ist, eine Art Babylon greulichster Sprach- und Völkerverwirrung. Sie wird jedes Land ruinieren, dessen Hauptstadt sie ist, wie ein sündhaftes Weib den Mann ruiniert, dessen Gattin sie ist. Glücklich wird sie nur sein unter dein Säbel eines Despoten oder unter der Herrschaft einer hartherzigen, fremde» Aristokratie, womit ich weder auf russische noch englische Pläne anspielen will. Möge der Türke weiter herrschen. Er regiert diese Stadt immer noch besser, als sie sich selbst regieren würde. Karoline von Vraunschweig und ihre Tochter Prinzeß Tharlotre von England (Schlich) u Anfang des Jahres 1813 erreichte die Spannung zwischen dem Regenten und seiner Gattin ihren Höhepunkt. Georg hatte den Verkehr zwischen Mutter und Tochter noch weiter eingeengt, als dies schon bisher der Fall war. Die Mutter hatte hierauf einen Brief an den Regenten gerichtet, worin sie die Geschichte ihrer Leiden rekapitnlierte und namentlich drei Beschwerde- Punkte hervorhob: ihre Trennung von der Prinzessin Charlotte, die vernach¬ lässigte Erziehung dieser, und das über Gebühr verlängerte Hinausschieben

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_232551/650>, abgerufen am 04.05.2024.