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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Drittes Vierteljahr.

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^acirlem, eine Sommerfrische

und ehrwürdigsten Männer zweier Jahrtausende gehuldigt haben, und die bellte
noch mehr als hundert Millionen zivilisierter Menschen heilig sind, z" be¬
schimpfen und zu verspotten, und wenn er sich ans das Theologische einlassen
will, so hat er schon als gebildeter Mann, geschweige denn als Uinversitäts-
professor und vierfacher Doktor, die Pflicht, seine Beweisgründe ans ernsten
theologischen Werken und nicht aus gemeinen Pamphleten z" schöpfen. Es
thut tius aufrichtig leid, das; Haeckels Schwanengesang so mißtönend ausge¬
fallen ist, denn eS ist immer betrübend, zu sehen, wie ein hochbegabter Mann
ein unwürdiges Ende nimmt, und wir fühlen uns ihm noch dazu verpflichtet,
weil er, wie scholl hervorgehoben worden ist, sowohl unser Wissen bereichert
als unsern religiösen Glauben gestärkt hat, und dieses doppelte Verdienst hat
er sich ja um Unzählige erworben. Durch die Art seiner Polemik aber bewirkt
er, daß sein zweites Verdienst in Mißverdielist umschlägt. Er ist sehr unzu¬
frieden mit der gegenwärtigen geistigen Verfassung der Kulturvölker, die in
vieler Beziehung, namentlich auch in religiöser, als Reaktion bezeichnet werden
kaun, und wir beklagen es selbst, das; die Reaktion die Grenzen ihrer Be-
rechtigung überschreiten zu wollen scheint, daß die katholische wie die protestan¬
tische Orthodoxie stolzer als je ihr Haupt erhebt, daß der religiöse Glaube
vielfach in krassen Aberglauben ausartet, und das; sich dem kirchlichen Aber-
glauben ein wüstes Gewirr abergläubischer Seltenlehrcn zugesellt. Aber wer
ist schuld an dieser übermäßigen Reaktion? Der Fanatismus einiger athei¬
stischen Naturforscher und ihrer Popnlarisierer, die mit ihren maßlosen An¬
griffen auf das Christentum und auf die idealistische Philosophie die geistige"
Führer der Gegenpartei erschreckt haben, sodaß sie den jederzeit zum Übermaß
und zum Unverstand drängenden Massen nicht halt z" gebieten wagen, ans
Besorgnis, sie möchten dnrch Widerstand gegen die religiöse Strömung dein
i C. I- mmer noch drohenden Atheismus wieder zur Macht verhelfe".




I^aarlem, eine Sommerfrische
von A. p.

er vo" Norddeutschland ni'er Osnabrück und Nheiiie "ach Hollmid
hi'ilei" n"f Amsterdam zufährt, durch endlose Strecken vo" Heide
"lib Moor, der ahnt nicht, daß er i" el" schö"es Lund komme"
soll, el" Land, das "lau vom Süden her, von A"twerpe" aus
durchfährt wie einen einzigen grünen "ut blühenden Garten;
man muß ihn sich nnr groß genng denken, sodnß die Dörfer und Städte, an
denen mau vorüberkommt, Wirtschaftsgebäude und Herrensitze bedeuten können.


^acirlem, eine Sommerfrische

und ehrwürdigsten Männer zweier Jahrtausende gehuldigt haben, und die bellte
noch mehr als hundert Millionen zivilisierter Menschen heilig sind, z» be¬
schimpfen und zu verspotten, und wenn er sich ans das Theologische einlassen
will, so hat er schon als gebildeter Mann, geschweige denn als Uinversitäts-
professor und vierfacher Doktor, die Pflicht, seine Beweisgründe ans ernsten
theologischen Werken und nicht aus gemeinen Pamphleten z» schöpfen. Es
thut tius aufrichtig leid, das; Haeckels Schwanengesang so mißtönend ausge¬
fallen ist, denn eS ist immer betrübend, zu sehen, wie ein hochbegabter Mann
ein unwürdiges Ende nimmt, und wir fühlen uns ihm noch dazu verpflichtet,
weil er, wie scholl hervorgehoben worden ist, sowohl unser Wissen bereichert
als unsern religiösen Glauben gestärkt hat, und dieses doppelte Verdienst hat
er sich ja um Unzählige erworben. Durch die Art seiner Polemik aber bewirkt
er, daß sein zweites Verdienst in Mißverdielist umschlägt. Er ist sehr unzu¬
frieden mit der gegenwärtigen geistigen Verfassung der Kulturvölker, die in
vieler Beziehung, namentlich auch in religiöser, als Reaktion bezeichnet werden
kaun, und wir beklagen es selbst, das; die Reaktion die Grenzen ihrer Be-
rechtigung überschreiten zu wollen scheint, daß die katholische wie die protestan¬
tische Orthodoxie stolzer als je ihr Haupt erhebt, daß der religiöse Glaube
vielfach in krassen Aberglauben ausartet, und das; sich dem kirchlichen Aber-
glauben ein wüstes Gewirr abergläubischer Seltenlehrcn zugesellt. Aber wer
ist schuld an dieser übermäßigen Reaktion? Der Fanatismus einiger athei¬
stischen Naturforscher und ihrer Popnlarisierer, die mit ihren maßlosen An¬
griffen auf das Christentum und auf die idealistische Philosophie die geistige»
Führer der Gegenpartei erschreckt haben, sodaß sie den jederzeit zum Übermaß
und zum Unverstand drängenden Massen nicht halt z» gebieten wagen, ans
Besorgnis, sie möchten dnrch Widerstand gegen die religiöse Strömung dein
i C. I- mmer noch drohenden Atheismus wieder zur Macht verhelfe».




I^aarlem, eine Sommerfrische
von A. p.

er vo» Norddeutschland ni'er Osnabrück und Nheiiie »ach Hollmid
hi'ilei» n»f Amsterdam zufährt, durch endlose Strecken vo» Heide
»lib Moor, der ahnt nicht, daß er i» el» schö»es Lund komme»
soll, el» Land, das »lau vom Süden her, von A»twerpe» aus
durchfährt wie einen einzigen grünen »ut blühenden Garten;
man muß ihn sich nnr groß genng denken, sodnß die Dörfer und Städte, an
denen mau vorüberkommt, Wirtschaftsgebäude und Herrensitze bedeuten können.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_233233/30>, abgerufen am 03.05.2024.